Nach erdrutsch
Anwalt, Sir, aber kann Starmer auch Briten-Premier?
Vom König zum Premierminister bestellt, Einzug in Downing Street, Minister ernannt. In Großbritannien ging es nach der Wahl Schlag auf Schlag. Nun muss Keir Starmer liefern.
Sie gaben sich die Klinke in die Hand. Erst zog der alte Premierminister aus, dann der neue ein, schließlich betraten nach und nach ein paar Personen des öffentlichen Lebens Downing Street No 10 und kamen als Ministerin oder Minister wieder raus. Nach der Wahl am Donnerstag machten die Briten weiter mit dem Erdrutsch. Am Freitagabend saß der neue Premier in seinem Amtssitz und konnte mit der Arbeit beginnen, die Hälfte seines Kabinetts war besetzt. Das müssen Sie über den Tag nach der Wahl in Großbritannien wissen:
Wie trat Rishi Sunak ab?
Der konservative Regierungschef trat zu Mittag vor die Tür von Downing Street No 10 und hielt eine kurze Rede. Seine Ehefrau Akshata Murthy stand am Gehsteig dahinter, einen Regenschirm in der Hand für alle Fälle. Als Sunak fertig war, hielt sie ihm die Hand hin. "Dem Land will ich zunächst sagen: Es tut mir leid", sagte er. "Ich habe alles für diesen Job gegeben. Aber Sie haben ein klares Signal gesendet, dass die Regierung Großbritanniens sich verändern muss. Und Ihre Entscheidung ist die einzige, die zählt. Ich habe Ihren Ärger, Ihre Enttäuschung gehört. Ich übernehme die Verantwortung für diese Niederlage. "
Wie wurde Keir Starmer Premierminister?
Ziemlich flott. Um 12 Uhr ging es zum Buckingham-Palast. König Charles III. erteilte dem Labour-Chef offiziell den Regierungsauftrag. Der Vorgang heißt offiziell "Küssen der Hände", die Hände werden aber nicht geküsst. Vielmehr bat Charles Starmer, eine Regierung zu bilden. Der verbeugte sich laut Zeremoniell und gab Charles dann die Hand. Von diesem historischen Moment wurde wie immer ein Foto geschossen, ab da war Starmer Premier.
Was passierte nach der Ernennung?
Starmer und Ehefrau Victoria sputeten sich in die Downing Street, um 12.38 Uhr trafen sie ein, knuddelten mit ein paar Anhängern und bezogen dann den Amtssitz. Danach hielt der neue Premier vor die Tür seine erste Rede, sie dauerte rund sieben Minuten. Die Sonne schien, bei Sunak hatte es noch getröpfelt.
Er beginne noch heute mit der Arbeit, sagte Starmer. Es gehe darum, das Land zu erneuern, er lade alle ein, sich der Aufgabe anzuschließen. Er werde auch und besonders für diejenigen da sein, die seine Partei nicht gewählt hätten. "Es ist nun Zeit, gemeinsam nach vorne zu gehen." Starmer sprach die Armut im Land an und dass die "Politik zu lange die Augen verschlossen hat". Großbritannien soll in Zukunft "ein besserer Ort für Kinder sein". Vorgänger Rishi Sunak dankte er für seine harte Arbeit.
Hat Starmer sein Team schon fixiert?
Rund die Hälfte der Ministerinnen und Minister wurde bereits am ersten Tag ernannt. Angela Rayner wurde Vize-Premierministerin und bekam das Ressort Wohnen dazu, Rachel Reeves soll sich um die Finanzen des Landes kümmern. Bis 9. Juli muss Starmer sein Kabinett fixiert haben, da ist die Vereidigung.
Was passiert in den nächsten Tagen?
Starmer hat recht schnell die ersten Auftritte auf internationaler Bühne. Am Dienstag feiert die NATO in Washington 75 Jahre Bestehen. Der neue Premier trifft auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Joe Biden. Am 18. Juli lädt Starmer Europas Staatschefs nach Blenheim-Palace ein, dem Geburtsort von Winston Churchill. Dazwischen hält der König am 17. Juli traditionell die Thronrede, der Text, den er vorliest, ist aber von der Regierung geschrieben.
Welche Frage stellen sich viele Briten?
