Leere Nester
Weshalb die Vogelgrippe den Supermärkten auf die Eier geht
In vielen Supermärkten herrscht derzeit einen Mangel an Eiern. Verantwortlich dafür ist die in Europa wütende Vogelgrippe: Und die Tatsache, dass immer mehr Bauern die Lust auf Bio verlieren. Warum das so ist, was man dagegen tun könnte – der Überblick.
Zwischen 250 und 300 Eier legt eine Legehenne pro Jahr, die genaue Zahl hängt von ihrem Alter – je jünger, desto produktiver –, der Fütterung und den Haltungsumständen für die Tiere ab.
Der Hunger auf Eier steigt Damit stillt eine durchschnittliche Henne etwa den jährlichen Eier-Appetit eines Österreichers. Denn unser Hunger auf das Lebensmittel Ei wächst, und das rasant. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag zuletzt bei 248 Eiern, im Jahr 2021 waren es noch um 15 Eier pro Person und Jahr weniger – statistisch gesehen.
Konsumenten stehen vor leeren Regalen Derzeit bekommt diese Statistik allerdings eine Delle. Denn im Moment könnten wesentlich mehr Eier verkauft werden, als die Produzenten zu liefern imstande sind. Die Folge: Leere Regale in den heimischen Supermärkten.
Vogelgrippe verdirbt uns den Appetit Verantwortlich dafür sind zwei Entwicklungen, die im Grunde nichts miteinander zu tun haben, aber im Zusammenspiel dafür sorgen, dass seit geraumer Zeit zu wenige Eier in den Handel kommen: die aktuelle Vogelgrippe-Welle in Europa und der Rückgang an heimischen Biobauern, die sich das Geschäft mit den Hühnern weiter antun möchten.
Wie diese beiden Faktoren letztlich zusammenhängen, welche Rolle der Tourismus in der österreichischen "Eier-Gleichung" spielt und wann sich die Liefer-Situation wieder entspannen soll – hier die wichtigsten Fakten zur aktuellen Eier-Krise:
Was ist das Problem?
Grob gesagt, die Nachfrage nach Hühnereiern übersteigt in Österreich derzeit das Angebot, das die heimischen Betriebe liefern können, merkbar. Und da es sich bei Eiern um ein frisches Produkt handelt, dessen Lagerfähigkeiten sehr begrenzt sind, können hier auch keine Reserven aufgebaut werden, wie es bei anderen, weniger verderblichen Lebensmitteln durchaus üblich ist.
Wieviele Eier werden in Österreich produziert?
Pro Jahr legen die gut 7,2 Millionen Legehennen in Österreichs Betrieben etwa 2 Milliarden Eier.
Und wie hoch ist der jährliche Verbrauch?
Der liegt bei etwa 2,2 Milliarden Eiern. Es müssen also ungefähr 10 Prozent des heimischen Verbrauchs importiert werden.
Aber weshalb haben wir dann derzeit einen Eier-Engpass?
Daran ist vor allem die Vogelgrippe schuld. Die Infektionskrankheit (auch Geflügelpest genannt, das entsprechende Virus trägt das Kürzel H5N1) bricht regelmäßig im Frühjahr und Herbst aus und infiziert neben Wildvögeln immer wieder auch Populationen in landwirtschaftlichen Betrieben.
Und die Welle ist derzeit besonders heftig?
Ja, in dieser Saison wütet die Vogelgrippe sehr stark, es sind ihr in Österreich bisher bereits 200.000 Legehennen zum Opfer gefallen. In ganz Europa sind es bislang mehrere Millionen Tiere, die an der Infektionskrankheit verendet sind oder getötet werden mussten.
Was wird dagegen getan?
In besonders betroffenen Regionen wird eine Stallpflicht für Geflügel verhängt, um zu verhindern, dass Hühner mit Wildvögeln oder deren Ausscheidungen in Kontakt kommen. In Österreich besteht derzeit in 25 Bezirken eine Stallpflicht für Betriebe mit mehr als 50 Tieren. Zudem ist ganz Österreich als Risikogebiet eingestuft, für Menschen, die mit Geflügel in Kontakt kommen, gelten strenge Regeln.
Können sich auch Menschen mit der Vogelgrippe anstecken?
Ja, das kann passieren. Die meisten Infektionen verlaufen zwar mild, es kann aber auch zu schweren Verläufen kommen, die sogar tödlich enden können. In den USA ist vor wenigen Tagen ein über 65-jähriger Mann in Louisiana an einer Vogelgrippe-Infektion gestorben. Es war der erste derartige Fall in den USA überhaupt. Laut WHO infizierten sich zwischen 2003 und 2023 weltweit 874 Menschen mit der Vogelgrippe, 458 von ihnen starben. Nahezu alle Todesfälle passierten in Asien und Afrika, wo die Menschen mit ihrem Geflügel oft auf sehr engem Raum zusammenleben.
Kann man sich davor schützen?
Ja, seit 2023 ist eine Schutzimpfung gegen den Virusstamm der Vogelgrippe in der EU zugelassen. In den USA, wo vor kurzem der erste Todesfall nach einer Vogelgrippe-Infektion eingetreten ist, gingen die Aktienkurse jener Pharmaunternehmen, die an Wirkstoffen gegen die Infektionskrankheit forschen, sprunghaft nach oben.
Zurück zu den Hühnern: Wie hängt der Eier-Engpass in Österreich mit der Vogelgrippe zusammen?
Durch die dadurch notwendig gewordene Tötung von Millionen Hühnern sank die Eierproduktion in Europa drastisch. Jene etwa 200 Millionen Eier, die pro Jahr aus dem Ausland angekauft werden, um den Gesamtbedarf in Österreich zu decken, gehen vor allem in die Industrie und die Gastronomie. Diese Abnehmer begannen nun mangels Lieferfähigkeit im Ausland, ihren Bedarf im Inland zu decken. Das Angebot für die heimischen Konsumenten ging dadurch merkbar zurück.
