Paradox
Weil wir weniger (!) verbrauchen: Energie 200 Euro teurer
Höhere Netzkosten, Auslaufen der Strompreisbremse: Warum wir alle nächstes Jahr empfindlich mehr für Gas und Strom zahlen müssen. Und warum das die Politik offenbar nicht juckt.
Das nennt man Timing. Der Schock über den Lieferstopp für russisches Erdgas war gerade erst verdaut, da rasselte die E-Control mit der zweiten Hiobsbotschaft zur Tür herein: Die Gebühren für Gas- und Stromnetze werden 2025 teils massiv teurer, für Österreichs Haushalte ergibt sich daraus im kommenden Jahr eine durchschnittliche Mehrbelastung von 150 Euro. Es kann auch ein bisserl mehr sein.
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Unter dem Radar Inhaltlich haben diese beiden Ereignisse zwar nichts miteinander zu tun. Wer jedoch denkt, dass es reiner Zufall war, dass die Ankündigung der obersten heimischen Energiebehörde keine 48 Stunden nach dem Njet aus Moskau bekanntgegeben wurde, glaubt vermutlich auch noch an das Gute in Wladimir Putin. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass den E-Controllern die Gelegenheit günstig erschien, ihren Kunden die satte Gebührenerhöhung im Fahrwasser Russlands möglichst unauffällig unterzujubeln.
Tatsache ist: Selbst wenn der russische Lieferstopp in diesem Winter zu keinen eklatanten Preissteigerungen bei Strom und Gas führen sollte, müssen wir alle im kommenden Jahr wieder einmal ordentlich tiefer in die Tasche greifen, wenn die Heizung weiter warm bleiben und der Strom fließen soll. Was ab 2025 teurer wird, welche staatlichen Stützen auslaufen und um wie viel wir kommendes Jahr auf jeden Fall mehr für Energie berappen müssen: hier der Überblick.
Was wird kommendes Jahr teurer?
Die sogenannten Entgelte für die Strom- und Gasnetze. Das sind jene Gebühren, die die Energieunternehmen dafür verrechnen, dass sie den Strom über das Stromnetz und das Gas über Gasrohre in unsere Häuser und Wohnungen transportieren. Also quasi die Benutzungsgebühren für das Strom- und das Gasnetz.
Warum muss man dafür überhaupt bezahlen?
Weil diese Netze regelmäßig gewartet gehören, um reibungslos und sicher zu funktionieren. Und weil diese natürlich auch ausgebaut und modernisiert werden müssen.
Um wieviel werden die Gasnetzentgelte teurer?
Das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Beim Gas werden die Entgelte in Cent pro benutzter Kilowattstunde verrechnet. Hier steigen die Preise zwischen 1,5 Prozent (in Kärnten) und 29,4 Prozent (in Oberösterreich). Hochgerechnet auf einen durchschnittlichen Gas-Jahresverbrauch von 15.000 Kilowattstunden bedeutet das, dass ein Haushalt in OÖ dadurch kommendes Jahr um 100 Euro mehr für seinen Gasverbrauch bezahlen wird, als es 2024 der Fall gewesen ist.
Um so viel wird das Gasnetzentgelt ab 2025 teurer (auf Basis eines Haushalts mit einem Jahresverbrauch von 15.000 kWh)
- Oberösterreich 100,19 Euro (+ 29,4 Prozent)
- Burgenland 85,16 Euro (+ 21,7 Prozent)
- Wien 59,20 Euro (+ 13,7 Prozent)
- Niederösterreich 58,12 Euro (+ 21,2 Prozent)
- Steiermark 45,79 Euro (+ 14 Prozent)
- Vorarlberg 39,60 Euro (+ 14,1 Prozent)
- Tirol 37,51 Euro (+ 9,2 Prozent)
- Salzburg 25,47 Euro (+ 9 Prozent)
- Kärnten 6,08 Euro (+ 1,5 Prozent)
- Österreich-Durchschnitt 60,26 Euro (+ 16,6 Prozent)
Und wie sieht es beim Strompreis aus?
