"a gmahde Wiesn"?
Wie gehen denn die Wiener Wahlen nun aus, Herr Hajek?
Ist langweilig zu sein das neue Anforderungsprofil an einen Spitzenpolitiker? Welche Zeugnisnote gibt er der aktuellen Regierung? Und: Schafft es die SPÖ von Michael Ludwig am Sonntag über 40 Prozent? Meinungsforscher Peter Hajek im Podcast-Interview.

Über 50 Tage im Amt, Zeit eine erste Bilanz zu ziehen. Wie hat sich die Dreier-Koalition im Bund bisher geschlagen? Und wie schaut das Match um Wien aus? Am Sonntag wird gewählt. Politik-Experte und Meinungsforscher Peter Hajek mit einem Lagebericht über das Land vor der letzten großen Wahl für über zwei Jahre. Die wichtigsten Passagen aus dem Podcast-Interview:
Wie sein Ostern so war
Grundsätzlich sehr nett. Als Rapid-Fan natürlich ein mentales Tief.
Wo er war, als der Tod vom Papst bekannt wurde
Daheim irgendwo.
Das Podcast-Interview mit Peter Hajek
Ob Österreich noch ein katholisches Land ist
Wenn wir es vom Taufschein-Christentum her beurteilen wollen, dann sind wir ein Land, das seine katholischen Traditionen pflegt, aber sicher nicht mehr intensiv und inbrünstig lebt.
Ob die Berichterstattung überschießend ist
Das ist ein "Sorry to say" für jene, die tatsächlich betroffen sind, aber es ist halt einfach ein Medienevent und das Ganze läuft natürlich auch unter Infotainment. Abgesehen davon, dass natürlich der Vatikan noch immer etwas Geheimnisvolles ausstrahlt. Dann kommt dieses übliche Taktieren bei der Papstwahl hinzu. Das ist schon fast eine Netflix-Serie.

Zurück zu den österreichischen Päpsten. Wie ihm die neue Regierung nach 50 Tagen gefällt
Wie sie mir gefällt, ist eine Nebensächlichkeit. Aber was wir aus den Umfragen bis dato wissen: Die Menschen sind in eine Warteposition gegangen, in eine abwartende, freundliche Position.
Was das heißt
Um das in Zahlen zu gießen: Die letzte Regierung hatte eine negative Beurteilung ihrer Arbeit von über 70 Prozent. Das heißt, 70 Prozent haben die Arbeit für schlecht gehalten. Und jetzt sind es nur noch über 40 Prozent. Gleichzeitig haben wir einen Zuwachs auf der positiven Seite von Mitte der 20er bis in Mitte der 30er.
Das bedeutet …
Salopp gesagt, haben wir 35 Prozent positive Nennungen zu 40 negative Nennungen. Das ist um ein Hauseck besser als die letzte Regierung.
Warum das trotz der vielen Krisen so ist
Naja, oft zitiert, jedem Anfang liegt ein Zauber inne. Aber ich glaube schon, dass die Menschen sagen, jetzt müssen wir denen schlicht und ergreifend einmal die Möglichkeit geben, sich zu behaupten. Ich finde das auch eine sehr reife und erwachsene Haltung von der Wählerseite.
Ob ihn die Haltung verwundert
Es ist ja nicht so, dass wir überschäumend positiv sind, aber wann sind wir das schon? Also insofern verwundert mich diese Haltung jetzt nicht.

