neue Regeln

Wie die EU Ketchup in die Flasche zurückbekommen will 

Die EU hat sich auf neue Bestimmungen für Verpackungen geeinigt. Was jetzt verboten wird, was erlaubt bleibt. Und wann es los geht.

Ketchup im Plastiksackerl wird es in Zukunft zu Toast oder Burger nicht mehr geben
Ketchup im Plastiksackerl wird es in Zukunft zu Toast oder Burger nicht mehr geben
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Newsflix Redaktion
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Mit dieser Einigung hatte kaum jemand mehr gerechnet. Drei Monate vor den EU-Wahlen einigten sich das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union auf neue Regeln für Verpackungen. Es geht um ein ziemlich großes Geschäft und um viele, kleine Umweltsünder. Was den meisten nämlich nicht bewusst ist: Das Ketchupsackerl mag im Einzelnen keine Bedrohung für die Umwelt sein, global gesehen macht es aber viel Mist. Was sie über die neuen Regulierungen wissen sollten.

Warum macht man das überhaupt?
Weil wir buchstäblich im Müll ersticken. 2009 fielen in der EU noch 66 Millionen Tonnen Müll an, 2021 waren es schon 84 Millionen Tonnen. 2021 erzeugte jeder Europäer 188,7 Kilo Verpackungsabfälle. Ohne Gegenmaßnahmen steigt die Zahl bis 2030 auf 209 Kilo an. Auch Kleinvieh (Mini-Packerln für Ketchup oder Zucker) macht Mist.

Wie groß ist der Markt?
Riesig! 2018 – aus diesem Jahr stammen die letzten verfügbaren Zahlen – wurde in der EU mit Verpackungen ein Umsatz von 355 Milliarden Euro erzielt. Laut Weltbank wurden im Jahr 2020 weltweit 2,2 Milliarden Tonnen Abfall erzeugt

Was tun wir mit dem Müll?
Exportieren zum Beispiel. 2022 wurden 32,1 Millionen Tonnen aus der EU in andere Teil der Welt gebracht, meist per Schiff. 39 Prozent der EU-Abfälle gingen in die Türkei (12,4 Millionen Tonnen), zweitwichtigstes Exportland war Indien (3,5 Millionen Tonnen). Verschifft werden vor allem Eisenmetallabfälle (Eisen und Stahl), die hauptsächlich in die Türkei gehen. Papierabfälle fahren hauptsächlich nach Indien.

Wer sind denn die Müllsünder?
Die meisten Abfälle fallen in den Vereinigten Staaten an. Jeder US-Bürger produziert laut Abfallindex aktuell 811 Kilogramm Müll pro Jahr. Aber: Schaut man sich den kompletten Müllkreislauf an, dann gilt die Türkei als größte Müllsünder-Nation der Welt. Österreich hat EU-weit die höchsten Menge an "Siedlungsabfall" (Haushalt, Büros, ohne Gewerbemüll): 835 Kilo pro Kopf.

Obst und Gemüse werden in Supermärkten immer noch häufig in Plastik verpackt
Obst und Gemüse werden in Supermärkten immer noch häufig in Plastik verpackt
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Warum die Schweiz ein Vorbild ist
Weil sie überhaupt keine Abfälle deponiert (verbrennen ist aus Umweltsicht besser). Die Schweizer produzieren 706 Kilogramm Müll pro Einwohner, 333 Kilogramm werden verbrannt, 210 Kilogramm werden dem Recycling zugeführt.

Was plant die EU jetzt?
Verpackungen, die in der EU verwendet werden, sollen nachhaltiger werden, das Vorhandensein von Schadstoffen soll minimiert, unnötige Verpackungen sollen reduziert werden. Sammeln und Recycling soll verbessert werden.

Was sind nun die Maßnahmen genau?
Gemäß der Vereinbarung zwischen EU-Parlament und Rat ist folgendes geplant:

Das soll bis zum 1. Jänner 2030 verboten werden

  • Kunststoffverpackungen für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse. Klassisches Beispiel: Das Viererpack Äpfel, eingeschweißt in Folie im Supermarkt
  • Verpackungen für Lebensmittel und Getränke, die in Cafés und Restaurants gefüllt und konsumiert werden, also der Starbucks-Becher
  • Verpackungen für einzelne Portionen (z.B. für Gewürze, Saucen, Schlagobers, Zucker). Das Zuckerpackerl zum Kaffee, das Ketchupsackerl zum Toast kommen also weg
  • Miniaturverpackungen etwa für Toilettenartikel (Seife, Shampoo) wie sie zum Beispiel in Hotels verwendet werden
  • Schrumpffolie für Koffer auf Flughäfen (womit Fluggepäck eingewickelt wird)
  • Ultraleichte Plastiksackerl (unter 15 Mikrometer), also das, worin in Supermärkten oft Obst und Gemüse gesteckt wird. Ausnahme hier: Wenn die Verwendung "aus hygienischen Gründen erforderlich" ist.

Was sind "für immer"-Chemikalien?
Dabei handelt es sich um Stoffe, die sich nicht oder nur über einen sehr langen Zeitraum auflösen. Diese "für immer Chemikalien" (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen oder PFAS) werden in der EU verboten.

Shampoo, Seife oder Pflegemittel in kleiner Plastikverpackung, etwa in Hotels, sollen verboten werden
Shampoo, Seife oder Pflegemittel in kleiner Plastikverpackung, etwa in Hotels, sollen verboten werden
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Was passiert beim Recycling?
Bis 2030 wird ein spezifisches Ziel für wiederverwendbare Verpackungen für alkoholische und alkoholfreie Getränke (außer z.B. Milch, Wein, aromatisierten Wein, Spirituosen) festgelegt, es wird mindestens zehn Prozent betragen. Die Mitgliedsstaaten können unter bestimmten Bedingungen eine fünfjährige Abweichung von diesen Anforderungen gewähren. Und: 90 Prozent der Einweg-Getränkebehälter aus Kunststoff und Metall (bis zu drei Litern) müssen bis 2029 getrennt abgeholt werden.

Kann ich eigene Behälter verwenden?
Ja, Endhändler von Getränken und Lebensmitteln werden zur Annahme verpflichtet. Sie müssen Verbrauchern die Möglichkeit bieten, ihren eigenen Behälter mitzubringen.

Was ist mit Trinkwasser?
Restaurants, Kantinen, Bars, Cafés und Catering-Dienstleistungen sollen dazu "motiviert" werden, Leitungswasser (sofern verfügbar) kostenlos oder gegen eine niedrige Servicegebühr zu servieren.

Was sind die Ziele?
Die Reduzierung von Verpackungen: Bis 2030 um fünf Prozent, bis 2035 um zehn Prozent, bis 2040 um 15 Prozent.

Wie geht es nun weiter?
Das Parlament und der Rat müssen das Abkommen noch formell genehmigen, bevor es in Kraft treten kann.

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