Auch hier wird das Entgelt in Cent pro Kilowattstunde berechnet. Hier ist die Preissteigerung in Niederösterreich am höchsten, und zwar um 32,1 Prozent. Bei den Stromnetzen gibt es nicht nur 9 Landesgesellschaften, sondern auch einige kommunale Versorger. In Graz wird der Stromnetzentgeld sogar um 4,6 Prozent billiger.
Hochgerechnet auf einen durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3.500 kWh pro Haushalt, wird damit der Strom in NÖ nächstes Jahr um 102 Euro teurer als heuer. In Graz wird er um 15 Euro billiger.
Um so viel wird das Stromnetzentgelt ab 2025 teurer (auf Basis eines Haushalts mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh)
- Steiermark 102,60 Euro (+ 29 Prozent)
- Niederösterreich 102,14 Euro (+ 32,1 Prozent)
- Wien 95,21 Euro (+ 31,5 Prozent)
- Oberösterreich 69,76 Euro (+ 25,6 Prozent)
- Burgenland 69,04 Euro (+ 23,6 Prozent)
- Kärnten 63,25 Euro (+ 14,7 Prozent)
- Vorarlberg 47,40 Euro (+ 19 Prozent)
- Salzburg 46,87 Euro (+ 13,6 Prozent)
- Tirol 25,26 Euro (+ 8,3 Prozent)
- Klagenfurt 72,74 Euro (+ 22,7 Prozent)
- Linz 46,87 Euro (+ 18,8 Prozent)
- Innsbruck 18,73 Euro (+ 4,7 Prozent)
- Graz - 15,12 Euro (- 4,6 Prozent)
- Österreich-Durchschnitt 73,11 Euro (+ 23,1 Prozent)
Wie kommt es zu diesen eklatanten Unterschieden bei der Teuerung?
Laut Alfons Haber von der E-Control liegt das an den unterschiedlichen Investitionskosten, die Netzbetreiber zuletzt getätigt haben, und an Unterschieden im Ausbaugrad der Infrastruktur. In Wien seien etwa zuletzt viele Investitionen im Bereich der Erneuerbaren Energien vorgenommen worden, das anzuschließen kostet Geld. Und auch der Verbrauch in einer Region macht einen Unterschied. Haber: "Der Energiebedarf in den Städten und am Land liegt oft ziemlich weit auseinander."
Kann man sich den Netzanbieter denn nicht genauso aussuchen wie den Energieanbieter?
Nein, die Netzanbieter haben ein Monopol und je nachdem, wo man wohnt, muss man den dort tätigen Anbieter akzeptieren.
Weshalb gibt es eigentlich so viele Netzanbieter?
Das ist vor allem durch den gelebten Föderalismus in Österreich zu erklären. Jedes Bundesland hat seinen eigenen Anbieter – im Strom-Bereich ist die Situation sogar noch segmentierter – und hat somit politisch "die Hand auf einem Anbieter", vollkommen unabhängig davon, welche Bundesregierung gerade in Wien arbeitet.
Wäre es nicht effizienter, alles in einer Hand zu haben?
Hinter vorgehaltener Hand sind sich die meisten Branchenexperten einig, dass es viel Geld sparen und auch die Effizienz steigern würde, wenn nur ein oder zwei Anbieter diese Aufgabe übernehmen würden. Zur Preisklarheit für die Konsumenten würde es auch beitragen.
Andererseits widerspräche das einerseits dem Credo vom freien Wettbewerb in der EU. Es würde den neun Landeshauptleuten auch ein wichtiges Instrument aus den Händen nehmen. Was die Chance, dass es hier in absehbarer Zeit zu einer Änderung der Struktur kommen könnte, auf Null reduziert.
Wer legt fest, um wie viel die Netzkosten steigen?
Das macht die E-Control. In Europa wurden in den letzten 25 bis 30 Jahren die Märkte für die leitungsgebundenen Energieformen Elektrizität und Erdgas liberalisiert. Damit sich hier ein fairer Wettbewerb entwickeln kann, sind klare Spielregeln für alle Marktteilnehmer erforderlich. Die E-Control ist als Regulierungsbehörde für die Aufstellung und Einhaltung dieser Regelungen in Österreich verantwortlich, in den anderen Ländern gibt es vergleichbare Behörden.
Und auf welcher Basis werden diese Entgelte festgelegt?
