Kopfnüsse
Andiamo! Wie Babler das Schneckenrennen um Österreich gewann
Von 0 auf 100 in sechs Monaten. Andreas Babler ist der große Sieger dieser Regierungsverhandlungen. Er bekam ein gutes Amt, sein Wunschteam und Genugtuung. Jetzt muss er sich in der neuen Rolle behaupten – vor allem in der eigenen Partei.

Was über die abgelaufene Woche mit Fug und Recht behauptet werden kann: sie war politisch recht kurzweilig. An ihrem Ende stand ein bedeutsames Ereignis. "Silent rush" machte sich vom Acker, nicht ganz "silent" zwar, dafür aber recht rasch.
Mit KI-Stimme: So gewann Babler das Machtspiel
Im Jänner 2023 war das Parlament nach einer gut fünf Jahre dauernden Diaspora, die in alle Ecken des Heldenplatzes führte, ins Haus am Ring zurückgekehrt. Sowohl die Außenhaut als auch das Innenleben waren aufwändig saniert und renoviert worden, zum Schluss widmete man sich der neuen Bestuhlung. Nebenbei bemerkt, ein zauberhaftes Wort.
Damit der Stuhlgang für alle passte, wurden für den Nationalrat und den Bundesrat 280 neue Sessel angeschafft. Österreich mag nach dem Regierungswechsel auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft sein, aber es liegt noch ein Teil der Strecke vor uns und deshalb gibt es im Parlament eine Zweisessel-Gesellschaft. Die einen haben eine hohe Rückenlehne, die anderen eben nicht.

Für den Stuhlgang wurde die deutsche Firma Sedus ausgewählt und das völlig zurecht, denn ihre Produkte machen einiges her. Zum Beispiel das Model "silent rush".
Es ist, schreibt das Unternehmen, "für die ParlamentarierInnen der ideale Begleiter. Die Mischung aus Dreh- und Loungesessel verkörpert ein einzigartiges emotionales Konzept, das für den Nutzer Ruhe selbst in bewegten Zeiten schafft." Von diesen bewegten Zeiten gibt es momentan mehr als genug.
Die Sessel sollten also nicht allein zum Sitzen einladen, sondern zu so einer Art Lebensmensch "für die ParlamentarierInnen" werden. Das geht nicht von heute auf morgen. Bei Dagmar Belakowitsch hat sich der "Dreh- und Loungesessel" zum Beispiel bisher die Lehne ausgebissen.
Die Transition der FPÖ-Gesundheitssprecherin über den Umweg "silent rush" hin zu einer gewissen Grundfröhlichkeit blieb bisher unvollendet. Das war diese Woche zu bemerken, als Belakowitsch von einer Report-Reporterin in der Säulenhalle des Parlaments zum Thema Impfen befragt wurde. Sie brach das Gespräch mit den Worten ab: "Das ist da der größte Schas."


Die 280 neuen "Mischungen aus Dreh- und Loungesessel" der Firma Sedus schafften es im Parlament also vermutlich, für ein gutes Raumklima zu sorgen, jeden "Schas" konnten sie bisher aber nicht hintanhalten.
Geliefert wurden "197 Stück mit niedriger Rückenlehne für den Nationalratssitzungssaal und 3 Stück mit hoher Rückenlehne für die PräsidentInnen". Von den 80 Stück für den Sitzungssaal des Bundesrates hatten 77 Stück eine niedrige Rückenlehne und 3 Stück eine hohe Rückenlehne.
Es handelt sich ausschließlich um Sonderanfertigungen, alle Sessel wurden mit Leder des steirischen Unternehmens Boxmark bezogen. Zur Verwendung kamen "Häute europäischer Bullen", sie wurden "zu feinstem vollnarbigem Leder verarbeitet", schreibt die Firma auf ihrer Webseite. Ich denke nicht, dass mit "Bullen" Polizisten gemeint sind, die tragen ihre Haut üblicherweise anders zu Markte.
Ziemlich viele "europäische Bullen" tollen jetzt nackert herum, denn für die Sessel wurden 7.500 Quadratmeter Leder verbraucht. Das aber für einen guten Zweck, die Häute trugen dazu bei, "den historischen Wert des ehrwürdigen Gebäudes zu erhalten", schreibt Boxmark, erwähnt aber leider nicht, wie sie das angestellt haben.

