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Wieso Helnwein zu Ostern doch nicht im Stephansdom gezeigt wird

In der Osternacht sollte der zweite Teil der Helnwein-Trilogie enthüllt werden. Nun stoppt das Domkapitel das gesamte Projekt. Es könne "Menschen verstören".

Die Titelseite des aktuellen Pfarrblattes mit dem Helnwein-Gemälde, das nun nicht aufgehängt wird
Die Titelseite des aktuellen Pfarrblattes mit dem Helnwein-Gemälde, das nun nicht aufgehängt wird
Picturedesk, Pfarrblatt
Newsflix Redaktion
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Am vergangenen Wochenende war alles fix und fertig. Eine Woche vor dem Palmsonntag lag das "Pfarrblatt" der Dompfarre St. Stephan gedruckt vor. Es zeigte am Titelbild ein Kunstwerk, das zu diesem Zeitpunkt noch kaum jemand kannte. Und dabei wird es auch bleiben, denn am Donnerstag zog das Domkapitel die Notbremse und entschied: Das Gemälde wird den Besuchern während der Osterzeit nicht zugemutet.

14 Meter hohes Kunstwerk Was am Cover des "Pfarrblattes" und nun nicht in der Kirche zu sehen ist: Ein Kind im Volksschulalter, nackt bis auf einen Lendenschurz, blutend, dargestellt in einer Art Kreuzigungssituation, mit einer Wunde in der rechten Brust, Wundmalen an den Handflächen, den Blick Richtung Himmel gerichtet.

Das Heft der Kraftquellen Das "Pfarrblatt" der Dompfarre St. Stephan ist ein ehrgeiziges Projekt. Es erscheint drei Mal im Jahr, Weihnachten und Ostern sind gesetzt, dazu kommt jeweils noch eine Herbstnummer. Jede Ausgabe widmet sich  einem Schwerpunktthema, auch Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben schreiben mit, in der aktuellen Osternummer etwa Bestseller-Autor Andreas Salcher, Dagmar Schmidt, Präsidentin der Sportunion Wien, erläutert die "Kraftquelle Sport", TV-Moderator Patrick Budgen und Neos-Politiker Helmut Brandstätter verraten, was ihnen Kraft gibt.

Künstler Gottfried Helnwein (l.) und Dompfarrer Toni Faber bei der Präsentation des ersten Teils des Triptychon.
Künstler Gottfried Helnwein (l.) und Dompfarrer Toni Faber bei der Präsentation des ersten Teils des Triptychon.
Picturesdesk

"Verbanntes" Bild liegt im Dom auf Das "Pfarrblatt" wird innerhalb der Kirche verteilt, kann aber auch per Mail abonniert werden. Und: Es liegt im Stephansdom auf, auch heuer soll das so sein. Das wird eine Gratwanderung. Das Helnwein-Gemälde mit dem Kind wird dann nämlich zu sehen sein, gleichzeitig aber auch nicht.

"Eine Zumutung?" Vielleicht hatte Birgit Staudinger vorab eine Eingebung, was passieren könnte, denn die Redaktionsleiterin beginnt ihr Editorial so: "Empfinden Sie das Titelbild dieses Oster-Pfarrblatts als eine Zumutung? Dieses Auferstehungsbild – möglicherweise auch die Kunstinstallation während der Fastenzeit – von Gottfried Helnwein mag irritieren, sogar verstören. So wie Leid, Kreuz, Tod und Auferstehung selbst bei den Jüngern auf großes Unverständnis stießen, sie schockierten und zunächst sogar in die Flucht schlugen."

Darstellung könnte verstören Am Donnerstag drehte das Domkapitel von St. Stephan des Spieß um und schlug das Auferstehungsbild von Helnwein in die Flucht. Das "Ostertuch" sei dem Gremium erst am Mittwoch erstmals vorgelegt worden, heißt es in der Begründung. Daraufhin sei der Beschluss gefallen, dem diesjährigen Fastentuch nicht, wie ursprünglich geplant, ein "Ostertuch" und ein "Pfingsttuch" folgen zu lassen. Es handle sich zwar um ein "beeindruckendes und ernstzunehmendes Kunstwerk", die Art der Darstellung könnte zu Ostern aber "Menschen verstören" und "polarisieren".

Fastentuch 2023: Das von Eva Petric gestaltete Werk "Human Cocoon" vor dem Hauptaltar im Stephansdom.
Fastentuch 2023: Das von Eva Petric gestaltete Werk "Human Cocoon" vor dem Hauptaltar im Stephansdom.
Picturesdesk

Zwölf Entscheider Das Domkapitel zu St. Stephan ist ein machtvolles Gremium. Es besteht aus zwölf vom Erzbischof ernannten Mitgliedern, so genannten Kapitularen. Zu diesen Kapitularen gehören etwa die beiden Weihbischöfe Franz Scharl und Stephan Turnovsky, Ex-Caritas-Präsident Michael Landau und Peter Schipka, Generalsekretär der österreichischen Bischofskonferenz, aber auch Dompfarrer Toni Faber.

Zumindest Faber muss das Helnwein-Werk vorab gekannt haben, denn sein Kommentar im aktuellen "Pfarrblatt" ist mit dem Gemälde illustriert. Der Aufsatz des Dompfarrers endet mit dem Satz: "Im Dom oder wo auch immer: stets vertraue ich der Zuwendung Gottes – in jeder menschlichen und auch in der endgültigen Begegnung dieses Lebens."

"Aufregende Herausforderung" Im "Pfarrblatt" schreibt aber auch Helnwein selbst und erklärt seine Idee auf einer Seite. Das Projekt des religiös geprägten Künstlers war auf drei Teile angelegt. Am 13. Februar wurde das erste Kapitel aufgeschlagen. Zu sehen waren zwei Totenschädel-Tücher an den Seitenaltären sowie zentral der Christus des Turiner Grabtuchs mit dem Haupt nach unten, damit sollte das "Hinabgestiegen in das Reich des Todes" veranschaulicht werden. Er sei einer "Bitte des Dompfarrers" nachgekommen, "im Stephansdom ein Werk zum Osterfest zu schaffen" schreibt Helnwein. Das "stellte für mich eine aufregende Herausforderung dar".

Fastentuch 2021: Im Wiener Stephansdom präsentieren Künstler Erwin Wurm und Dompfarrer Toni Faber den überdimensionalen Strickpullover
Fastentuch 2021: Im Wiener Stephansdom präsentieren Künstler Erwin Wurm und Dompfarrer Toni Faber den überdimensionalen Strickpullover
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Warum Helnwein Jesus als Kind darstellte Und er erklärt, wie er an die Sache heranging. "Ich habe mich bei dieser Arbeit ganz bewusst so genau wie möglich an der christlich ikonographischen Symbolik orientiert, natürlich – wie alle meine künstlerischen Vorgänger – in meiner eigenen zeitgenössischen Bildsprache ... Für die Auferstehung, den Sieg des Lebens über den Tod, und als Symbol für den Beginn neuen, ewigen Lebens, habe ich Jesus in der Gestalt eines Kindes dargestellt."

Dreiteiler endet einteilig Der zweite Abschnitt der Triptychon-Darstellungen sollte in der Osternacht, der dritte kurz vor Pfingsten enthüllt werden. Dazu wird es nun nicht kommen. Gerade zu Ostern solle der Dom kein "Ort der Polarisierung" sein, sagt das Domkapitel. Das derzeit den Hochaltar des Stephansdoms verhüllende Fastentuch bleibt wie vorgesehen bis zum Karsamstag hängen und wird dann abgenommen – ohne Nachfolge.

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