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Wie Amazon den coolen Kult-Cop Alex Cross neu erfindet
Drei Filme mit dem Polizei-Psychologen Alex Cross gibt es bereits, jetzt folgt die Serie. Aldis Hodge spielt den Ermittler überzeugend, die Atmosphäre ist düster, die Story hat Kraft. Ab sofort auf Amazon Prime.
Wenn die Filmbranche auf keine neuen Ideen kommt, nimmt sie alte und verwurstet sie neu. Uund nicht immer ist das eine schlechte Sache. Netflix beweist gerade mit "The Lincoln Lawyer", dass Serien-Adaptionen von literarischen Stoffen, die bereits zuvor als Film umgesetzt wurden, durchaus erfolgreich und sehenswert sein können.
Von Buch zu Film zu Serie Die James Patterson-Romanfigur Alex Cross durfte bereits in 3 Verfilmungen auftreten: 1997 und 2001 verkörperte Morgan Freeman zweimal den Detective. Die Filme entstanden im Fahrwasser von "Das Schweigen der Lämmer" und "Sieben" und waren keine großen Erfolge. Aber zumindest der erste, "… denn zum Küssen sind sie da" (derzeit auf Netflix zu sehen), ist ein solider Psycho-Thriller geworden. Und Morgan Freeman war eine treffende Wahl für die Rolle des Alex Cross. Die Verfilmung aus 2012, in der Tyler Perry den Ermittler verkörperte, war hingegen ein ziemlicher Flop auf allen Ebenen. Es kann also durchaus aufwärts gehen.
(Un)Erreichbare Vorbilder Gerade Stoffe, wo andere Adaptionen wenig überzeugen konnten, haben die Chance, das Publikum für sich zu gewinnen. Denn sie müssen sich nicht an schwer erreichbaren Vorbildern messen lassen. Dieses Schicksal ereilte bekanntlich die "Herr der Ringe"-Serie "Die Ringe der Macht", ebenfalls auf Prime Video, die schon von vornherein einen schweren Stand bei Millionen eingefleischten Fans der Filmreihe von Peter Jackson hatte.
Verwundet und besessen "Cross" hat also diese Chance – und nutzt sie: Unterlegt von dröhnenden Hip-Hop-Klängen, werden die Zuschauer in die Welt des Alex Cross eingeführt, die sich zwischen seinem Job bei der Washingtoner Polizei, seiner Familie (er hat zwei Kinder) und seiner Suche nach dem Mörder seiner Frau abspielt. Die wurde nämlich vor einigen Jahren getötet - auch das zeigt die Serie zu Beginn –, der Täter jedoch wurde nie gefasst. Die Wunde der Unwissenheit trägt Cross seither in sich. Und macht ihn umso besessener davon, Verbrecher zu Strecke zu bringen.
Cooler Charakter Aldis Hodge macht als Cross eine ziemlich gute – und vor allem coole – Figur. Gleich in der ersten Folge wird der Charakter des Protagonisten etabliert: Im Verhörraum der Polizei sitzt ein (weißer) Verdächtiger, der sich gegenüber dem (wie Cross selbst schwarzen) Kollegen unmissverständlich als dummer Rassist zu erkennen gibt. Der Kollege flippt aus und muss das Feld räumen, Cross kommt zum Zug.
Wer hat den Größeren? Der Verdächtige versucht sein Spiel auch mit ihm, will "in seinen Kopf" eindringen, wirft mit mehr oder weniger subtilen rassistischen Beschimpfungen um sich, lässt den Detective wissen, dass er klüger sei als er - das sei schlicht genetisch bedingt. Am Ende ist es aber Cross, der in den Kopf des Verdächtigen eindringt, indem er sein Verhalten, seinen Habitus genau studiert. Und ihn mit seinen eigenen Waffen schlägt: Er habe nun mal den größeren Penis, lässt er den Rassisten wissen. Das sei auch genetisch bedingt, und er könne nichts dagegen machen. Wenig überraschend "knackt" er sein Gegenüber, das sich in seiner Männlichkeit bedroht sieht.
Vielschreiber Patterson Als der Autor James Patterson, der selbst weiß ist, die Figur Alex Cross schuf, waren afro-amerikanische Protagonisten alles andere als üblich, weder in massenhaft gelesener Mainstream-Literatur, noch im Film. Doch der Erfolg gab Patterson recht: Seine Cross-Reihe umfasst inzwischen mehr als 30 Bücher, insgesamt wurden seine Werke weltweit über 300 Millionen Mal verkauft. 2010 ergab eine Berechnung, dass Patterson bis zu diesem Zeitpunkt mehr Bücher verkauft hatte als die anderen Vielschreiber Steven King, John Grisham und Dan Brown zusammen.
Schreiben im Team Wie schafft das der inzwischen 78-Jährige? Nicht alleine jedenfalls: Er arbeitet in einem Team mit derzeit 7 Co-Autoren, die Teile seiner Romane verfassen. Patterson macht einen groben Story-Entwurf, den seine Schreiber dann zu fertigen Büchern ausarbeiten. In der Regel dauert der Prozess 1 Jahr pro Buch.
Morbide Spannung Aber zurück zur Serie: Dort gerät Alex Cross in einen neuen Fall, der auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheint. Ein junger, schwarzer Mann wird tot in seinem Auto gefunden, Cross' Chefin geht von einer Überdosis oder Suizid aus. Doch der Detective vermutet mehr dahinter, geht von Mord aus. Ohne zu viel zu verraten (selbst Prime teasert das nach den ersten Folgen an): Er bekommt es mit einem Serienkiller zu tun, der eine Obsession mit anderen Serienkillern hat. Und deshalb seine Opfer nach Ähnlichkeit zu den zweifelthaften "Berühmtheiten" aussucht. Für morbide Spannung ist also gesorgt.
Fazit Bereits in den ersten Folgen wird klar, dass Amazon mit "Cross" ein Streaming-Hit gelungen sein könnte, dem ein langer Run winkt. Offenbar ist man auch selbst davon überzeugt - schon vor Ausstrahlung der ersten Folge wurde eine 2. Staffel geordert, das passiert nur sehr selten. Ein gut gewählter Hauptdarsteller, eine grimmige, düstere Atmosphäre und ein spannender Plot sind die Zutaten, die diese James Patterson-Adaption recht schmackhaft machen.
"Cross", USA 2024, 8 Episoden cà ca. 45 Minuten, ab sofort auf Amazon Prime