Fußball-EM

Wird Österreich nun Europameister, Herr Rangnick?

Das Interview, geführt vor Start der EM, nun besonders brisant. In der "Zeit" sortierte Österreichs Teamchef das Turnier ein, definierte seine Rolle und taxierte die Chancen unserer Mannschaft.

Der Mastermind des Erfolgs: Teamchef Ralf Rangnick im Jubel nach dem Schlusspfiff
Der Mastermind des Erfolgs: Teamchef Ralf Rangnick im Jubel nach dem Schlusspfiff
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
Newsflix Redaktion
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Ein bisschen war es so als würde Rapid die Verpflichtung von Erling Haaland als Stürmer für die kommende Saison bekanntgeben. Als im Mai 2022 aufkam, dass Ralf Rangnick das österreichische Nationalteam übernehmen soll, rieben sich viele die Augen. Die Verpflichtung des Deutschen schien eine Schuhnummer zu groß, gerechnet wurde eher mit Peter Stöger oder Andreas Herzog. Bei der Nachfolge des mäßig erfolgreichen Franco Foda beherrschten die üblichen Verdächtigen lange die Debatte. Aber Ralf  Rangnick? Der war zu dieser Zeit noch bei Manchester United engagiert.

Zweites Cordoba Aber der "Fußball-Professor" kam und hauchte dem Team neues Leben ein. Statt Zauderei gab es plötzlich Pressing, Gegner wurden nicht länger als unschlagbar klassifiziert, sondern besiegt. Österreich war nicht mehr der belächelte Zwerg, sondern das Land mit erfrischend aufspielenden Kickern, das große Nationen ärgerte, Italien oder Kroatien schlug und am Ende sogar die Deutschen und das deutlich.

Die Quali zur EM wurde mit Bravour absolviert Rangnick, der die TSG 1899 Hoffenheim aus der dritten in die erste deutsche Bundesliga gecoacht und als Red Bull-Sportdirektor Leipzig von der vierten Liga in die Bundesliga gebracht hatte, stieg in Österreich zum Fußball-Mozart auf. "Ich hätte gerne, dass es Peter Stöger oder Andi Herzog geworden wären. Diese Lösung kommt für mich und ich glaube für viele sehr überraschend", hatte Hans Krank nach der Verpflichtung 2022 noch gesagt. Nun liegt das gesamte Land Rangnick zu Füßen. Der fühlte sich zuletzt so geliebt, dass er sogar Bayern München als Trainer absagte.

Teamchef Ralf Rangnick in der Raiffeisen Arena in Linz
Teamchef Ralf Rangnick in der Raiffeisen Arena in Linz
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Man muss größer denken Nun die Fußball-EM in Deutschland, Österreich spielte sich in den ersten drei Begnungen in die Herzen der Fans, nicht nur der österreichischen. vor allem das 3:2 am Dienstag verblüffte viele. Im Jänner hatte Rangnick in einem Interview mit dem "Trend" schon kokett gesagt: "Wenn man Größeres bewegen will, muss man auch in der Lage sein, größer zu denken. Damit sage ich nicht: Österreich wird Europameister. Aber für völlig ausgeschlossen halte ich es auch nicht." Vor Beginn der EM gab Rangnick der deutschen "Zeit" ein Interview und versprühte erneut Optimismus. Die wichtigsten Passagen:

Wie er Österreich als Teamchef erlebt
Er fühle sich "hier vollkommen angenommen", sagt er, "von den Spielern, von den Menschen, aber auch von der Öffentlichkeit. Ich bin auf unvergleichliche Weise angekommen, als Trainer und als Mensch."

Wie weit diese Zuneigung geht
Er hätte auch bei seinen bisherigen Tätigkeiten nicht an "Respekt und Wertschätzung" gemangelt. Aber: "Dass hier jetzt oft das Wort Liebe fällt, ist jedoch sicherlich kein Zufall."

Wohin sich der Fußball entwickeln wird
Rangnick gilt als Tüftler, seinen Spitznamen "Fußball-Professor" trägt er nicht zu Unrecht. Die "Innovationsgeschichte" des Fußballs findet er noch nicht auserzählt. Es werde "immer darum gehen, zehn Prozent besser zu sein als der Gegner. Und dann noch mal zehn Prozent." Der Fußball werde sich in den nächsten Jahren vor allem in den Bereichen Wahrnehmen, Denken, Erkennen steigern, sich "mit der Entwicklung von kognitiven Fähigkeiten unter Druck beschäftigen: antizipieren, richtig entscheiden, in immer kleineren Räumen und Zeitfenstern."

Der deutsche "Fußball-Professor" Ralf Rangnick ist seit Mai 2022 österreichischer Teamchef
Der deutsche "Fußball-Professor" Ralf Rangnick ist seit Mai 2022 österreichischer Teamchef
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Warum er Bayern München abgesagt hat
Darüber gibt es viele Mythen. Rangnick hatte im April 2024 intensiv mit den Münchnern verhandelt, gab den Bayern Anfang Mai dann allerdings einen Korb und entschied sich dafür, in Österreich zu bleiben. Es sei keine Entscheidung etwa gegen Uli Hoeneß gewesen, den er "sehr schätze". Er sei "am Ende genauso ein Romantiker und Perfektionist wie ich. Uli Hoeneß wäre für mich ein Grund gewesen, Trainer beim FC Bayern zu werden. Das trifft auch auf Karl-Heinz Rummenigge zu."

Warum die Entscheidung auch mit seiner Biographie zu tun hat
2011 schlitterte Rangnick in ein Burnout. Er war mit Schalke gegen Inter Mailand grandios ins Halbfinale der Champions League eingezogen, hatte den DFB-Pokal gewonnen, aber er war innerlich leer. Er sei in der Sommerpause zweimal mit seiner Frau auf Urlaub gefahren, erzählte Rangnick damals, "aber beide Male trat kein Erholungseffekt ein". Später schrieb er ein Buch über diese Zeit, "Einmal Burnout und zurück".

Ralf Rangnick am 15. Oktober 2023 auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Aserbaidschan in Wien
Ralf Rangnick am 15. Oktober 2023 auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Aserbaidschan in Wien
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"Ich hatte damals kaum noch die Kraft, morgens aufzustehen", sagte er jetzt der "Zeit" im Interview. "Mein Akku war leer, und zwar total. Seit dieser Zeit passe ich besser auf mich auf." Auch in diesem Licht ist die Entscheidung zu sehen, die mehr eine für Österreich war und weniger eine gegen Bayern München.

Was für ihn Erfolg ist
Vermutlich hat sich das aufgrund des Erlebten gewandelt. "Für mich ist Erfolg etwas anderes als zwangsläufig ein Titelgewinn", sagt er. "Ich sehe mich als einen Entwickler und Dienstleister, der versucht, seinen Mannschaften dabei zu helfen, besseren, interessanteren, auch unterhaltsameren Fußball zu spielen."

Was er Österreich bei der EURO nun zutraut
"Ja, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Österreich Europameister wird. Aber völlig ausgeschlossen ist es nicht."

Die Einschränkung dabei
Am Ende des Interviews soll Rangnick Sätze nur mit "richtig" oder "falsch" kommentieren.
"Die Zeit": "Ralf Rangnick sagt in Interviews immer die Wahrheit."
Rangnick: "Falsch".

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