Kann Starmer Premierminister? Er ist erst 10 Jahre in der Spitzenpolitik, in Großbritannien gilt das als relativ kurz. Die Erwartungshaltung ist riesig, die Kassen sind leer, die Versprechungen groß. Das Land ist gespalten und von der Politik nach vielen Skandalen entfremdet. ""Diese Wunde, dieser Mangel an Vertrauen", sagte Starmer in seiner Rede „kann nur durch Taten, nicht durch Worte geheilt werden. Ich weiß das."
Was wurde in Großbritannien gewählt?
Die Mitglieder im Unterhaus. Das britische Parlament besteht aus zwei Kammern, Unterhaus und Oberhaus. Für das Unterhaus wählen die Wahlberechtigten in 650 Wahlkreisen ihre Abgeordneten. Es traten 4.515 Kandidaten an, so viele wie noch nie.
Wie gingen die Wahlen aus?
Anders als in Österreich üblich sind in Großbritannien nicht die Prozentzahlen für die Parteien entscheidend, sondern die Sitze im Unterhaus. Das liegt am Wahlsystem. Wer in den 650 Wahlkreisen die meisten Stimmen erzielt, gewinnt das Mandat ("The winner takes it all"), alle anderen gehen leer aus, ihre Stimmen verfallen. Ein Mandat gilt für fünf Jahre. Bei der Wahl am Donnerstag holte Labour die absolute Mehrheit.
So wählten die Briten 2024
- Labour Party 412 Sitze (+211)
- Conservative Party 121 Sitze (-251)
- Liberal Democrats 71 Sitze (+63)
- Scottish National Party 9 Sitze (-38)
- Sinn Fein 7 (0)
- Democratic Unionist Party 5 Sitze (-3)
- Reform UK 4 Sitze (+4)
- Green Party 4 Sitze (+3)
- Plaid Cymru 4 Sitze (+2)
- Social Democratic and Labour Party 2 Sitze (0)
- Alliance 1 Sitze (0)
- Ulster Unionist Party 1 Sitze (+1)
- Andere 7 Sitze
Wie verteilten sich die Stimmen?
Das spielt relativ wenig Rolle, weil es ja nicht darum geht, möglichst viele Stimmen, sondern möglichst viele Wahlkreise zu erobern, aber für das Gesamtbild ist es interessant.
Das Wahlergebnis 2024 nach Prozenten
- Labour Party 33,8 Prozent (+1,6 %)
- Conservative Party 23,7 Prozent (-19,9 %)
- Liberal Democrats 12,2 Prozent (+0,6 %)
- Reform UK 14,3 Prozent (+12,3 %)
- Scottish National Party 2,4 Prozent (-1,3 %)
- Sinn Fein 0,7 Prozent (+0,1 %)
- Plaid Cymru 0,7 Prozent (+0,2 %)
- Green Party 6,8 Prozent (+4,1%)
Ist das Wahlergebnis nicht reichlich grotesk?
Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Fakt ist, dass Labour im Vergleich zur letzten Wahl nur 1,6 Prozent dazugewann, aber nun 211 Sitze mehr hat – weil eben mehr Wahlkreise gewonnen wurden. Das ist ein Erdrutsch, aber wiederum auch nicht, denn 2019 kam die Arbeiterpartei – die damals einen Absturz erlebte – auf fast 600.000 Stimmen mehr (!) als diesmal. Plakativ ist das auch beim Rechtspopulisten Nigel Farage, der die Briten maßgeblich in den Brexit trieb. Er kam diesmal auf 14,3 Prozent der Stimmen, ein Plus von 12,3 Prozent. Das brachte ihm aber nur 4 Sitze im Unterhaus ein.
Wie war das Ergebnis der letzten Wahl?
Die britischen Unterhauswahlen am 12. Dezember 2019 endeten mit einem Triumph für Boris Johnson. Seine konservativen Tories legten zu, erreichten eine absolute Mehrheit, die Labour Party fuhr unter Jeremy Corbyn das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein.
So wählten die Briten 2019
- Conservative Party 365 Sitze
- Labour Party 202 Sitze
- Liberal Democrats 11 Sitze
- Scottish National Party 48 Sitze
- Green Party 1 Sitze
- Democratic Unionist Party 8 Sitze
- Sinn Féin 7 Sitze
- Plaid 4 Sitze
Was bedeutet dieses Wahlergebnis?
Die Briten bekamen den vierten Premierminister innerhalb von zwei Jahren. Auf Boris Johnson, Liz Trust und Rishi Sunak folgt nun Keir Starmer.