"Silent rush" und die "europäischen Häute" bekamen aber ein Problem. Die neue Regierung beschloss zu wachsen, nicht an sich, sondern an ihrer schieren Existenz. Die Zahl der Ministerinnen und Minister blieb gleich, aber dazu kommen nun 4 Staatssekretärinnen und 3 Staatssekretäre und es wurde kompliziert.
Staatssekretäre sind formal gesehen kein Teil der Regierung, dürfen aber auf der Regierungsbank sitzen. Österreichische Logik. Dort passen aber mit Ach und Weh 18 "silent rush" hin, jetzt braucht man 21.
Man hätte zu den 7 Leuten natürlich sagen können: "Sucht's euch halt ein Platzerl!" Oder: "Kommt's nicht alle zur selben Zeit!" Auch die Reservierung über Handtücher oder das Prinzip First Come, First Served wäre möglich gewesen. Aber das hätte sich als Unhöflichkeit deuten lassen.

Also wurden am Freitag die 18 "Dreh- und Loungesessel" mitsamt ihrem "emotionalen Konzept" entnommen und durch schmälere Stühle ersetzt. Die fanden sich praktischerweise im Haus, was vorher offenbar nicht möglich war.
Es handelt sich um historische Sessel, die der Parlaments-Architekt Theophil Hansen selbst entworfen und anfertigen hat lassen. Sie wurden in den vergangenen Jahren ebenfalls renoviert, als Sesselkleber kam dabei wie gewohnt Glutinleim zum Einsatz.
Die Stühle für die aktuellen Sesselkleber standen bisher in einem Depot des Hauses, in der kommenden Woche erleben sie ihren ersten Einsatz. Falls Ihnen eines der Hansen-Stücke über den Weg läuft, sie weisen ein Merkmal auf: Ziernägel aus Eiche.
Wenn man schon beim Renovieren ist, sollte sich übrigens jemand beizeiten einen neuen Begriff für Staatssekretärinnen einfallen lassen. Staatssekretär, das klingt bei Männern noch einigermaßen nobel, aber bei Frauen mehr nach Stenoblock und Apfelspalten, die man dem Chef jeden Tag um Punkt 9.30 Uhr auf den Schreibtisch zu stellen hat.


Es war eine Woche, in der sich das Land in all seiner Pracht und Herrlichkeit präsentierte. Die Gesellschaft ging auf den Opernball, die Politik beschloss, sich gegenseitig Orden umzuhängen, dazu wurde ein Regierungs-Programm präsentiert, das eine gewisse Opulenz versprüht, ohne eine zu besitzen.
211 Seiten, mehr Punktation als Vision, das Beste aus 2.448 Welten, wenn ich richtig gezählt habe. So viele Maßnahmen werden angekündigt, aber ein einigendes Ziel fehlt.
Nun soll die Regierung doch schon am Rosenmontag um 11 Uhr angelobt werden, wenn die NEOS-Mitglieder heute keinen Rappel bekommen und zu mehr als einem Drittel gegen den Pakt stimmen. Vermutlich am Freitag soll die Regierungserklärung im Parlament folgen, dann können die Vertreter der Dreier-Koalition auch eine erste Stuhlprobe vornehmen.


Bis dahin könnten die Mitglieder der bisherigen Bundesregierung ihre Orden schon in Empfang genommen haben. Wie üblich scheiden Ministerinnen und Minister mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich aus dem Amt und so ist es auch diesmal.
Vizekanzler und Opernball-Debütant Werner Kogler und Klimaministerin Leonore Gewessler verzichteten. Es wäre ihnen "peinlich" gewesen, sich selbst Orden zu verleihen, ist aus ihrem Umfeld zu hören.
Angesichts der aktuellen Budget-Umstände wäre es tatsächlich nachvollziehbarer gewesen, man hätte manchem Minister keinen Orden in die Hand gedrückt, sondern einen Erlagschein.

Als sich die neue Regierung am Freitag erstmals in aller Öffentlichkeit zeigte, roch es nach nassem Hund. Die Feuchtigkeit des Nieselregens hatte sich in Lokal Nummer 7 des Parlaments hineingezogen.
Dort nahmen um 11 Uhr die Chefs von ÖVP, SPÖ und NEOS Aufstellung, und wurden von Peter Treml aufgerufen. Der Sprecher der Volkspartei verlieh nur Christian Stocker einen Doktortitel, den Msc von Andreas Babler und den Mag von Beate Meinl-Reisinger ließ er unter den Tisch fallen, den es nicht gab.
Stocker dankte es, indem er seinen Teil des Programmes präsentierte und dann die meiste restliche Zeit über zur Salzsäule erstarrte. Vielleicht täusche ich mich, aber er erweckte den Eindruck, als habe er erst in diesem Moment realisiert, dass er Kanzler der Republik wird. Und dass ihm das Angst macht. Ein bisschen fürchten wir uns mit.
"Beim Reden kommen die Leute zusammen", sagte Stocker, ehe er einfror. Es folgten noch ein paar Sätze, die ähnlich artig unter dem Gesichtspunkt des politischen Marketings zusammengeschrieben worden waren, viel war vom Kompromiss die Rede, der zum Teufel geschickt worden war und nun durch den Bundespräsidenten eine neue Heiligsprechung erlebt hatte.


"Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ist ein sehr gutes", sagte Doktor Stocker. Das Ergebnis dieser "sehr guten Verhandlungen", trägt den Titel "Jetzt das Richtige tun". Das Richtige zu tun, ist selten falsch. Vieles von dem, was geplant ist, steht aber "unter Budgetvorbehalt", oder wird erst "evaluiert" oder man "bekennt sich dazu". 191 Mal findet sich das Wort "Prüfung" im Text.
Das Richtige weiß durch den Koalitionspakt zwar, dass es richtig ist, aber noch nicht, ob es ins Tun kommt.
Es gibt, das höre ich, eigentlich zwei Regierungsprogramme. Die 211 Seiten sind ein Destillat, eine gekürzte Version. In den Untergruppen und in den Obergruppen gab es bis zum 3. Jänner mehr Vorhaben, über die Einigung erzielt werden konnte, sie finden sich nun nicht in "Jetzt das Richtige tun".
Auch so ist das Konvolut (hier habe ich ausführlicher darüber geschrieben) unnötig lang und detailliert. Statt der Bevölkerung in aller Klarheit zu sagen, wohin die Reise geht, wird zu allen möglichen Ufern aufgebrochen. Häufig wird der Anker an Gemeinplätzen gesetzt. Zu lesen ist dann: "Eine weitere Reduktion der Anzahl der Verkehrstoten wird angestrebt." Ich wüsste auf Anhieb keine Partei, die mehr Verkehrstote fordert.

Was haben Bekenntnisse, dass wir die Skination Nummer 1 sein wollen, in einem Regierungsprogramm verloren? Dass Urlaub am Bauernhof wichtig ist? Dass die Mautpflicht für Wohnmobile evaluiert wird. Oder solche Sätze: "Es wird geprüft, Module wie die freiwillige Radfahrprüfung und die Prüfung für den Mopedführerschein in die Ausbildung zum Führerschein der Klassen A und B zu integrieren?"
Wir sprechen hier von einem Arbeitsplan, den sich eine Koalition gibt, nicht von einer Packordnung für den Schulskikurs von Halbwüchsigen. Nur damit das nicht falsch verstanden wird: Im Regierungsprogramm steht vieles, das wichtig und richtig ist, es geht nur unter, weil wir überschwemmt werden. Es fehlt eine Priorisierung, eine Wertigkeit, ein Zeitplan.
Mein Traum wäre ja, ein Regierungsprogramm auf einer Seite. Mit klaren Zielen, einem Pfad, wie sie erreicht werden, und nach fünf Jahren hinter jedem ein Häkchen. Und nicht so eine Kennedy-Version für Österreich: "Wenn es sich budgetär ausgeht, werden wir evaluieren, ob wir irgendwann zum Mond fliegen, oder wer anderer."

Die Regierung investiert einiges in ihre eigene Ausstattung. Ich will jetzt kein Pfennigfuchser sein, aber sieben Staatssekretäre und gleichzeitig ein Sparpaket ins Rennen zu schicken, macht halt keinen schlanken Fuß. Naheliegend, dass Betroffene sagen: für politische Jobs ist Geld da, aber ich als Pensionist zahle jetzt einen höheren Krankenkassenbeitrag.
Das geht der Vertreterin und dem Vertreter der Pensionisten, in klassischer österreichischer Manier gibt es eine Version davon in Rot und eine in Schwarz, weniger nahe. Beide haben ihre Karrieren in den goldenen Zeiten der Politik verlebt, die sah auch für den Ruhestand eine gewisse Opulenz vor. Es ist nicht zu erwarten, dass sich Ingrid Korosec und Peter Kostelka jetzt bei einer Suppenküche anstellen müssen.
Bei Rentnern mit einer kleinen Pension sieht die Sachlage etwas anders aus. Für Menschen, die 1.000 Euro im Monat haben, sind die paar Euro, die sie nun mehr bezahlen müssen, nicht etwas, dass sie sich vom nächsten Tesla absparen, sondern die Aufbringung schneidet brutal in den Alltag hinein.
Das Argument, unterm Kickl wäre es auch so gekommen, ist eines der eher schwächeren Sorte. Ich dachte, die Fächerkombination aus Türkis, Rot und Pink will besser sein als das gescheiterte Blau und nicht seine Kopie.

