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Alter Schwede: Wieso uns diese Åre-Morde kalt lassen

Die 5-teilige schwedische Krimiserie "Die Åre-Morde" versteht es zu verwirren. Allerdings weniger durch eine packende Story, als vielmehr durch ihr seltsames Splitting. Sonst gibt es nichts, das man nicht bereits wo anders besser gesehen hat. Auf Netflix.

Hanna Ahlander (Carla Sehn) wollte eigentlich in Åre ihr Sorgen hinter sich lassen, schlittert aber in einen Vermisstenfall
Hanna Ahlander (Carla Sehn) wollte eigentlich in Åre ihr Sorgen hinter sich lassen, schlittert aber in einen Vermisstenfall
Courtesy of Netflix
Christian Klosz
Akt. Uhr
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Die Stockholmer Polizistin Hanna Ahlander (Carla Sehn) will eigentlich ihrem Alltag entfliehen, sich im Ferienhaus ihrer Schwester im Skiressort Åre einigeln und eine Auszeit gönnen: Von ihrem Job wurde sie "zwangsbeurlaubt" (die tatsächlichen Hintergründe bleiben anfangs im Dunkeln), zudem hat sie ihr Partner verlassen und vor die Tür gesetzt, sie ist also quasi obdachlos.

Spuren im Schnee Doch aus Ruhe, Kontemplation und Reflexion wird nicht viel, denn den kleinen Ski-Ort, in dem Hanna gelandet ist, beschäftigt der Fall der vermissten 17-jährigen Amanda: Nach einer wilden Party kam sie nicht nach Hause, auch ihre Freunde und Eltern wissen nichts über ihren Verbleib, nur ein dubioser Liebhaber könnte Aufschluss geben. Als auch diese Spur im Nichts verläuft, macht sich der halbe Ort auf die Beine und sucht die Gegend  ab. Auch Hanna meldet sich freiwillig.

Mama Lena (Sofia Papadimitriou Ledarp) hat von Beginn an ein schlechtes Gefühl, …
Mama Lena (Sofia Papadimitriou Ledarp) hat von Beginn an ein schlechtes Gefühl, …
Courtesy of Netflix

Arbeit im Urlaub Dem nicht genug: Sie dient sich der lokalen Polizeichefin als professionelle Verstärkung an und bittet um eine offizielle Versetzung, zumindest vorübergehend. Da das Personal in Åre knapp ist, stimmt die Chefin zu, Hanna soll die zuständige Einheit um Daniel Lindskog (Kardo Razzazi) bei der Klärung des Vermissten-Falls unterstützen.

Schwedischer Sturkopf Für Hanna ist es aber auch eine Flucht vor ihren Gefühlen. Ablenkung durch Arbeit quasi, weshalb ihre Schwester ihr dringend davon abrät. Doch Hanna ist stur und lässt sich von anderen nur ungern etwas sagen.

Fragen über Fragen Als die Zeit verstreicht und ein glücklicher Ausgang des Vermisstenfalls immer unwahrscheinlicher wird, tun sich Fragen auf: Was könnte die Affäre des Vaters von Amanda mit dem Fall zu tun haben? Was verschweigt deren beste Freundin, mit der sie sich auf der Party gestritten hatte? Was hat ein dubioser Lehrer mit all dem zu tun, der ob seines Aussehens nur "Barbie-Ken" genannt wird? Und wie ist eine lokale Reinigungsfirma in all das verstrickt, die günstige Putzkräfte aus dem Osten ausbeutet?

Nordischer Thriller als Serie "Die Åre-Morde" basiert auf den ersten beiden Büchern der "Åremorden"-Reihe der schwedischen Krimi-Autorin Viveca Sten. Das Ergebnis ist ein klassischer "nordischer Thriller" in Serienformat, bei dem die kalte, eisige Schneelandschaft Schwedens eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Bemerkenswert - und zumindest gewöhnungsbedürftig - ist das Format: Der oben geschilderte Plot bezieht sich auf den ersten Åre-Fall, der sich über die ersten 3 Episoden erstreckt.