Was bedeutet das Wahlergebnis Starmers Labour-Party?
Vor fünf Jahren wurden die britischen Sozialisten gedemütigt, Boris Johnson holte die absolute Mehrheit, Labour bekam so wenige Sitze wie seit 1935 nicht mehr. Keiner setzte mehr einen Heller auf die Partei. Und nun? An Donnerstag wurde fast das historische Ergebnis von Tony Blair 1997 erreicht. Er holte damals 418 Sitze.
Was bedeutet dieses Wahlergebnis für die konservativen Tories?
Das Ergebnis 1997 ging als "politisches Blutbad" in die Geschichte ein. Die Geschichte wiederholt sich. Vor fünf Jahren schafften die Tories 365 Sitze, nun sind es 250 weniger. So schlimm traf es die Konservativen seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie. Premierminister Rishi Sunak kündigte daraufhin seinen Rückzug als Parteichef an.
Was bedeutet dieses Wahlergebnis für die anderen Parteien?
Für zwei war es ein goldener Donnerstag. Die Liberalen kletterten von 11 Sitzen auf 71 Sitze. Die Überraschung der letzten Wochen aber war auch Nigel Farage. Der Rechtspopulist, der die Briten maßgeblich in den Brexit getrieben hatte, schaffte mit Reform UK zwar nur vier Mandate, aber sein Ziel war, den Tories möglichst viel zu schaden. Das gelang, er kam auf 14,3 Prozent Stimmenanteil. 2019 hatte die Partei unter ihrem alten Namen Brexit-Party nur 2,0 Prozent erreicht.
Warum hat Starmer eigentlich gewonnen?
Er hat Labour in die Mitte geführt. Unter seinem Vorgänger, dem Antisemiten Jeremy Corbyn, war die Partei ins weit linke Lager abgedriftet. Starmer beendete die Sebstzerfleischung, in seinen politischen Festlegungen blieb er vage, um niemanden zu verschrecken. "Ming-Vasen-Strategie", wird seine Art Politik inzwischen genannt. Man gehe so vorsichtig vor, als würde man eine Pozellanvase tragen. Auch das dürfte zum Erfolg beigetragen haben. Und schlicht: Die Briten wollten nach 14 Jahren den Wechsel.
Kommen die Briten nun in die EU zurück?
Nein, obwohl Starmer ein Gegner des Brexit war und auch heute noch überzeugt ist, dass der Austritt ein Fehler war. Auf einer Wahlkampfrede in Southampton aber sagte er: "Wir haben die Entscheidung getroffen, die EU zu verlassen, also werden wir nicht wieder eintreten".
Wer ist der künftige Premier überhaupt?
Die Erzählung erinnert zumindest weit entfernt an SPÖ-Chef Andreas Babler. Bei weitgehend allen Auftritten betont Keir Starmer (61) seine Herkunft: Vater Werkzeugmacher, Mutter Krankenschwester, sie erkrankt schwer. Vier Kinder, klassisches Labour-Umfeld. Keir ist der Älteste, er wird nach dem Partei-Mitbegründer J. Keir Hardie benannt.
Die Familie ist arm. Das Haus in der Grafschaft Surrey südwestlich von London ist baufällig, als das Erdgeschoss mit Wasser überflutet wird, ist kein Geld für die Reparatur da.´
Keir ist ehrgeizig. Obwohl nicht besonders musikalisch begabt, lernt er Blockflöte, Klavier und Geige. Er kann als Erster der Familie studieren (Leeds und Oxford) und gehört auf der Uni zur Herausgeberschaft der linken Zeitschrift "Socialist Alternative".
Er wird Rechtsanwalt, ein Klage von McDonalds macht ihn bekannt. Starmer verteidigt zwei Umweltaktivisten, die den Fastfood-Anbieter in einer Broschüre Tierquälerei vorgeworfen hatten. Der Prozess geht nach 10 (!) Jahren verloren, McDonalds aber ist der heimliche Verlierer und fordert das Geld nie ein. Starmer ist da schon Chef der Staatsanwaltschaft. Er wird 200 bestellt, bleibt 7 Jahre.
