KOPFNÜSSE

Wie die SPÖ Andreas Babler rendi-wagnerisierte

... und wo sonst überall noch Party war

Die Kopfnüsse gibt es jeden Sonntag, also fast
Die Kopfnüsse gibt es jeden Sonntag, also fast
Wolfgang Kofler
Christian Nusser
Akt. Uhr
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18. Februar 2024 Am Ende bleiben es große Buben, grauhaarig vielleicht, aber Buben. Vor gut 30 Jahren habe ich im "Kurier", der damals noch in der Seidengasse logierte, einen Sterndlspritzer angezündet. Ein bisschen Weihnachten wie früher. Wenig später wunderte ich mich über das Tatütata vor der Tür und noch weniger später standen drei Feuerwehrleute in voller Montur in meinem Mehrpersonenbüro und suchten nach lodernden Flammen. Der Sterndlspritzer hatte den Feueralarm ausgelöst. Der Einsatz kostete den Verlag ein bisschen Geld, mir brachte er einen kurzfristig anberaumten Termin beim Chefredakteur ein, es ging nicht um eine Gehaltserhöhung.

Auch beim heurigen Opernball musste die Feuerwehr ran, wie die Krone nun im Nachgang berichtete. Ein paar ältere Buben hatten auf einem Klo in der oberen Etage geraucht, der Feuermelder schlug an. Die Staatsoper hat eine eigene Wache im Keller, es musste also kein Zug Tatütata vom Hof anrücken, ein Sprint über ein paar Stockwerke genügte. Als einer der dringend Tatverdächtigen wurde Alexander Schallenberg identifiziert. Bestätigung dafür gibt es keine, sein Ball-Umfeld legt Wert auf die Feststellung, etwaige Toilettenbesuche des Außenministers nicht aktiv begleitet zu haben.

Andreas Babler mit während der Bundeskonferenz Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) am 20. Juni 2023
Andreas Babler mit während der Bundeskonferenz Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) am 20. Juni 2023
Helmut Graf

Die großen Buben – und die Mädchen dazu – halten es in diesem Fall so wie die kleinen Buben und Mädchen in der Schule: Was am Klo passiert, bleibt am Klo. Deshalb wird die Nachwelt wohl auch nie erfahren, was sich in der Opernballnacht tatsächlich innerhäuslich abgespielt hat. Da sich die Feuerwehr sowieso im Haus befand, muss für ihren Einsatz nichts bezahlt werden, Strafzettel wurden keine ausgestellt. Fürs nächste Jahr sei der Hinweis erlaubt, dass es in der Oper eine Dachterrasse gibt, die der Raucherschaft zu Verfügung steht. Es ist aber vermutlich so wie damals in der Schule: Verboten rauchen am Klo ist einfach viel geiler, selbst wenn das Leben mittlerweile als Außenminister etwas pomadiger verläuft.

Etwaige Toilettenbesuche des Außenministers wurden nicht aktiv begleitet
Ballumfeld von Alexander Schallenberg

Am Montag nach dem Opernball war Alexander Schallenberg auf einer Geburtstagsfeier eingeladen und es gab ausreichend viel Freiraum zum Rauchen. Johanna Mikl-Leitner wurde zum ersten Mal in ihrem Leben 60, das dafür aber gleich vier Tage lang. Über das vergangene Wochenende wurde die Welt über die sozialen Medien häppchenweise auf das Ereignis vorbereitet. Auf Instagram sah man zunächst die Familie mit einem dreigängigen Menü gratulieren, es folgte ein Video, in dem ein Querschnitt aus der Bevölkerung "Happy Birthday" wünschte, am Ende ein Mann namens Erwin P., dessen Frisur Niederösterreich 25 Jahre lang ein Gesicht gegeben hatte.

Scheitelpunkt war dann eine kleine, bescheidene Feier in intimem Rahmen. Die ÖVP und ihre Bünde legten zusammen und schmissen für die Landeshauptfrau eine Sause, über die Kosten wird ungern geredet, also gar nicht, fünfstellig wird die Summe jedenfalls sein. 1.600 Personen plus Begleitung plus Ehrengäste plus Journalisten waren eingeladen, alles in allem 2.500 Leute, ein paar davon echte Freunde, andere vielleicht eher so im SPÖ-Style.

Tatbegehungsort war das Stift Klosterneuburg, Mikl-Leitner wohnt da, also nicht im Stift, sondern im Ort, und es gibt davon sichtbare Zeichen. Als vor 15 Jahren die 3,6 Kilometer lange Umfahrung Richtung Kritzendorf eröffnet wurde, bekam eine der beiden Straßenunterführungen den Namen "Johanna-Tunnel" und das war nicht dem Zufall geschuldet. Mikl-Leitner ist seither weltweit die vielleicht einzige Politikerin, die zumindest hin und wieder durch sich selbst nach Hause fährt.