… während Papa Harald (Henrik Norlén) vor allem ein schlechtes Gewissen hat
… während Papa Harald (Henrik Norlén) vor allem ein schlechtes Gewissen hat
Courtesy of Netflix

2 Fälle in 5 Folgen Der zweite Fall, der in den Episoden 4 und 5 behandelt wird, handelt von einem ehemaligen Skistar, der in Åre lebte und neben einer Bahnstrecke zerstückelt aufgefunden wird. Forensische Untersuchungen ergeben: Es muss sich um Mord handeln. Und Hanna Ahlander beginnt - mittlerweile als Full Time-Cop in Åre - mit den Ermittlungen.

Mogelpackung "Die Åre-Morde" hat also insgesamt nur fünf Folgen, handelt trotzdem zwei Buchvorlagen ab. Besonders verwirrend ist, dass der erste Fall in Episode 3 so abrupt (und in Teilen auch inhaltlich unbefriedigend) endet, dass man sich am Beginn von Episode 4 zunächst fragt, ob hier doch noch die erste Geschichte weitergeht.

Hanna (Carla Sehn) trifft ihren künftigen Kollegen Daniel Lindskog (Kardo Razzazi) das erste Mal bei einer Fahrzeugkontrolle
Hanna (Carla Sehn) trifft ihren künftigen Kollegen Daniel Lindskog (Kardo Razzazi) das erste Mal bei einer Fahrzeugkontrolle
Courtesy of Netflix

Seltsames Format Das ist gewöhnungsbedürftig, man kann es auch undurchdacht nennen. Denn in der Regel gehen Serienadaptionen einen von zwei möglichen Wegen. 1.: Man nimmt eine Buchvorlage pro Staffel. Oder 2.: Man nimmt eine Vorlage pro Episode. Das hier ist ein seltsam anmutender Mittelweg. Der auch nicht nachvollziehbarer wird durch die Tatsache, dass die ersten 3 Episoden gesamt 115 Minuten Laufzeit haben, die letzten 2 Episoden aber auch auf 101 Minuten kommen, sprich die Folgen sind länger. Warum? Wer weiß …

Stilles Sterben in Schweden Abgesehen von diesen Formalitäten, liefert die Netflix-Serie aber Erwartbares: Einen mehr oder minder soliden Thriller übers Morden im hohen Norden mit einer sympathischen Protagonistin, eingebettet in die Schneelandschaft, die man wahlweise romantisch oder abstoßend finden kann, angereichert um alltägliche private Dramen. Und Mordfälle, deren Ablauf nicht in die Auslage gestellt wird, die vielmehr im Stillen stattfinden, umgeben von meist mysteriösen Umständen.

Aber was hat Firmenchefin Annika Risberg (Moa Gammel) mit dem Verschwinden der jungen Amanda zu tun?
Aber was hat Firmenchefin Annika Risberg (Moa Gammel) mit dem Verschwinden der jungen Amanda zu tun?
Courtesy of Netflix

Besseres Füllmaterial für Krimi-Fans Dass "Die Åre-Morde" als Hit in die Streaming-Geschichte eingehen wird, davon sollte man nicht ausgehen. Die Serie ist am Ende besseres Füllmaterial, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es sind solide erzählte Kriminalfälle nach Schema F, die gelöst werden müssen. Fans von Schweden-Krimis, Polizeiserien und Ermittlungsformaten sollten sich davon unterhalten fühlen. Alle anderen können einen Blick riskieren. Aber man darf nicht erwarten, davon vom Hocker gerissen zu werden.

Der eigentliche Star der 5-teiligen Serie ist die weite, tiefwinterliche Landschaft Mittelschwedens
Der eigentliche Star der 5-teiligen Serie ist die weite, tiefwinterliche Landschaft Mittelschwedens
Courtesy of Netflix

Fazit Innovation bietet "Die Åre-Morde" nicht, denn die neue Netflix-Miniserie ist ein typischer 08/15-Skandinavien-Thriller bei dem das Außergewöhnlichste die äußere Form ist. Fans von harmlosen Nebenbei-Krimis können dabei aber trotzdem auf ihre Kosten kommen, was vor allem an der sympathischen Protagonistin liegt – und an der beeindruckenden Landschaft Mittelschwedens.

"Die Åre-Morde, Schweden 2024, 5 Episoden zwischen 35 und 60 Minuten, Netflix

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