2014 steigt er in die Politik ein, am 4. April 2020 löst er den erfolglosen und unter Antisemitimus-Vorwürfen stehenden Jeremy Corbyn als Parteichef ab. Es ist ein ziemlicher Bruch. Starmer ist seit 2014 Sir (als Verdient für sein Engagement als Menschenrechtsanwalt), mit einer Ergotherapeutin Victoria Alexander verheiratet, hat Sohn und Tochter. Sie werden nach dem jüdischen Glauben seiner Frau erzogen.
Wenn die Briten nach der hervorstehendsten Eigenschaft von Starmer gefragt werden, antworten sie: "Er ist ein Langweiler". Sie meines es nicht böse. Der Labour-Chef versprüht kein Charisma, er ist kontrolliert, das war im Wahlkampf zu merken. Nur als er auf Nigel Farage, den Brexit-Populisten, angesprochen wurde, zeigt er Emotionen. "Polit-Theater", nannte er dessen Auftritte, er wolle Premierminister werden, "nicht Zirkusdirektor".
Warum wurde an einem Donnerstag gewählt?
Gute Frage, aber das weiß niemand wirklich. Es ist Tradition und darauf halten die Briten. Es gibt kein Gesetz, dass es so festlegt, aber seit nunmehr 89 Jahren hat keine Unterhauswahl mehr an einem anderen Tag stattgefunden.
Gibt es wenigstens Theorien zum Donnerstag?
Ja, haufenweise. Etwa: Weil der Donnerstag früher der klassische Markttag war und sich für die Landbevölkerung beides kombinieren ließ. Weil andere Tage wegen der Anreise in die Städte und der Heimfahrt flach fielen. Weil man befürchtete, dass am Sonntag die Pfarrer mit ihren Predigten Einfluss auf das Wahlverhalten nehmen. Weil Samstag Pub-Tag ist und man dem Alkohol denselben Einfluss zuschrieb wie den Priestern.
Wie und wo wählte der König?
Gar nicht, das ist auch Tradition. Der König und der engere Kreise der königlichen Familie kandidiert nicht und wählt nicht. Auch das verhindert kein Gesetz, sondern ist einfach so. Man fühlt sich der politischen Neutralität verbunden, tritt am Wahltag nicht öffentlich auf. König Charles brach deshalb eine Schottlandreise am Mittwoch ab.
Wer trat bei der Wahl an?
Eine ziemlich bunte Mischung aus Parteien mit teils bunten Biographien, gegründet etwa wegen des Brexit oder wegen eines Playboy-Artikels. Bis 7. Juni mussten die Wahllisten eingereicht sein.
Diese Parteien sind in Großbritannien relevant
- CON (Conservative Party), oder oft Tories genannt, regiert in Großbritannien seit 2010. Die Partei von Winston Churchill oder Margaret Thatcher verbrauchte in dieser Zeit fünf Parteichefs (Cameron, May, Johnson, Truss, Sunak)
- LAB (Labour Party), also Arbeiterpartei, ist die SPÖ Großbritanniens, zumindest ein bisschen. Bis zum Brexit gehörte sie jedenfalls auf Europaebene der "Progressiven Allianz der Sozialdemokraten" (S&D) an. Labour ist seit 2010 in Opposition (stellte davor ab 1997 für 13 Jahre die Premierminister Blair und Brown). Parteichef ist nun Keir Starmer
- REF (Reform UK), besser bekannt unter ihrem alten Namen (bis 2021) Brexit Party. Die wurde 2019 auf Initiative von Nigel Farage und Richard Tice gegründet. Die Brexit Party ist eine Abspaltung der UKIP (UK Independence Party), die für den Austritt der Briten aus der EU mobilisierte. Bei der Europawahl am 23. Mai 2019 erreichten die Rechtspopulisten 30,5 Prozent, wurden damit Erster, stellten 23 Abgeordnete (die am 31. Jänner 2020 nach dem Brexit alle abdanken mussten)
- LD (Liberal Democrats), Schwesterpartei der NEOS, wenn man so will. Bis zum Brexit war die LD im Europaparlament Mitglied der "Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa" (ALDE). Parteichef ist seit August 2020 Edward Davey, er war in der Regierung von David Cameron Minister für Energie und Klimawandel
- GRN (Green Party of England and Wales) wurden 1972 von Tony Whittaker gegründet, der im Playboy einen Artikel über die Überbevölkerung gelesen hatte. Parteichefs sind die Maschinenbau-Ingenieurin Carla Denyer und der Politologe Adrian Ramsay
- SNP (Scottish National Party) ist eine sozialdemokratische Partei, die für die Unabhängigkeit Schottlands kämpft. Parteichef ist der Manager John Swinney, verheiratet mit einer TV-Reporterin. Er wurde am 6. Mai 2024 Parteivorsitzenden der SNP, einen Tag später First Minister Schottlands (also Premier, obwohl es eigentlich keinen Premier gibt)
- PC (Plaid Cymru), oft nur "Plaid" genannt, ist eine Mitte-links-Partei in Wales, die sich selbst als sozialdemokratisch definiert. Parteichef ist seit Juni 2023 Rhun ap Iorwerth, 51, früher Journalist bei der BBC
- DUP (Democratic Unionist Party) ist eine protestantische Partei in Nordirland. Sie ist gegen Homosexualität, Abtreibungen und Glücksspiel, die sie als Sünde ansieht. Parteichef ist seit 29. März interimistisch der Rechtsanwalt Gavin Robinson. Sein Vorgänger musste nach Vergewaltigungs-Vorwürfen zurücktreten
- SF (Sinn Féin), irisch für "wir selbst", bekämpft die Teilung Irlands und ist vor allem im katholischen Milieu stark verankert. Parteichefin ist seit Februar 2018 die Literaturwissenschaftlerin Mary Lou McDonald.
