JeFF Bezos
Wieso Amazon-Chef zu Meetings absichtlich zu spät kommt
Bevor sich Schüler zu früh freuen: Da steckt eine Management-Philosophie dahinter. Wie Amazon-Gründer Jeff Bezos Sitzungen produktiver macht, warum er Emotionen im Job wichtig findet und weshalb er plötzlich auf Donald Trump große Stücke hält.
Einmal im Jahr fasst sich die New York Times ein Herz und bringt Menschen zusammen, die etwas zu sagen haben. Oder deren Namen zumindest anderen Menschen etwas sagen.
Der DealBook Summit hat sich inzwischen ebenfalls einen Namen gemacht. Bei der Veranstaltung wird auf Schnickschnack verzichtet. Zwei weiße Sessel, ein Tisch mit Wassergläsern, mehr ist da auf der Bühne nicht. Das Publikum sitzt im Dunklen, wird aber nicht im Dunklen darüber gelassen, was die Absicht der Inszenierung betrifft: Sie soll alle Aufmerksamkeit auf das gesprochene Wort lenken.
Interviewer Andrew Ross Sorkin versucht, eine mögliche offene Diskussion zu führen, die Dialoge dauern zwischen einer halben Stunde und einer Stunde und die Gesprächspartner heuer darf man getrost als ziemlich durchmischt betrachten. Sam Altman, Mitbegründer und Geschäftsführer von OpenAI erörterte etwa, welche Entwicklung ChatGPT in den nächsten Jahren nehmen wird. Er sieht sie als eine Maschine, die alles kann, was das menschliche Gehirn kann.
Serena Williams, frühere Nummer 1 der Tenniswelt, sprach über ihren Sport, Sundar Pichai, CEO von Google, über seine Unterhaltung mit Donald Trump. David Ricks und Fatima Cody Stanford erklärten die neuen Medikamente gegen Fettleibigkeit.
Ex-Präsident Bill Clinton analysierte, warum die Demokraten die Wahl verloren haben, und Prinz Harry schilderte seinen Kampf gegen die Boulevardpresse. Am längsten dauerte das Gespräch mit Jeff Bezos, eine Stunde und 6 Minuten. Die wichtigsten Passagen, der Amazon-Gründer über:
Warum er "chaotische" Meetings mag
Über den Tagesablauf von Bezos gibt es viele Legenden. Einige hat er selbst in die Welt hinausgetragen, einige wurden ihm angedichtet. Im "Washington Economic Club" erzählte er einmal, dass er den Vormittag mit "Trödeln" verbringe.
Was das mit den "chaotischen" Meetings zu tun hat
Bezos schätzt offenbar die Abfolge zwischen genauer Taktung und Treibenlassen. Er schläft acht Stunden, seine erste Besprechung findet um 10 Uhr morgens statt. Dort geht es dann allerdings anders zu als vielleicht gedacht.
Wie Bezos Meetings organisiert
Geschäftsmeetings und Termine zu Produkteinführungen laufen sehr klassisch ab. Bei kreativen Sitzungen ist ein sechs Seiten langes Memo das Kernstück. Die erste halbe Stunde verbringen alle Teilnehmer damit, den Text stumm zu lesen und ihn zu studieren. Bezos will, dass alle auf dem selben Stand sind, wenn die Diskussionen beginnen.
Was der tiefere Sinn davon ist
"Meetings müssen nützlich sein", sagt Bezos. Wenn die Lesestunde vorbei ist, "führen wir eine chaotische Diskussion. Ich mag es, wenn die Memos wie Engel sind, die von oben singen, so klar und schön. Und dann kann das Meeting chaotisch werden."
Was das mit den "Engeln" bedeuten soll
In klassische Meetings gibt es Präsentationen, Vorträge, jeder redet über das, was er weiß. Das möchten die Teilnehmer laut Bezos nicht, sie wollen bei der Entstehung der Gedanken ("bei der Wurstherstellung", wie er das nennt) dabei sein. "Und ich frage immer: Gibt es im Team abweichende Meinungen? Wissen Sie was? Ich möchte versuchen, an die Kontroverse heranzukommen."
Wie Bezos selbst mit seiner Zeit umgeht
Im Gespräch am DealBook Summit bezeichnete sich der zweitreichste Mensch der Welt (246,1 Milliarden Dollar Vermögen laut Forbes) als "Wanderer", als Suchender also. Er komme nur zum ersten Meeting des Tages pünktlich, erzählte er, beim Rest erscheine er verspätet. Er will nicht im Mittelpunkt stehen, deswegen spricht er bei Meetings auch als Letzter. Jeder soll seine eigene Meinung äußern – und nicht die des Firmenchefs wiederholen.