Warum kaufen vor allem Industrie und Gastronomie ihre Eier aus dem Ausland?
Grundsätzlich ist es so, dass Import-Eier nicht jenen strengen Haltungsregeln unterworfen sind, wie sie für die Eier heimischer Hersteller gelten. Während in Österreich etwa die Haltung der Tiere in Käfigen seit 2020 generell verboten ist, kommen EU-weit nach wie vor etwa 40 Prozent aller Eier aus Käfighaltung, erklärt Michael Wurzer vom Verband der Geflügelwirtschaft Österreichs, GWÖ. Dadurch sind diese Import-Eier auch günstiger als jene, die in Österreich produziert werden.
Und weshalb wird das in Österreich nicht so gehandhabt?
Die österreichischen Konsumenten haben jahrelang auf die Abschaffung der Käfighaltung gedrängt, das war ein großes Thema. Österreich ist seit der Umsetzung europaweit ein Vorreiter in Sachen Tierschutz. Die meisten Konsumenten sind bereit, dafür auch höhere Preise zu bezahlen.
Welche Haltungsformen sind in Österreich erlaubt?
Die Bodenhaltung und die Freilandhaltung. Für beide Haltungsformen ist genau geregelt, welche Lebensumstände jedem Tier dabei ermöglicht werden müssen. Primäres Unterscheidungsmerkmal: Tiere in Bodenhaltung haben weniger Platz zur Verfügung und sehen niemals das Tageslicht, sie verbringen ihr Leben nur in Hallen mit künstlichem Licht. Dazu kommt noch die Biohaltung, diese besteht im Grunde aus Freilandhaltung, für die allerdings noch zusätzliche Vorschriften, etwa bezüglich Fütterung, gelten.
Bei Bio-Eiern gibt es derzeit ebenfalls einen Lieferengpass, richtig?
Ja, das stimmt. Die Nachfrage nach Bio-Eiern steigt in Österreich, sowohl bei den Konsumenten, als auch bei der gehobenen Gastronomie und im Tourismus. Bio gilt hier oft als Qualitätsmerkmal, das von den Gästen auch explizit nachgefragt wird. Gleichzeitig geht das Angebot zurück, da viele Biobauern entweder auf Freilandhaltung umsteigen oder überhaupt aufhören.
Weshalb ist das so?
Beklagt wird, dass die Regeln für Bio-Betriebe zu kompliziert, vor allem aber zu teuern seien. Die dadurch nötigen Mehrkosten würden sich aber nicht in gleichem Maße beim Verkaufspreis niederschlagen. Deshalb gehen Biobauern oft einen Schritt zurück und stellen aauf Freilandhaltung um. Dafür sind im Grunde keine zusätzlichen Investitionen nötig, die geltenden Haltungsregeln sind aber viel einfacher.
Aber verdienen sie mit Bio-Eiern nicht mehr Geld?
Schon, aber der Rückgang wird scheinbar durch die höheren Produktionszahlen aufgefangen. Konkret ist es so, dass Bio-Betriebe maximal 3.000 Hühner in einer Einheit haben dürfen. Ein Biobauer darf höchstens zwei Einheiten, somit maximal 6.000 Hühner haben. Bei der Freilandhaltung gibt es derartige Beschränkungen nicht, hier wird die Größe der Betriebe nur durch die Umweltschutzregelungen im geltenden Baurecht reguliert. Dadurch sind hier auch Betriebe mit bis zu 40.000 Tieren möglich.
Wie viele Bio-Betriebe gibt es eigentlich in Österreich?
Laut Michael Wurzer vom Geflügelwirtschaftsverband gab es mit Stand Ende des Vorjahres 605 Bio-Betriebe. Die Zahl der Legehennen im Bio-Bereich ist in den vergangenen zwei Jahren um 50.000 auf 950.000 gesunken. Insgesamt gibt es an die 1.800 Legebetriebe mit mehr als 350 Tieren.
Und wie verteilt sich das prozentuell?
Die 605 Bio-Betriebe sorgen für 13 Prozent der in Österreich verkauften Eier. Aus Freilandhaltung stammen etwa 31 Produzent der Eier, 56 Prozent stammen aus Bodenhaltung, wo die Tiere weniger Auslauf haben und kein Tageslicht und keine frische Luft bekommen.
Wie stehen wir da im europäischen Vergleich da?
Sehr gut. In der EU sind gerade einmal 7 Prozent der Eier nach Bio-Kriterien produziert, 15 Prozent stammen aus Freilandhaltung, 38 Prozent aus Bodenhaltung und 40 Prozent aus Käfighaltung.
Wie lange wird der aktuelle Eier-Engpass noch andauern?
Es wird alles halb so schlimm, sind sich die großen Handelsketten einig. Rewe, Spar, Hofer und Lidl erklärten mehr oder weniger einhellig, dass es zwar teilweise eine eingeschränkte Verfügbarkeit bei einzelnen Haltungsklassen geben könne - hier sind primär Eier aus Bio-Haltung gemeint. Aber es werden immer genügend Eier für alle Konsumenten verfügbar sein.
Und wann werden wir wieder das komplette Angebot überall zur Verfügung haben?
Auch da sind sich die Händler einig: Nach Ostern, so der Tenor, wird sich die Lage entspannen, da ab dann die Nachfrage merkbar sinkt. Und erst, wenn es draußen wieder kälter wird, steigt auch unser Appetit auf das gelbe (und das Weiße) vom Ei wieder.