Helmut Graf

Die kleine, bescheidene Feier im Stiftsrestaurant war recht prominent besucht. Neben Alexander "Tschick" Schallenberg, war der Kanzler da, eine beachtliche Auswahl an Landeshauptleuten, die halbe Bundesregierung, Vertreter aller Parteien, viel Wirtschaft, Kunst und Kultur, der eine oder die andere steht sowieso in direkter oder indirekter Geschäftsbeziehung zum Land, vor allem während der jährlichen Sommerfrische. Sogar SPÖ-Landeschef Sven Hergovich kam, verzichtete aber diesmal darauf, sich eine Hand abzuhacken, was dem Buffet guttat.

In Niederösterreich verkommt niemand und nichts
Party-Bilanz

Am Vormittag hatten sich ein paar Klimakleber auf die B14 zu Füßen des Stifts geklebt, sie waren wohl von eher geringer Ortskundigkeit, dem Autoverkehr standen zwei Ausweichrouten zur Verfügung. Also ließ man die Kleber kleben und das fünf Stunden lang. Am späteren Nachmittag dirigierte Mikl-Leitner dann vor dem Stift die Kapelle des niederösterreichischen Blasmusikverbandes, busselte sich durch die Zaungäste und erwartete auf einem kleinen Podium stehend die Glückwünsche der Geladenen. An der Wand stand in goldenen Lettern "jml" geschrieben, der Schriftzug hat das frühere Kürzel "Milei" abgelöst. Dem Vernehmen nach nicht, weil der neue, turbokapitalistische Präsident von Argentinien ebenfalls Milei heißt, wenn auch nicht Mikl-Leitner mit bürgerlichem Namen.

Wer zur gewesenen Frau Milei vordringen wollte, brauchte Standfestigkeit. Eine halbe Stunde Anstehen musste einkalkuliert werden, dann konnte man der Jubilarin die Hand schütteln oder ihr um den Hals fallen oder sie küssen oder alles nacheinander. Es regnete Geschenke, die Blasmusiker hatten einen eigenen "Johanna-Mikl-Leitner-Marsch" für Flügelhorn in B 1 komponiert. Auch sonst gab es allerlei mehr oder weniger Originelles, obwohl Mikl-Leitner vorab um Spenden an "SOS Kinderdorf" und „Rainbows“ gebeten hatte. Es kamen auch so über 70.000 Euro zusammen. Der Blumenschmuck wurde an Pflegeheime verteilt. Wir wissen: In Niederösterreich verkommt niemand und nichts.

    NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (hier mit Kanzler Karl Nehammer) feierte am 12. Februar 2024 ihren 60. Geburtstag in Klosterneuburg
    NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (hier mit Kanzler Karl Nehammer) feierte am 12. Februar 2024 ihren 60. Geburtstag in Klosterneuburg
    Sabine Hertel
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    Ich machte diese Woche Erfahrung mit dem vollen Leistungsspektrum des heimischen Qualitätsjournalismus. Da sich die Mehrheit der Branche diesem Segment zurechnet, ist die Zahl der diesbezüglichen Lehrerschaft recht groß. Es begann damit, dass einem der üblichen Empfängerkreise in "Standard" und "ORF" Justizdokumente zugestellt wurden, die zwar strafrechtlich irrelevant waren, aber das Potential zur Unterhaltung besaßen. Es geht darin um den Wiener Investor Michael Tojner, recht reich, recht forsch, recht gut bekannt vor allem durch sein "Heumarkt-Projekt", also den Umbau von Hotel "Intercontinental" und Eislaufverein auf einem erstaunlich hässlichen Fleck in erstaunlich guter Lage in Wien.

    Aus Tojners Mailverkehr ist ablesbar, dass er versuchte, für sein Immo-Projekt Druck auf Politik und Medien aufzubauen. Dass er lieber Michael Ludwig und nicht Andreas Schieder als Wiener Bürgermeister haben wollte und für sich selbst eine führende Rolle bei Rapid. Dazu schrieb er auch Mails an Eva Dichand, um sie für Berichterstattung zu gewinnen, die ihm nützlich erschien. Die gab es allerdings nicht. Sage nicht ich, sondern der "Standard" selbst. Das kümmerte den Qualitätsjournalismus aber zunächst wenig, erweckt wurde vielmehr der gegenteilige Eindruck. Im "Standard" drei Tage lang durch umfassende Berichterstattung, zweieinhalb Seiten in der Printausgabe, ein Cover, mehrere Online-Artikel, ein Podcast, dazu etwas Social Media als Weinbegleitung.

