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"3 Body Problem": Sind wir von allen guten Geistern verlassen?
Eine der intelligentesten Science-Fiction-Trilogien wurde von den "Game Of Thrones"-Machern bombastisch verfilmt. Ab Donnerstag auf Netflix. Und: Das sagt Star-Physiker Werner Gruber dazu.
Es geht um ein riesengroßes Geheimnis. Um tote Wissenschafter. Um den katastrophalen Raubbau, den der Mensch an der Natur verübt. Um die Auswirkungen der chinesischen "Kulturrevolution" auf das Land und seine Menschen. Um die Verantwortung jedes Einzelnen für diese Welt. Und letztlich geht es darum, was notwendig ist, um das Ende der Menschheit abzuwenden. Denn diese steht kurz davor, ausgelöscht zu werden – eine außerirdische Zivilisation, deren Welt zugrunde geht, hat ein Auge auf Mutter Erde geworfen. Und die Aliens haben Verbündete auf unserem Planeten …
"Intelligente Science-Fiction" "3 Body Problem" ist der Titel der jüngsten Mega-Serie, mit der "Netflix" wieder einmal die Grenzen des Machbaren verschiebt. Denn der Streaming-Gigant butterte sagenhafte 160 Millionen Dollar an Produktionskosten in das Prestigeprojekt, die lange als "unverfilmbar" geltende Trilogie des chinesischen Autors Liu Cixin umzusetzen. Dafür holte man die Verantwortlichen hinter dem Erfolg von "Game Of Thrones": David Benioff und D. B. Weiss wurden als Showrunner beauftragt, das ebenso komplexe wie intelligente Werk für einen weltweiten Markt zu adaptieren.
All-World-Cast Sichtbarstes Zeichen für den weltumspannenden Ansatz der Serienmacher: Viele der chinesischen Charaktere aus den Büchern bekamen kurzerhand andere Ethnien übergestülpt. Um das ohne große Brüche zu bewerkstelligen, wurde eine Gruppe von fünf jungen Wissenschaftern ersonnen, die sogenannten "Oxford Five". Diese sind so bunt zusammengesetzt, dass möglichst viele Seherinnen und Seher eine Identifikationsfigur vorfinden. Es gibt einen mysteriösen Nachrichtendienst, einen Multimilliardär mit einer Mission und eine übermächtige, außerirdische Bedrohung. Soweit so wenig originell.
Die Bedrohung ist hausgemacht Was den Stoff allerdings so interessant macht, ist die Dimension der Gefahr, die langsam, aber stetig auf die Erde zukommt – und vor allem weshalb sie das überhaupt tut. Denn während sich etwa in Roland Emmerichs Sci-Fi-Actiongeballer "Independence Day" von 1996 die Außerirdischen ganz von selbst auf die Suche nach einem vermeintlichen Opfer im Kosmos gemacht haben, sind die Trisolarier, die in "3 Body Problem" nach der Erde trachten, nicht von selbst auf die Idee gekommen. Geister, die wir riefen …
Eine Story, mehrere Lesarten Dieser Ansatz macht die Geschichte auch so komplex, vielschichtig und aktuell. Wir sind ganz weit davon entfernt, "One World" zu sein. Vielmehr kocht jeder sein eigenes Süppchen, hat seine eigene Agenda. Bis es beinahe zu spät ist. Es gibt viele Lesarten für "3 Body Problem", und je nach individuellem Mindset wird jeder Zuschauer und jede Zuschauerin etwas anderes darin sehen und herauslesen. Die Gedanken sind frei.
Big, bigger, "3 Body Problem" Optisch lässt die Blockbuster-Serie kaum Wünsche offen, so atemberaubend sind die Bilder, die geliefert werden. Wer die Bücher der Trisolaris-Trilogie von Liu Cixin kennt, die der Serie zugrunde liegen, wird möglicherweise von den visuellen Eindrücken etwas überfordert sein, so überschießend ist teilweise die Bilderpracht auf dem Screen. Und auch inhaltlich schrammen die acht Folgen der ersten Staffel ziemlich an der Überfrachtung vorbei, obwohl die Serienschöpfer vieles aus den Büchern vereinfacht oder sogar gestrichen haben, um die Story halbwegs in den zeitlichen Rahmen zu bringen.