Viele bekommen derzeit auch ihre Energie-Abrechnung. Da der Stromkostenzuschuss wegfällt und die einschlägigen Unternehmen auch etwas mehr Appetit verspüren, wird vielen Betroffenen warm ums Herz, ohne dass sie dafür extra einheizen müssen. Da tut es gut zu erfahren, dass ein paar Staatssekretäre das rettende Ufer erreicht haben und ein paar andere Orden dafür bekommen, dass sie das Schlamassel angerichtet haben.
In freudiger Erwartung entnehme ich aber dem Regierungs-Programm, dass sich die Koalition jetzt für eine Reform des Merit-Order-Systems einsetzen möchte. Sie will eine Expertengruppe zur Senkung der Energiepreise gründen und das sogar "unmittelbar". Und: Die Inflationsbekämpfung bekommt "Priorität". Das wird jetzt was, denn endlich ist die ÖVP ja in einer Regierung.
Nun gibt es Sachzwänge. Österreich muss sparen. Nicht weil die Menschen im Land so über ihre Verhältnisse gelebt haben, sondern weil die Politik in den vergangenen Jahren mehr Geld beim Fenster hinausgeschmissen hat als bei der Tür hereingekommen ist. Wenn man die Dinge etwas vereinfacht, sind sie gar nicht so kompliziert.
Die Menschen sind nicht dumm. Sie verstehen, dass die Zeiten schwierig sind, dass sich was ändern muss, dass jeder seinen Beitrag leisten soll. Aber sie lassen sich auch nicht für dumm verkaufen. Das wird schnell zu bemerken sein, wenn die ersten Euros im echten Leben in der Brieftasche fehlen. Um den Gürtel enger schnallen zu können, muss man nämlich erst einmal einen Gürtel haben.


Als die neue Regierung ihr Programm vorstellte, war das Land mit dem Kopf längst woanders. Täglich tauchten in den Medien neue Namen auf, wer nun welches Amt bekommt, über eineinhalb Wochen ging das so. Karrieren fuhren Hochschaubahn.
Von allen Menschen im Land war Mathias Strolz am öftesten nicht Bildungsminister. Er sagte schließlich für einen Job ab, der ihm gar nicht angeboten worden war und nominierte einen Nachfolger für sich, ohne der Vorgänger gewesen zu sein.
Muna Duzdar, von 2016 bis 2017 Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, war vor der Nationalratswahl von ihrer Wiener SPÖ an unwählbare Stelle gesetzt worden und wurde erwartungsgemäß nicht gewählt.
Nun war sie für einen Tag plötzlich Justizministerin, am nächsten Tag Staatssekretärin im Innenministerium, am darauffolgenden Tag war sie beide Jobs, die sie nie hatte, wieder los. Im Expertise-Team von Andreas Babler war sie für Medien zuständig, das Ressort übernimmt Babler nun selbst. Und Duzdar zieht als Nachrückerin in den Nationalrat ein.
So ähnlich erging es einigen. Die ÖVP tat sich da leichter. Sie behielt den Großteil ihres Personals, die kennen den Weg schon. Im November hatte ich aus einer Laune heraus eine verrückte Ministerliste erstellt. "Klaudia Tanner bleibt", schrieb ich, "okay, als Verteidigungsministerin ist mir niemand eingefallen". Christian Stocker offenbar auch nicht.

Bei Andreas Babler war das anders. Ihm ist recht viel eingefallen und deshalb geht er aus dem Schneckenrennen zur neuen Regierung als klarer Sieger hervor. Der Grund dafür war eine Mischung aus Eigenleistung und Fehlverhalten des Verhandlungspartners. Ich kenne keine Partei aus den vergangenen Jahrzehnten, die bei einer Regierungsbildung auch nur annähernd so viele strategische Fehler gemacht hat wie die ÖVP.
Sie hat drei Fehlversuche gebraucht, um beim vierten Anlauf gar keine andere Möglichkeit mehr zu haben, als einzuschlagen. Sie wurde von den NEOS am Tisch sitzen gelassen, stand bei der SPÖ selbst auf, ihr Chefverhandler ging ab, die Übriggebliebenen ließen die Gespräche mit der FPÖ gegen die Wand laufen. Im Programm der Regierung findet sich die Volkspartei nun am wenigsten wieder.
Dass sie nun den Kanzler stellt, ist ein Trostpreis. Sie hat den Finanzminister an die SPÖ abgegeben und sich offenbar nicht einmal ein Vetorecht bei der Besetzung einräumen lassen, das wird sich noch bitter rächen. Ein Kanzler ohne Finanzminister von der eigenen Partei, ist wie ein Ringturner ohne Ringe, er springt ständig ins Leere.
Die ÖVP wird das nicht sofort merken, zu Beginn haben neue Regierungen Schmetterlinge im Bauch. Aber nach einiger Zeit wird es ums Geld gehen und da kann der Finanzminister alles ablehnen, was er nicht mag, weil kein Geld da ist. Und plötzlich Geld für Vorhaben finden, die ihm gefallen.