    Ehe noch die ersten Buchstaben publiziert wurden, hatten sich "ORF" und "Standard" gemeinsam an Eva Dichand gewandt und sie um eine Stellungnahme zu den Mails gebeten. Die kam, Dichand war sichtlich um Deutlichkeit bemüht, sie trägt ihr Herz zuweilen auf der Lunge. Bei der zuständigen ORF-Redakteurin sorgte das für helles Entzücken. "Selten eine so ehrliche Antwort bekommen", schrieb sie begeistert zurück. "Wertschätzung dafür. Ich würd mich über ein Kennenlernen freuen." In der Berichterstattung trat die Wertschätzung dann eher in den Hintergrund, die redaktionelle Wertschätzung ergab eine andere Schätzung der Werte.

    Ich wurde in den Schriftverkehr einbezogen. Wie ein Elefant stand darin der Vorwurf einer bestellten Berichterstattung im Raum. Diesen Schuh wollte ich weder mir als damaliger Oberelefant und schon gar nicht der Redaktion anziehen. Also verfasste ich ein Mail und schickte es dem Journalismus-Konsortium. "Ich habe den Eindruck, dass hier mediale Wolkenkratzer in der Errichtung sind und der Canaletto-Blick dabei etwas verloren geht", schrieb ich. Ich würde Michael Tojner nicht näher als von zweimaligem Händeschütteln kennen, weder er noch sein Umfeld, auch nicht Eva Dichand hätten in die Berichterstattung eingegriffen. Über das Heumarkt-Projekt wäre "bescheiden wenig" berichtet worden, was auch daran liege könnte, dass "der Bereich gehobene Architektur nicht zu den Kernthemenfeldern von Heute gehört".

    Ich habe den Eindruck, dass hier mediale Wolkenkratzer in der Errichtung sind
    E-Mail an mich

    Ähnlich lag der Sachverhalt im Führungsstreit der Wiener SPÖ. Unsere vermeintliche Kampagne muss so diskret ausgefallen sein, dass sie niemandem, nicht einmal den beiden Beteiligten, jemals aufgefallen war. Am heitersten fand ich aber sowieso das Mail, in dem Tojner um Unterstützung bat, weil er Rapid-Präsident werden wollte. Bei Eva Dichand? Sport ist für sie eine Blackbox, sie kann Fußballvereine mittelgut auseinanderhalten. Einmal erzählte sie mir, bei einem Essen neben einem netten jungen Norweger gesessen zu sein, der ihr dauernd irgendwas über Skifahren erzählt habe. Nachher stellte sich heraus, es handelte sich um Aksel Lund Svindal, zweifacher Olympiasieger, fünffacher Weltmeister und dreifacher Streif-Sieger im Super-G.

    Michael Tojner und Frau am 101. Wiener Jägerball am 29. Jänner 2024
    Michael Tojner und Frau am 101. Wiener Jägerball am 29. Jänner 2024
    Starpix / picturedesk.com

    Mein Mail kam beim Journalismus-Konsortium an und es passierte – nichts. Es fiel einfach unter den Tisch. Kein Wort in der ZiB 2, kein Wort im "Standard", es war, als hätte ich es nie geschrieben. Ich ließ sogar meinen Mail-Ausgang checken, ob das Schreiben vielleicht hängengeblieben war. Nein! Die gesamte Berichterstattung war vom Vorwurf beeinflusster Berichterstattung durchzogen wie Speck, ich hatte das als zuständiger Chefredakteur in Abrede gestellt, es wurde ignoriert. Natürlich, niemand hätte mir glauben müssen, aber meine Stellungnahme zu ignorieren, war handwerklich schlicht schleißige Arbeit. Also kontaktierte ich die beteiligten Personen und es wurde skurril.

    In "keiner einzigen Zeile" stehe, dass Tojner die Berichterstattung erfolgreich beeinflusst hätte, schrieb mir der "Standard"-Redakteur. Das stimmt. Das Gegenteil steht da allerdings auch nicht. Auch nicht mein Dementi. Es wurde bewusst in Kauf genommen, dass die Leserschaft in die Irre geführt wird. Aber "in einem zweiten Schritt", versprach mir der "Standard", werde nun recherchiert, "ob eine Einflussnahme erkennbar" sei. Man ließ also den Vorwurf einmal sickern, vermittelte dem Publikum ein windschiefes Bild, aber dann, wenn sich dieses Bild einmal verfestigt hat, dann beginne man umgehend mit dem Geraderücken.