Auf Basis der durch die E-Control festgestellten Kosten und Mengen werden die Systemnutzungsentgelte per Verordnung jährlich bestimmt und treten ab dem 1. Jänner des Folgejahres in Kraft. Alfons Haber: "Die Netztarife errechnen sich aus den Kosten, die für die Netzbetreiber entstehen, dividiert durch die jeweiligen Abgabemengen in diesem Netz."
Weshalb steigen die Kosten dieses Mal so stark an?
Auch wenn es seltsam klingt: Vor allem deshalb, weil der Strom- und Gasverbrauch in Österreich seit einiger Zeit abnimmt.
Wait … what?
E-Control-Mann Alfons Haber: "Wir hatten 20 Jahre lang sinkende Netztarife, weil effizienz-steigernde Maßnahmen umgesetzt wurden. Aber in den letzten zwei Jahren kam es zu Erhöhungen, einerseits weil mehr investiert wurde, andererseits weil die Beschaffungskosten etwa für Transformatoren und Leitungen gestiegen sind. Auch der Faktor Personal hat sich verteuert. Und wir hatten sinkende Abgabemengen im Strom- und im Gasbereich, das heißt, dieselben Netzkosten werden auf geringere Abgabemengen umgeschlagen."
Das heißt, wenn ich mich bemühe, weniger Energie zu verbrauchen, etwa um das Klima zu schonen oder um Geld zu sparen, sinken zwar meine Verbrauchskosten, aber die Netzkosten steigen gleichzeitig an?
Im Grunde ja.
Das ist der einzige Grund für die Preissteigerung?
Nicht der einzige, es gibt weitere Faktoren: Etwa ein Rückgang bei Gasanschlüssen, weil Hausbesitzer auf alternative Wärmequellen wie Strom oder Fernwärme umsteigen. Die Erhaltungskosten für das Gasnetz würden aber gleich bleiben, so das Argument. Und auch die Zunahme an privaten PV-Anlagen minimiert die Stromabnahme, während der Service-Bedarf für das Netz gleich bleibt.
Hat da die Politik kein Wörtchen mitzureden?
Nein, hat sie nicht. Um es auf Amtsdeutsch zu sagen: "Die Netzentgelte werden durch die unabhängige Regulierungsbehörde E-Control auf Basis der tatsächlichen Kosten der Netzbetreiber festgelegt. Das entspricht den europarechtlichen Vorgaben – eine politische Einmischung in diese Festlegung ist gesetzlich nicht vorgesehen", heißt es aus dem Energie- und Klimaschutzministerium von Ministerin Leonore Gewessler, die politisch für den gesamten Energiebereich verantwortlich ist.
Gilt diese Preissteigerung bei den Netztarifen nur für Haushalte, oder auch für die Wirtschaft?
Sie gilt grundsätzlich für alle Abnehmer von Strom und Gas gleichermaßen, allerdings nicht im selben Ausmaß.
Was bedeutet das?
Dass die Großindustrie im Verhältnis zu ihrem Stromverbrauch einen geringeren Anteil an den Netzkosten trägt, als die Haushalte. Am Beispiel des Jahres 2023 lässt sich das einfach festmachen.
So groß sind die Unterschiede zwischen Industrie und Haushalten bei den Netztarifen (am Beispiel 2023)
- Österreichs Haushalte verbrauchten 2023 insgesamt 27 Prozent des Stroms, bezahlten aber anteilig 44 Prozent der Stromnetzkosten
- Österreichs Unternehmen (ohne Großindustrie) verbrauchten 43 Prozent des Stroms und bezahlten 42 Prozent der Netzkosten
- Und Österreichs Großindustrie verbrauchte 30 Prozent des konsumierten Stroms, bezahlte aber nur 14 Prozent der Netzkosten
Weshalb wird die Industrie hier bevorzugt?
Dafür gibt es zahlreiche Argumente. Die meisten Industrieunternehmen sind direkt an das Hochspannungsnetz angeschlossen, die Netzbetreiber ersparen sich also die Transformation des Stroms auf "Haushaltsniveau". Zudem nehmen die meisten Unternehmen der Großindustrie den Netzbetreibern ganz andere Strommengen ab, für die sie entsprechende Mengenrabatte erhalten. Weiters verbrauchen Industrieunternehmen den Strom meist sehr konstant, während Privathaushalte Belastungsspitzen haben (morgens und abends), was Investitionen in die Netzstabilität erfordert. Und nicht zuletzt sind niedrigere Stromkosten für Industrieunternehmen eine politische Entscheidung, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich zu erhöhen.