Bereits einmal verfilmt Das Problem der Überfrachtung hat man übrigens auch in China gesehen, wo das erste Buch der Trilogie von Liu Cixin, "Die drei Sonnen", bereits im Jahr 2023 als Serie unter dem Titel "Three Body" verfilmt worden ist. Allerdings wollten die chinesischen Produzenten keine inhaltlichen Abstriche in Kauf nehmen, und so bekam die Serie 30 Folgen mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als 22 Stunden – alleine für den Inhalt des ersten der drei Bücher. Wer den Vergleich mit der "Netflix"-Serie anstellen möchte: "Three Body" ist im chinesischen Original mit englischen Untertiteln auf "Youtube" abrufbar.
Experten-Einschätzung Und wissenschaftlich? Wie realistisch und fundiert ist die Welt, die hier vor uns aufgezogen wird? Newsflix hat Werner Gruber, Physiker, Science-Fiction-Fan und Österreichs bekanntesten Wissenschafts-Erklärer, um seine Einschätzung gebeten:
Das 3-Body-Problem: Ausgangspunkt für die Eroberungsgelüste der Trisolarier ist ihr eigenes Dreikörperproblem, also eine Konstellation, bei der drei unterschiedlich große Himmelskörper um ihren Planeten kreisen und dadurch die Lebensbedingungen auf diesem extrem schwierig gestalten. Solch ein Dreikörperproblem und seine (UN-)Berechenbarkeit gehört - theoretisch - seit vielen hundert Jahren zu den liebsten Gedankenspielen der Wissenschafter. Aber wie realistisch ist die Idee, dass solch ein Dreikörperproblem tatsächlich einen Exodus von einem Planeten animieren könnte?
"Es gibt tatsächlich nur ein paar Sonderfälle solch eines Problems, für die es exakte Lösungen gibt, eine davon würde sogar relativ stabile Umweltbedingungen für einen möglichen Planeten liefern", so Werner Gruber. "Es wäre also nicht zwingend nötig, dass eine Zivilisation ihren Planeten verlassen muss, um überleben zu können."
Die Hintergrundstrahlungs-Frage: Das mit unserer Welt etwas im Argen liegt, kündigt sich in der Geschichte auch dadurch an, dass die kosmische Hintergrundstrahlung "zu flackern beginnt". Könnte solch ein Flackern tatsächlich auftreten? Und was dann?
"Das wurde bislang noch nicht beobachtet und würde nicht nur zu umfangreichen Forschungen führen, sondern vor allem auch zu einem Überdenken unseres kosmologischen Weltbildes", so der Physiker. "Denn alle Forschungen zeigen, dass die kosmische Hintergrundstrahlung extrem homogen und gleichbleibend über das ganze Universum verteilt ist. Wenn sich da was ändern würde – pfuuh!"
Gibt es außerirdisches Leben? Gruber: "Dazu gibt es heftige Diskussionen. Es gibt eine Formel von Frank Drake, der sich überlegt hat, ob man aus den messbaren Parametern des Universums bzw. unserer Milchstraße die Wahrscheinlichkeit für eine intelligente Zivilisation ableiten könnte. Bei realistischen Parametern kommt man auf rund 250 bis 300 Zivilisationen innerhalb unserer Milchstraße – die hätten dann aber einen durchschnittlichen Abstand voneinander von rund 5000 Lichtjahren. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir nicht alleine sind – die Frage lautet eigentlich: wieviele gibt es noch?"
Bestie Mensch Die Art, wie wir unseren Planeten behandeln, kommt in Buch wie Serie nicht gut weg, die Außerirdischen betrachten uns sogar als Ungeziefer, das es nicht verdient habe, weiter zu existieren. Gerechtfertigt?
"Betrachtet man die Umweltveränderungen, die wir in den letzten 200 Jahren verursacht haben, so muss man schon sagen, dass wir sicherlich nicht pfleglich mit der Erde umgehen", so Werner Gruber. "Umgekehrt rechtfertigt dies noch nicht, einfach eine Zivilisation auszuradieren. Wenn ein Kind in der Wohnung Saft verschüttet, wird das Kind vielleicht ermahnt, aber auch nicht gleich ausgelöscht. Ob wir aus den letzten Jahrhunderten etwas gelernt haben, das sehen wir dann in 20 Jahren, wenn es vielleicht zu spät ist."
"3 Body Problem", Staffel 1, insgesamt 8 Folgen, ab 21. März auf Netflix