Warum wurde überhaupt jetzt gewählt?
Das weiß vermutlich nur Premierminister Rishi Sunak wirklich. Eigentlich dauerte die Legislaturperiode bis Jänner 2025. Am 22. Mai allerdings trat der Regierungschef um 18.13 Uhr überraschend aus der Tür von Downing Street 10, fünf Minuten später gab er in strömendem Regen den Wahltermin bekannt. "Jetzt ist für Großbritannien der Moment gekommen, seine Zukunft zu wählen", sagte er. Der Premier redete 7,38 Minuten, er war für die Reporter teilweise schwer zu verstehen. Aus einer Nebengasse war lautstark "Things Can Only Get Better" zu hören, die Labour-Hymne aus 1997.
Welches Motiv könnte Sunak gehabt haben?
Britische Kommentatoren oszillieren zwischen Überraschungsmoment und Panikattacke. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Wahl lagen Sunaks Konservative in den Umfragen hoffnungslos hinten, das hat sich nicht bahnbrechend geändert. Vielleicht spekulierte man mit den besseren Wirtschaftsdaten. Die Inflation ist auf zwei Prozent runter. Eventuell auch mit einer EM-Euphorie. Die (bisher furchtbar spielenden) Briten stehen bei der Europameisterschaft im Viertelfinale und treffen am Samstag um 18 Uhr auf die Schweiz.
Was wird aus Premierminister Rishi Sunak?
Egal ob er in der Politik bleibt oder nicht, man muss sich um ihn keine Sorgen machen. Der 44-jährige, frühere Finanzminister brachte es schon als Banker zu Geld. Zu noch mehr Geld kam er durch die Hochzeit mit Akshata Murthy, Tochter eines der reichsten Männer Indiens, gepolsterter als der britische König. Laut "Sunday Times" beträgt das Vermögen des Paares umgerechnet 764 Millionen Euro. Das liegt vor allem an "Infosys", mitbegründet 1981 von Murthys Vater mit 250 Dollar Startkapital, die Tochter besitzt Anteile an dem IT-Unternehmen.
Murthy und Sunna lernten einander (arrangiert?) an der Stanford University kennen, beide machten dort ihren MBA. Zur Hochzeit 2009 in Indien kamen 1.000 Gäste. Das Paar hat zwei Töchter – Anoushka und Krishna. Praktisch: Akshata Murthy (arbeitete früher für Deloitte und Unilever) hat ihren Wohnsitz im Ausland, spart so bis 2022 Steuern, laut BBC allein 2021 so um die 2,1 Millionen Pfund.
Rishi Sunak (er ist Hindu) hatte schon ein Leben vor der Politik. Der Sohn eines Hausarztes und einer Apothekerin wurde in Southampton geboren. Seine Großeltern stammen aus Punjab und wanderten über Ostafrika nach England ein. Privatschule, Studium in Oxford (Philosophie, Politik und Wirtschaft), dann Analyst bei Goldman Sachs (Spitzname "Goldbub"), Hedgefonds-Manager, mit 29 gründete er eine private Investmentfirma. Dann holte ihn Boris Johnson 2020 als Finanzminister ...