Woher sein Selbstvertrauen kommt
Interviewer Andrew Ross Sorkin sprach Bezos auf Unternehmensgründungen wie Amazon an. "Ich denke, es liegt in der menschlichen Natur, Risiken zu überschätzen und Chancen zu unterschätzen." Unternehmer sollten versuchen, diesen Teil der menschlichen Natur auszublenden.
Warum er immer in großen Dimensionen dachte
"Klein denken, ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung."
Wie Selbstvertrauen helfen kann
Wut sei früher die einzige negative Emotion gewesen, die er zugelassen habe. Wenn man ein Unternehmen gründet, brauche man Selbstvertrauen, denn "es wird viele schlechte Tage geben – man muss die Leute aufmuntern. Man muss Energie haben, und die muss ein bisschen ansteckend sein."
Was er dazugelernt hat
Er habe erst vor kurzem begonnen, den Wert darin zu erkennen, Gefühle wie Traurigkeit, Angst und Sorge zu zeigen. Besonders in der eigenen Familie habe er gemerkt, dass er sich ihnen gegenüber nicht wirklich öffne, "wenn ich traurig bin, wenn ich Angst habe". Also habe er begonnen, mit ihnen daran zu arbeiten und "ich konnte diese Beziehungen sehr deutlich vertiefen."
Was er daraus als Unternehmer gelernt hat
"Ich habe erkannt, dass diese Gefühle auch bei der Arbeit gültig sind." Emotionen seien "eine Art Frühwarnsystem. Wenn Sie gestresst sind, ist das ein wichtiger Indikator. Sie sind nicht sehr präzise, wenn Sie alle Ihre negativen Emotionen in Frustration oder Wut oder etwas in der Art kanalisieren."
Welchem "Gefühl" er nie nachgeben wollte
"Ich hatte viel Erfolg im Leben, weil ich nicht zynisch war – und deshalb wurde ich nur sehr selten ausgenutzt", sagte Bezos.
Ob er sich vor der zweiten Amtszeit von Donald Trump fürchtet
"Ganz im Gegenteil", sagt er. Bezos gehört zu den Tech-Milliardären, die eine erstaunlich Wandlung vollzogen haben. Während der ersten Amtszeit von Trump stritten die beiden häufig öffentlich. Der Präsident nannte Amazon Steuerbetrüger und Jobkiller. Nun spendet Bezos (wie etwa auch Mr. Facebook Mark Zuckerberg) für die Amtseinführung eine Million Dollar.
Wie es zum Sinneswandel kam
Trump sei in den letzten acht Jahren "gewachsen", glaubt Bezos. "Was mir bisher aufgefallen ist, ist, dass er ruhiger ist als beim ersten Mal – selbstbewusster, gelassener".
Die Hoffnung ist nicht ganz uneigennützig, oder?
Nein, die Tech-Milliardäre hoffen auf die angekündigten Steuererleichterungen. Und diese Hoffnung hat einen Namen: Elon Musk.
Was Bezos von Musk hält
Mittlerweile recht viel, obwohl sich die beiden in der Vergangenheit immer wieder in den Haaren lagen (die nur mehr einer von den beiden hat). Nun lobte Bezos die Deregulierungspläne von Trump und dass er Musk beauftragt habe. "Ich bin sehr zuversichtlich und wenn ich ihm dabei helfen kann, dann werde ich ihm helfen."
Was er zur Kritik an der Washington Post sagt
Bezos hatte die Zeitung 2013 für 250 Millionen Dollar gekauft. Im Wahlkampf machte er mit einer jahrzehntelangen Tradition Schluss. Die Redaktionsleitung durfte für die Präsidentschaftswahl keine Empfehlung abgeben, für wen man stimmten sollte. "Ich bin stolz auf unsere Entscheidung, und sie war alles andere als feige", sagte Bezos nun der New York Times.
Warum er "stolz" ist
Rund 250.000 Menschen kündigten ihr Abo, die Redaktion hatte ihren Empfehlungstext für Kamala Harris schon fertig, er wurde eingestampft. Als Kniefall vor Trump will Bezos das nicht sehen. Wir werden "weiterhin sehr offensiv über alle Präsidenten berichten", denkt er.
Ob das nicht schwierig wird, wenn ein Präsident die Presse als "Feind" sieht
Bezos glaubt an das Gute in Trump. Die Presse als "Feind"? Er werde versuchen, "ihm das auszureden".