Was die Gründe sind
Laut Internationalem Währungsfonds ist Österreich aktuell das einzige Industrieland in einer Rezession. Trotzdem sind wir ein wohlhabendes Land mit ordentlichen demokratischen Strukturen, mit einem – auch wenn es viele Probleme gibt – trotzdem ordentlichen Bildungssystem, Gesundheitssystem, Pensionssystem. Das wissen die Menschen schon.
Ob es sich auszahlt, wenn eine Regierung nett zueinander ist
Ja, mein Gott, manchmal ist das Leben unglaublich banal.
Ob sich das ändern wird, wenn im Mai die Sparpläne kommen
Es ist relativ einfach. Die Menschen müssen es spüren. Wir reagieren nur dann, wenn wir etwas nachhaltig spüren. Wenn Finanzminister in der Vergangenheit gesagt haben, die aller-, allergrößte Steuerreform der Zweiten Republik bringt so und so viele Milliarden Euro, dann haben wir die Menschen dann nach einigen Monaten gefragt: Wieviel ist ihnen denn im Geldbörsel übergeblieben?
Was dabei rauskam
Erstens konnten es die Menschen nie quantifizieren. Zweitens haben wir nachgefragt: Wurde ihre Situation besser oder schlechter? Das war dann sehr, sehr indifferent. Ich glaube, dass es aber nicht nur so ist, wenn es quasi positive Reformen gibt, sondern auch wenn es negative Reformen gibt. Auch dann muss man es erst spüren.
Was das in der Praxis bedeutet
Wer spürt tatsächlich den veränderten Förderumstand beim E-Auto zum Beispiel? Wer spürt das? Das spürt das Budget und alle, die ein E-Auto kaufen. Das sind dann wahrscheinlich eher gut situierte Menschen. Das heißt, diese Dinge kommen beim Einzelnen nie so direkt an, außer es werden knallharte Transferleistungen gestrichen.

Aber mit kleinen Reformen wird das jetzt nicht gehen, oder?
Warten wir ab!
Tatsächlich?
Ich habe ehrlich gesagt keine Fantasie dazu. Vielleicht, ich bin ja so ein naiver Optimist, vielleicht geht man wirklich einmal her und sagt: "Liebe Bundesländer, machen wir bitte eine Föderalismusreform!"
Ob die Österreicher tatsächlich für Reformen bereit sind
Sind wir für Reformen bereit, die uns allen wehtun? Nein, sind wir natürlich nicht, weil wir es einfach nicht wollen und wahrhaben wollen. Auf der anderen Seite wissen die Menschen, was es geschlagen hat. Wer es jetzt noch nicht verstanden hatte, der informiert sich schlicht und ergreifend nicht.
Ob es dafür ein Beispiel gibt
Schlag nach in Niederösterreich. Dort werden jetzt alle Voraussicht nach drei Spitalstandorte geschlossen, wo jeder Gesundheitsökonom sagt, na endlich beginnen wir damit. Und man wird sehen, wie sich das auswirkt. Also ich bin schon der guten Hoffnung: Wenn es für die politischen Akteure wirklich ganz, ganz eng wird, dass es dann einen gemeinsamen Schulterschluss gibt.
In der Steiermark hat das nicht so gut funktioniert …
Das ist korrekt, aber das hat in den Wahlkampf hineingereicht, es kamen dann kommunikative Fehler dazu. Aber ich glaube, dass man entschlossen handeln muss. Und dann kann man die Dinge schon durchsetzen. Dankbarkeit ist natürlich keine politische Kategorie.

Ob Langweiligkeit wie bei Christian Stocker ein neues Erfolgsrezept ist
Wenn wir uns andere Vertreter dieses Typus ansehen, dann waren die, in the long run, interessanterweise durchwegs erfolgreich. Also Peter Kaiser etwa. Ich sage ja nicht langweilig, sondern zurückhaltende, stabile Personen. Die Volkstribune überleben manchmal nicht lange.
Welche Zeugnisnote er der Regierung geben würde
Aktuell einen Zweier bis Dreier.
Ob die beste Zeit von Herbert Kickl vorbei ist, oder ob er ein Tiger auf dem Sprung ist
Bei Kickl würde ich in keinem Fall sagen, dass seine Zeit vorbei ist, weil ich habe mich schon einmal geschnitten, wie so viele andere Kollegen und Kolleginnen. Ja, die Freiheitlichen sind in einer Art Warteposition. Mein Gott, es läuft ihnen ja nichts davon.
Ob die Wahl in Wien für die SPÖ tatsächlich "a gmahde Wiesn" ist
Es ist eine gmahde Wiesn", wenn man sagt, das die SPÖ Erster bleibt und den Bürgermeister stellt. Aber es gibt zwei Fragen für die SPÖ: Hat man den Vierer vorne stehen oder nicht? Und die zweite Frage ist, geht sich eine Koalition in einer Zweierform aus? Das heißt, kann sich's Michael Ludwig wie bei der letzten Wahl aussuchen?
Was passieren könnte
Die Freiheitlichen hat man als Koalitionspartner dezidiert ausgeschlossen, also bleiben GRÜNE, ÖVP und NEOS. Die Milchmännchen-Rechnung, um das korrekt zu gendern, lautet: Die Sozialdemokraten dürfen nicht unter 38 Prozent fallen, dann sollte sich mandatsmäßig eine Zweier-Kollektion mit einem dieser drei Partner ausgehen. Wenn man drunter fällt, wird es kritisch.