Als das Regierungs-Programm am Donnerstag präsentiert war, hatte Andreas Babler die Pflicht erledigt. Nun folgte die Kür. Die Personaldebatte der Tage davor hatte ohne seine Beteiligung stattgefunden. Ob sein Umfeld Namen wie Sterne in den Himmel warf, um die Betroffenen bewusst verglühen zu lassen, lässt sich nicht belegen.
Am Donnerstag begann der SPÖ-Chef dann ab Mittag zu telefonieren. Er rief Menschen an, die er für einen Job wollte und Menschen, die er für einen Job nicht wollte. Und Menschen, die sagen sollten, ob sie jemand anderen für einen Job empfehlen könnten, das sollte Teilhabe simulieren.
Als die Spitze der SPÖ am Donnerstag schlafen ging, wussten alle über das komplette Personalpaket Bescheid. Babler hatte jedem ein Stück erzählt, der Flurfunk machte das Gesamtbild komplett und es zeigte sich, dass der SPÖ-Chef ziemlich genau das bekommen sollte, was er sich gewünscht hatte. Es ist sein Team, das jetzt antritt.
Sogar Markus Marterbauer als Finanzminister ging durch, bei ihm hätten ÖVP und auch Teile der SPÖ aufgejault, wenn sie vorzeitig von der Besetzung erfahren hätten. Nun war es zu spät, Babler spielte seine beste Karte zuletzt aus.

Das war strategisch gut gemacht. Wie bei einem Chicken Game ließ er alle Fraktionen der Partei aufeinander zurasen, im letzten Moment wurde die Kollision vermieden. Was entstand, sah aus wie Zufall, war es aber nicht.
Selbst der angeblich so mächtigen Wiener SPÖ blieb nur mehr die Entscheidung übrig, einen kleinen Gesichtsverlust in Kauf zu nehmen, um den großen zu vermeiden. Michael Ludwig, der am 27. April eine Wahl zu schlagen hat, fügte sich zähneknirschend.
Das SPÖ-Präsidium trat am Freitag um 9 Uhr zusammen, es wurde die kürzeste Sitzung seit Jahren. Nach einer Stunde war man fertig und musste die Pause bis 11 Uhr mit Smalltalk überbrücken, da war der SPÖ-Vorstand angesetzt.
Im Präsidium kosteten Babler und sein Umfeld den Triumph aus, der Parteichef redete die Hälfte der Zeit und sprach vom "größten Erfolg der Sozialdemokratie in der Geschichte".
Zumindest für ihn persönlich stimmt das. Als es im September auf die Wahl zuging, rätselten einige Journalisten, ob Babler noch am Wahltag abtritt oder erst am Tag danach. Ein halbes Jahr später hat derselbe Babler seine Partei in die Regierung zurückgebracht, wird Vizekanzler, hat sich mit dem Großbereich Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport ein Filetstück gesichert und ist in der SPÖ unabsetzbar.

Im großen Gewinn liegt aber gleichzeitig eine große Gefahr. Babler hat in der eigenen Partei bedeutsam viele Gegner oder sogar Feinde. Die Wiener SPÖ, die ungern verzeiht. Bis auf Kärnten, das zwar keinen Regierungsjob abstaubte, aber trotzdem auf Lei Lei ist, alle Länder.
Und auch die Gewerkschaft, die sich mehr Ämter erhofft hatte und mit der Erbpacht Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz abgespeist wurde. Sogar in der wenig gewerkschaftsaffinen Epoche Faymann waren es drei Ministerjobs.
Babler muss nun Stück für Stück versuchen, seine Leute in relevante Positionen der Partei zu bringen oder er geht unter. Er hat auf einem Feuerstuhl Platz genommen, daraus kann schnell ein Schleudersitz werden. Und zwar "silent rush".
Ich wünsche einen gemütlichen Sonntag. Ich erlebe ihn in einer gewissen Nachdenklichkeit, auch in eigener Sache. Die Welt um uns herum stürzt ein, aber wir debattieren über Lobautunnels. Darüber muss ich nachdenken.
Bis in einer kleinen Weile!