    Schreiben Sie das nächste Mal bitte klar erkenntlich, dass Ihre Mail ein öffentlich verwendbares Statement ist
    "Standard"-Mail an mich

    Mein Mail sei außerdem "nicht als öffentliches Statement" erkennbar gewesen, tadelte mich der "Standard"-Reporter, gab mir aber – ganz Bildungsfernsehen – einen Tipp auf den Weg mit: "Schreiben Sie das nächste Mal bitte klar erkenntlich, dass ihre Mail nicht nur im Hintergrund, sondern ein öffentlich verwendbares Statement ist." Das hat schon auch seinen eigenen Humor: Ein Medien-Konsortium beschäftigt sich tagelang mit Mails, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, hat dann aber Fracksausen, ein Mail zu veröffentlichen, das ausdrücklich für die Öffentlichkeit bestimmt war. Ich lasse das einmal einfach so sickern.

    Er endete damit, dass der "Standard" tatsächlich eine mögliche Beeinflussung der Berichterstattung in "Heute" recherchierte und – wortwörtlich – zum Schluss kam, Trommelwirbel: "Diese habe es demnach nie gegeben." Der ORF rang sich nicht einmal dazu durch. Der Sturm im Wasserglas ebbte einfach so ab. Ohne Sturm. Und ohne Glas.

    SPÖ Chef Andreas Babler (l.) mit mit Max Lercher am Politischen Aschermittwoch der SPÖ am 14. Februar 2024 in Kobenz
    SPÖ Chef Andreas Babler (l.) mit mit Max Lercher am Politischen Aschermittwoch der SPÖ am 14. Februar 2024 in Kobenz
    ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com

    Ob das Wasserglas bei der SPÖ momentan halbvoll oder halbleer ist, darüber scheiden sich die Geister. Wie über so vieles. Die Partei im dauerhaften Sturmtief beging heuer gleich zwei Mal Aschermittwoch, zum regulären Termin sprach Parteichef Andreas Babler in Kobenz, ein paar Tage zuvor war Josef Muchitsch in der "Kleinen Zeitung" in Wien zu Gast und streute Asche über das Haupt der eigenen Partei, eher über das des Parteichefs.

    Muchitsch, als Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz nicht nur vom Körperbau her ein mächtiger Mann in der SPÖ, zudem einer der Macher von Andreas Babler, war einer Gegeneinladung von Hubert Patterer gefolgt. Der Chefredakteur der "Kleinen Zeitung" war beim Neujahrsempfang der Gewerkschaft Bau-Holz bei Graz aufgetaucht, verputzte eine Hackler-Wurst mit Sauerkraut, trank ein kleines Bier dazu, hörte Muchitsch liebevoll über Baukräne reden, die er "meine Gipfelkreuze" nannte, und lud ihn zum Gegenbesuch in den Newsroom ein, dem Gipfelkreuz des Journalismus. Muchitsch kam tatsächlich, redete über dies und das und wurde dann auf den Zustand der SPÖ angesprochen. Er nahm ein Stück Brot, strich etwas Verhacktes drauf, legte ein paar Zwiebelringe obenauf und dann bauholzte er los.

    Alfred Gusenbauer ist eine Karteileiche
    Andreas Babler über Ex-Kanzler

    Die SPÖ müsse mehr in die Mitte rücken, forderte er, Parteichef Andreas Babler "darf nicht als Schreckgespenst für die Wirtschaft dastehen". Bei Vermögenssteuern plädierte Muchitsch für "Pragmatismus – die SPÖ weiß, dass sie das mit keiner Partei zusammenkriegen wird." Man solle nicht immer über Kickl und die ÖVP reden, die Kampagnenfähigkeit verbessern, nicht dauernd "Luftballons in den Themenhimmel schießen". Er sagte nichts, was viele in der Partei anders sehen würden, aber er sagte es öffentlich und Babler muss es als Gnackwatschen empfunden haben.

    Muchitsch ist seither abgetaucht, seine Kritik will er nicht mehr vertiefen, im Gegenteil, Gräben sollen zugeschüttet werden. Am Dienstag gibt er gemeinsam mit Babler eine Pressekonferenz. Das angepeilte Thema "Sichere Pensionen" ist auch so eine Art Gipfelkreuz, wer will schon, dass die Pensionen unsicher sind? Aber es werden im SPÖ-Parlamentsklub wohl auch ein paar andere Fragen gestellt werden.