Wie die Wahl also ausgeht
Ich werde jetzt natürlich keine Prozentzahlen sagen. Also wir erwarten die SPÖ in den hohen 30ern, vielleicht steht der Vierer davor. Die freiheitliche Partei wird den gesicherten zweiten Platz haben, gut das ist jetzt nicht wahnsinnig schwer vorherzusagen. Wahrscheinlich in den unteren 20ern. Dass sie unter die 20-Prozent-Markt rutscht, das glauben wir eher nicht, was auch relativ gesichert ist.
Und die anderen Parteien
Für Heinz-Christian Strache wird es wegen der 5-Prozent-Hürde sehr schwer, in den Wiener Gemeinderat einzuziehen. Die KPÖ wird in den meisten Umfragen bei vier Prozent ausgewiesen, das heißt, statistisch gesehen gibt es die Möglichkeit, in den Wiener Gemeinderat einzuziehen.
Bleiben die möglichen Koalitionspartner der SPÖ …
GRÜN, ÖVP und NEOS, da können wir aufgrund der Schwankungsbreiten nicht sagen, wer welche Position beziehen wird. Vom Gefühl her würde ich sagen GRÜN vor ÖVP vor NEOS.
Warum die SPÖ und Michael Ludwig trotz der vielen Probleme in Wien so unangefochten sind
Erstens, weil die SPÖ eine durchwegs glorreiche Vergangenheit hat. Zweitens, weil die Stadt sehr, sehr lebenswert ist. Und, mein Gott, wer ist die Alternative? Es gibt eine Partei, die sich als ganz klarer Gegenpol darstellt, das ist die Freiheitliche Partei. Aber wir wissen auch, dass die FPÖ im ländlichen Raum deutlich stärker punktet als im urbanstädtischen Bereich.
Warum die anderen Parteien kein Land gewinnen
Für die GRÜNEN ist die Stimmung aktuell nicht von Vorteil. Es verbessert sich zwar jetzt partiell, aber eigentlich müssten die GRÜNEN in einer Großstadt wie Wien deutlich besser dastehen. Die NEOS beginnen langsam, ihr Niveau auszuschöpfen, aber es gibt für liberale Parteien eine gläserne Decke. Die ÖVP hat sowieso in Wien schon immer Probleme gehabt.

Ob es ein Fehler der GRÜNEN war, nicht eine bekanntere Person, etwa Alma Zadić, aufzustellen
Der Fehler ist Jahre davor passiert. Man hätte gleich Judith Pühringer und nicht diese Doppelspitze machen sollen.
Warum Michael Ludwig für die SPÖ relevant ist
Er ist ein echtes Asset für die Partei. Er ist der einzige Kandidat, der seine Partei nach oben zieht. Das ist deshalb auch sehr spannend, weil wir durch seinen Vorgänger Michael Häupl ein anderes Bürgermeisterbild haben. Aber die Menschen wissen Ludwig einfach zu schätzen, weil er ein stabiler Anker ist, den man einschätzen kann und das ist auch ein Wert.
Ob nach der Wien-Wahl tatsächlich eine lange Wahlpause kommt
Ja, warum eigentlich nicht?
Die Bundesregierung könnte zerbröseln …
Da greife ich wieder auf die Vergangenheit zurück. 2017 haben wir alle gesagt, Kurz-Strache, zwei Legislaturperioden, Minimum. Das war dann nach zwei Jahren vorbei. Bei Kurz und Kogler haben wir gefragt, ob das gut geht? Und die Koalition hat trotzdem fünf Jahre gehalten.
Peter Hajek ist Geschäftsführer und Eigentümer von "Unique Research", promovierter Politikwissenschafter und akademisch geprüfter Markt- und Meinungsforscher. Er beschäftigt sich seit 25 Jahren mit empirischer Sozialforschung und hat Lehraufträge an Universitäten und Fachhochschulen