Gab es schon einmal einen so großen Anstieg der Netztarife?
Nein, das ist der bislang höchste Anstieg seit 2001, also seit es in Österreich einen liberalisierten Energiemarkt gibt und die E-Control die Tarife für das Strom- und Gasnetz festlegt.
Wie groß ist der Anteil der Netzkosten an den gesamten Energiekosten?
Er liegt bei etwa einem Drittel, ein weiteres Drittel machen die reinen Energiekosten aus – also die Preise für Strom und Gas – und der Rest sind Steuern und Abgaben.
Besteht denn nicht die Angst, dass das Auswirkungen auf die Inflation oder den Wirtschaftsstandort hat?
Dazu halten sich die Politiker bedeckt, aber weder für die Inflation, noch für den Wirtschaftsstandort Österreich sind das gute Nachrichten. Andererseits muss man darauf vertrauen, dass die Regeln für alle europäischen Länder gelten, in anderen Ländern mit einer ähnlich gelagerten Situation die Diskussion also genau dieselbe ist.
Um wie viel werden sich die Netzkosten also 2025 im Schnitt erhöhen?
Bei der E-Control rechnet man mit durchschnittlich etwa 150 Euro Mehrkosten pro Haushalt und Jahr. Aber das ist leider noch nicht alles, es gibt noch weitere Preistreiber.
Was kommt denn noch?
Mehrere Dinge. Einerseits läuft Ende 2024 der staatliche Stromkostenzuschuss aus, umgangssprachlich Strompreisbremse genannt. Zudem wurden 2022 auch die Abgaben auf Strom und Gas auf ein Minimum gesenkt, um für die Menschen im Land die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine exorbitant gestiegenen Energiepreise etwas abzufedern. Auch diese Regelung läuft Ende 2024 aus – bislang ersatzlos. Diese beiden Faktoren werden die Energiekosten 2025 weiter in die Höhe treiben.
Von welchem Kostenanstieg ist auszugehen?
Aus dem Energie- und Klimaschutzministerium ist dazu zu erfahren, dass "ein durchschnittlicher Wiener Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 kWh/Jahr eine Kostensteigerung von rund 200 Euro tragen wird – insofern das niedrigere Großhandelspreisniveau für 2025 in Form einer Senkung der Endkund:innenpreises berücksichtigt wird. Dabei entfallen 53 Prozent der Mehrkosten auf den Wegfall des Stromkostenzuschusses."
Und das ist jetzt einfach so, oder wird zumindest über neue Hilfen nachgedacht?
Aus dem Gewessler-Ministerium ist zu hören, dass man "zur Diskussion über andere Maßnahmen für niedrige Strompreise bereit" sei und dem Noch-Koalitionspartner "auch Vorschläge übermittelt" habe. Ob dieser darauf reagiert hat, ist leider nicht bekannt. Tatsache ist jedenfalls, dass aktuell scheinbar kein gesteigertes Interesse seitens der Bundesregierung besteht, hier lenkend einzugreifen.
Lieferstopp aus Russland: Geht uns das Gas aus?
Stichwort Russland-Gas: Kommt seit der Ankündigung des Lieferstopps wirklich kein Gas mehr aus Russland zu uns?
Es kommt schon noch Gas, allerdings weniger. Und vor allem, es gehört nicht mehr der OMV, sondern entweder anderen Anbietern, oder es wird an der Wiener Gasbörse CEGH (Central European Gas Hub) frei gehandelt.
Um wie viel ist die Liefermenge zurückgegangen?
In den ersten Tagen seit Ankündigung des Lieferstopps um etwa 15 bis 20 Prozent.
Weshalb kommt nach wie vor Gas aus Russland bei uns an?
Wei die russische Gazprom zum einen die Transportkapazitäten bis Jahresende auf den Pipelines gebucht hat und auf jeden Fall dafür bezahlen müsste, ob sie jetzt Gas durch schickt oder nicht. Und zum anderen, weil es technisch schlicht nicht möglich ist, die vorhandenen Kapazitäten umzuleiten. Heißt: Es ist Gas da, es wurde für die Leitung gezahlt, also schickt man auch Gas durch.