    Babler reagierte auf die Anwürfe trotzig, wie auch sonst? "In der Partei muss man sich erst gewöhnen, dass jemand Neues an der Spitze steht, der angetreten ist, um ein klares Profil vorzugeben", sagte er bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Und: "Wieso soll man eine funktionierende Strategie ändern?" In einem Interview mit der "Sonntags-Krone" rechnet er dann mit Doskozil ab. Er "lese das nicht mehr, was einige von sich geben". Es "langweile" ihn. Dieses "alte Denken" sei schuld daran, "dass sich die SPÖ auf Bundesebene halbiert" habe. Er mache "Politik für die Menschen und nicht für ein paar gekränkte Egos". Rums!

    SPÖ-Chef Andreas Babler bei einer Pressekonferenz in Wien am 14. Februar 2024
    SPÖ-Chef Andreas Babler bei einer Pressekonferenz in Wien am 14. Februar 2024
    Helmut Graf

    Trotzdem ist die Situation nun anders und neu. Bisher schien die Rollenverteilung in der Sozialdemokratie klar. Auf der einen Seite der Zirkel um Babler, gestützt von Wien und Gewerkschaft, getragen – wenn auch zum Teil argwöhnisch beäugt – von den meisten Landeschefs. Auf der anderen Seite der Grummelbär aus dem Burgenland, der zu kritischen Äußerungen über die Bundespartei nicht erst durch den Einsatz einer chinesischen Tröpferlfolter gezwungen werden muss. Nun aber stellt sich das Bild differenzierter dar. Die SPÖ verlegte die Osterfeuer vor, auf allen Berghängen wird frisch und fröhlich gezündelt. Nicht mehr allein im Burgenland, dort vielleicht auch wegen des Mangels an Bergen.

    Neben Muchitsch hatten zuletzt auch Wien und weitere Landeschefs am Kurs der Bundes-SPÖ herumgemäkelt. Zu links, zu spitz, zu wenig kompatibel für eine Koalition mit der ÖVP sei das alles. Im "Krone"-Interview rückt Babler nun aber keinen Millimeter davon ab. Die ÖVP bezeichnet er als nicht koalitionsfähig, an "Millionärssteuern" will er festhalten, Gusenbauer nennt er eine "Karteileiche", ausschließen will er ihn nicht.

    Warum Sven Hergovich nun in die Schlacht geschickt wird

    Fakt ist: Das Spektakel nimmt die Partei so gefangen, dass sie wieder einmal allein mit sich selbst beschäftigt ist. Neun Monate nach dem Rücktritt von Pamela Rendi-Wagner hat es die SPÖ geschafft, auch ihren Nachfolger zu rendi-wagnerisieren. Vier Monate vor der EU-Wahl und mutmaßlich sieben Monate vor der Nationalratswahl entstand in dieser Woche sogar eine Debatte darüber, wer Andreas Babler nachfolgen könnte. Zielgerichtet wurde aus der Partei heraus über mehrere Medien das Gerücht gestreut, Niederösterreichs Landesparteichef Sven Hergovich würde das Amt übernehmen. Nonsens selbstverständlich!

    Natürlich wird die SPÖ vor den kommenden Wahlen ihren Spitzenkandidaten nicht austauschen. Das würde die Partei endgültig sprengen. Natürlich wird Sven Hergovich nicht Parteichef, nicht jetzt, nicht nach der Wahl. Vielleicht irgendwann einmal, Vorsitzende haben bei den Roten eine recht kurze Halbwertszeit, aber es wird dauern. Nein, Hergovich wird – gegen seinen Wunsch und Willen – benutzt. Sein Name wird in den Hut geworfen, weil maßgebliche Teile der Partei an die Zeit nach der Nationalratswahl denken. Wenn es ums Eingemachte geht, auch bei einem miesen Ergebnis.

    Die SPÖ ist von ihrer DNA her keine Oppositionspartei, sie wird mit aller Macht in die nächste Regierung drängen. Das wird vielleicht leichter fallen, wenn der Chefverhandler nicht Andreas Babler, sondern etwa Peter Hanke heißt, derzeit Finanzstadtrat in Wien. Auch Bundesfrauen-Vorsitzende Eva-Maria Holzleitner käme in Frage. Aus dem Windschatten von Sven Hergovich heraus, den man jetzt hingestellt hat als Zählkandidaten, als Metapher, als Sinnbild einer mittigeren SPÖ, dem aber niemand tatsächliche Chancen einräumt, kann die Neuausrichtung der Partei angegangen werden. Wieder einmal.

    Ich wünsche einen wunderbaren Sonntag. Wieder einmal.

    Akt. Uhr
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