"Great Leader"
Wird Orbán jetzt zum EU-Schuhlöffel für Trump?
Am Freitag besucht Ungarns Putin-Versteher Viktor Orbán den Ex-Präsidenten in Florida. Europa sollte Augen und Ohren offenhalten.
Lange Zeit hatten die USA Österreich nicht auf der politischen Landkarte. Am 20. Februar 2019 aber wurde Sebastian Kurz mit allen Ehren im Weißen Haus empfangen. Die Nacht zuvor hatte Washington einen Wintereinbruch erlebt, ein Zentimeter Schnee warf die US-Hauptstadt aus der Bahn. Präsident Donald Trump holte den "wirklich jungen Kerl" an der Tür ab, führte ihn ins Oval Office, redete mit ihm danach 30 Minuten unter vier Augen, nach 66 Minuten war die Visite Geschichte (eine Reportage darüber lesen Sie hier). Trump hielt sich bei Kurz kurz.
"Brückenbauer" Aber: Es war die erste Einladung für einen österreichischen Kanzler ins Weiße Haus seit 14 Jahren und sie passierte aus gutem Grund. Kurz war in der politischen Welt damals noch "angesagt" und er inszenierte sich als "Brückenbauer", wohin auch immer diese Brücke geschlagen werden sollte. Trump wiederum suchte Kontakt zu rechten Parteien in Europa, die ÖVP saß damals noch mit der FPÖ in der Regierung. In Österreichs Koalition und in der ungarischen Regierungspartei Fidesz sah er mögliche Bündnispartner. Und es war auch nicht schlecht, ein paar Einschätzungen und Interna zur restlichen EU geschildert zu bekommen.
Am 5. November 2024 wird Donald Trump mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit zum nächsten US-Präsidenten gewählt und er wird dort weitermachen, wo er 2020 aufgehört hat. In diesem Licht ist auch ein Besuch zu sehen, der am Freitag weltpolitisch auf Interesse stoßen wird. Denn Viktor Orbán ist in die USA gereist. Er hielt am Donnerstag in Washington einen Vortrag vor der "Heritage Foundation", gegründet 1973 von konservativen Bierbrau-Milliardär Joseph Coors, und ist ideologisch ganz auf Linie von Trump. Eine Begegnung mit dem amtierenden Präsidenten Joe Biden ist nicht vorgesehen, dafür aber bespricht sich Orbán mit dem vielleicht nächsten starken Mann im Weißen Haus.
"Großartiger Anführer" Trump hat den ungarischen Ministerpräsidenten zu sich nach Florida eingeladen, am Freitag kommt es zum Zusammentreffen, für Europa hat es einige Bedeutsamkeit. Denn Orbán ist nicht nur wegen seiner häufigen Boykotthaltung in der EU verhaltensauffällig, er fährt auch einen komplett anderen Kurs als die EU in der Politik zu Russland und der Ukraine. Einen Kurs ganz nach den Vorlieben von Trump, der seinen Besucher über den grünen Klee lobt. "Er ist ein sehr großartiger Anführer, ein sehr starker Mann", sagte Trump. "Manche Leute mögen ihn nicht, weil er zu stark ist."
Ungarn auf "Atomexpo" Während die EU nach dem kriegerischen Angriff Russlands auf die Ukraine inzwischen 13 Sanktionspakete (mit Orbáns zähneknirschender Zustimmung) gegen Moskau auf den Weg gebracht hat und mittlerweile 1.718 Personen und 419 Einrichtungen auf der Sanktionsliste stehen hat, sucht Orbán die Annäherung an den früheren Verbündeten. Außenminister Péter Szijjártó wird an der "Atomexpo" teilnehmen, die am 24. und 25. März in Sotschi stattfindet. Er war die letzten beiden Jahre häufiger Gast in Moskau, im Juni will er am Wirtschaftsforum in St. Petersburg teilnehmen. Das ist ganz im Sinne von Trump. Die EU rechnet damit, dass er bei einem Wahlsieg einen neuen Kurs in der Russlandpolitik einschlagen wird – über die Köpfe der Europäer hinweg.
Orbán kommt den USA da gerade recht. Unter Joe Biden rutschte Ungarn wegen seiner Russlandpolitik 2023 sogar auf eine US-Sanktionsliste. Unter Trump könnte das Land aber zum "Schuhlöffel" werden. Für eine andere Russlandpolitik und als Brückenkopf auch hinein in die EU, in der in einigen Ländern rechte Parteien vor dem Sprung an die Macht stehen.
Atomkraftwerk am Mond Und da wäre ja auch noch China. Die Beziehungen der EU ins Reich der Mitte sind reichlich abgekühlt. Nicht so der Draht nach Ungarn. "Orbán hat China in den Mittelpunkt seiner Öffnung nach Osten gestellt, um engere Beziehungen zu Asien aufzubauen", sagt Andrew Higgins, Büroleiter der "Times" für Ost- und Mitteleuropa. Das hat Brisanz, denn Russland und China erwägen etwa, gemeinsam ein Atomkraftwerk auf dem Mond zu bauen, um "zukünftige Mondsiedlungen mit Strom zu versorgen". Das kündigte Yuri Borisov, Leiter der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, am Dienstag an. 2032 könnte es soweit sein. Die Welt sortiert sich gerade wieder einmal neu.