Und was passiert jetzt mit diesem Gas?
Es gehört der Gazprom und sie verkauft es an andere Unternehmen – so wie die OMV – oder an Gashändler, und zwar das meiste über die Gasbörse. Experten gehen davon aus, dass auch die OMV inzwischen Gazoprom-Gas an der Börse erwirbt.
Wie lange wird das jetzt so weitergehen?
Nur noch bis Anfang Jänner, denn dann läuft der Vertrag zwischen der Gazprom und der Ukraine aus. Damit wird kein weiteres Gazprom-Gas mehr auf diesem Weg nach Europa kommen. Andere Anbieter können diesen Weg weiterhin nützen, es wird also auch weiterhin russisches Gas über die Ukraine nach Europa gelangen, allerdings nicht in den Mengen wie bisher.
Wird sich dadurch bei uns der Gaspreis für Haushalte nochmals erhöhen?
Experten gehen nicht davon aus, dass das passieren wird, da sich die heimischen Gasversorger für diese Situation gerüstet haben – man wusste ja bereits, dass diese Quelle versiegen wird. Das heißt, sie haben viel Gas in den Sommermonaten gekauft und versorgen sich jetzt weiter über die Börse. Die dadurch entstehenden höheren Kosten wurden bereits vorab eingepreist.
Deshalb wird es nach einhelliger Meinung der Fachleute für Haushalte hier in den nächsten Monaten zu keinen oder nur geringfügigen Preissteigerungen kommen, selbst wenn jemand einen Floater-Tarif hat, bei dem der Gaspreis flexibel auf Marktbewegungen reagiert.
Und wie sieht hier die langfristige Situation aus?
Langfristig wären Probleme durchaus denkbar, vor allem, wenn Russland versuchen sollte, den Markt durch Einschränkungen der Gaslieferungen zu destabilisieren, sobald die Lager im Westen vom Winter geleert sind. Experten halten ein derartiges Verhalten seitens Russland jedenfalls für nicht ausgeschlossen.
Bedeutet das, wir bekommen wieder eine Situation wie 2022, als sich der Gaspreis teilweise verzehnfacht hat?
"Diese Gefahr einer Verzehnfachung des Gaspreises sehe ich derzeit nicht", sagt Gerhard Roiss, langjähriger Energie-Manager und Vorstand der OMV. "Wohl aber deutliche kurzfristige Preissprünge nach oben."
Roiss schlägt daher vor, in solchen Fällen die strategische Gasreserve des Bundes in der Größe von zwei Milliarden Kubikmeter Gas, einzusetzen, um Spekulationen an der Börse einzudämmen und Preisspitzen zu vermeiden. "Wenn Preisspitzen entstehen, wirft man einen Teil dieser Reserve auf den Markt, um den Markt zu beruhigen. Und wenn sich die Lage wieder stabilisiert hat, kauft man das so eingesetzte Gas bei Dritten wieder zu und füllt die Reserven neu auf. Ein derartiges Szenario hätten die USA mit ihrer strategischen Erdölreserve bereits mehrfach durchexerziert.
Doch dafür würde es Gesetzesänderungen benötigen, so der Manager – ein Schritt, zu dem die heimische Politik derzeit jedenfalls nicht bereit zu sein scheint. Roiss sieht das anders: "Ich denke, dass es wichtig wäre, vorbereitet zu sein. Wenn der Fall von heftigen Preissprüngen an der Börse nicht eintritt, umso besser. Aber falls doch, ist es sinnvoll, bereits eine Strategie und die dafür nötigen gesetzlichen Bestimmungen zu haben, um hier rasch reagieren zu können. Das ist wie eine Versicherung."
Stimmt es, dass unsere Gaslager voll sind?
Ja, sagt Gerhard Roiss, das sei schon korrekt. Aber man müsse auch die Frage stellen, wem das Gas gehöre, das da in den heimischen Lagern liegt: "Es können auch andere Staaten ihr Gas in Österreich lagern" – diese Reserven hätten für Österreich natürlich keinen Wert.