Lokale Kritik

Auf einen Wasserbüffel zum Edel-Chinesen: Es isst, wie es ist

Diesmal haben Die Cuisinière & Der Connaisseur natürlich wieder den Bildungsauftrag von Newsflix erfüllt und 15 Epikureer im südchinesischen "ON" im fünften Wiener Gemeindebezirk gestattet, mit den Besten zu testen. Es wurden alle satt.

Die schaut nur so g'schreckt: <em>Connaisseur</em>&nbsp; Wolfgang Fischer mit <em>Cuisinière</em>&nbsp;Jacqueline Pfeiffer
Die schaut nur so g'schreckt: Connaisseur  Wolfgang Fischer mit Cuisinière Jacqueline Pfeiffer
Helmut Graf
Jacqueline Pfeiffer  und Wolfgang Fischer
Akt. Uhr
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Aus gegebenem – und gutem – Anlass, mussten Die Cuisinière und Der Connaisseur ihre wie stets nicht vorhandenen Pläne auf den Kopf stellen. Genau genommen wegen ihrer Wichtigtuerei anlässlich der Dystokie des Bibendum. Genau genommen natürlich VOR seiner Niederkunft in Salzburg!

Deshalb war eine Lokale Kritik vorzuziehen, um die eigenen prophetischen Gaben und den guten Geschmack unter Beweis zu stellen und einen Stern, der seinen Namen trägt, anzukündigen.

So wurde erstmals die Chronologie der Ereignisse über den Haufen geworfen. "Aber wichtig ist ja, recht zu haben und nicht recht zu behalten", zitiert Der Connaisseur einen seiner großen alten Chefs. "Und wie recht wir hatten!", schwillt die Brust der Cuisinière und gratuliert an dieser Stelle nochmals Roland Huber und seinem "Esslokal" zum verdienten Stern in Hadersdorf am Kamp.

Erneut war also "Testen mit den Besten" angesagt und eine handverlesene, verdienstvolle und mit großer Expertise ausgestattete Gourmet-Gesellschaft zur Partizipation aufgefordert. Diesmal endlich wieder asiatisch, "offensichtlich eine deiner Lieblings-Küchen!?", mutmaßt Die Cuisinière. "Eine unter vielen", korrigiert Der Connaisseur. "Was nicht verborgen bleibt", musste sie natürlich nachsetzen.

Nach gut zehn Monaten und 15 Ausgaben der Lokalen Kritik und längerer Planung war es nach dem Erstversuch "Testen mit den Besten" im September in kleiner Runde beim Böhm so weit. Der Connaisseur konnte seine Idee des exklusiven Formats in Großversion unter die befreundeten Gourmands und Gourmets bringen – die Delegation war 17 Bacchanten schwer und wurde freudig in die Wiener Wehrgasse, ins "ON", gerufen.

Simon'sche Weihnachtseinstimmung
Simon'sche Weihnachtseinstimmung
Privat

Dort, in einer Margaretner Seitengasse, steht das Stammhaus von Simon Xie Hong, dem Arzt aus China, der vor mehr als 30 Jahren aus der chinesischen Millionenstadt Hangzhou nach Wien kam und eben das "ON" eröffnete. Bald schon berühmt für seine traditionelle, etwas andere südchinesische Küche.

Daneben kochte er still im ORF, eröffnete vier weitere Lokale von der "China Bar" bis zum "ON Sud". Seit kurzem konzentriert er sich wieder auf seine Wurzel und damit das Wesentliche, nämlich auf das Stammhaus. Und kombiniert dort moderne China-Küche mit Wiener Seele und Lokalkultur in gemütlicher Beisl-Atmosphäre.

Knusprige Wasserbüffel Ravioli
Knusprige Wasserbüffel Ravioli
Privat

"Wer also Simon will, bekommt ihn in großer Qualität nur mehr hier zwischen Margareten- und Wiedner Hauptstraße!", stellt Die Cuisinière treffsicher fest.

Die GG (wir erinnern uns: Gourmet-Gesellschaft!) traf mit außerordentlichem sittlichen Ernst, "wie es sich anlässlich eines Hochamtes mit der Cuisinière und dem Connaisseur geziemt", wie Der Connaisseur in aller gebotenen Bescheidenheit festhielt, an nämlichem Montag pünktlich um 16 Uhr zum "Testen mit den Besten" ein.

Die Vorbesprechung ließ sich Der Connaisseur, ein langjähriger Besucher der Simon'schen Lokale, nicht nehmen, und führte diese persönlich durch. Die Cuisinière vergönnte ihm seinen Spaß zwecks Wichtigtuerei.

Wasserbüffel-Tartar mit Oliven und 1.000-jährigem Ei
Wasserbüffel-Tartar mit Oliven und 1.000-jährigem Ei
Privat

So kam es dann auch zu dem Plan, dass mehrere Gänge in der Mitte eingestellt werden. "Sharing ist caring!", bewies Der Connaisseur seine polyglotte Bildung. "Es ist einfach die chinesische Art, stets mehrere Gerichte gleichzeitig auf den Tisch zu bringen und alles mit den Mit-Essern zu teilen", hielt Die Cuisinière trocken fest

"So benehmen sich einfach gute Gäste", dozierte sie weiter, "und begeben sich vertrauensvoll in die geschmacklichen Hände der Chefs." Worauf Simon gleich außer Diskussion stellte, dass bei ihm sicher Wasserbüffel (nicht im Ganzen), Ente und Gans (die eher schon, aber ge- und zerteilt) auf den Tisch kommen werden.

Gemeinsame Ingestion am Nachmittag hat Der Connaisseur einmal "Lunner" getauft, eine Mischung aus sehr spätem Lunch und frühem Dinner, erläuterte er - auch jenen, die es nicht wissen wollten. Die Preisfrage, was der Unterschied zum "Dinch" sein könnte, blieb unbeachtet, monierte Der Connaisseur etwas beleidigt.

Gan-Guo Tintenfisch
Gan-Guo Tintenfisch
Privat

"Die hungrigen Mäuler - kein Mittagessen! - wollen gleich eingangs gestopft werden", verdingt sich Die Cuisinière gleich als Mutter der Kompanie. "Und wie bei kleinen Kindern gleich zu Beginn Teigwaren", zeigte sich Der Connaisseur als noch nicht gänzlich versöhnt.

Was knusprige Wasserbüffel-Ravioli (8 Euro) waren, dazu gleich ein Wasserbüffel-Tartar mit Oliven und 1.000-jährigem Ei um (18,50 Euro), der erste Heißhunger war gestillt. "Ausgezeichnet, irrsinnig schön sämig, wunderbar." „Etwas mehr Salz hätte vielleicht gut getan", so der Tenor der GG, von der Cuisinière überbeglaubigt. Was aber dem Griss darum keinen Abbruch tat, Salz war ja vorhanden.

Frühkraut mit Grammeln
Frühkraut mit Grammeln
Privat

Mit einer Ente mit Pflaumensauce (19,60 Euro), allerdings nur auf Vorbestellung, ging es in die nächste Runde. Offenbar war der Appetit noch immer so groß, dass, als die restlichen Zutaten zur Peking-Ente serviert wurden, der Vogel selbst schon fast weg war. Man wusste jetzt nicht, "waren wir unaufmerksam und haben das überhört, oder hätten wir Reiseleiter die Runde besser zur Disziplin rufen" sollen?

"Wer stellt sich ins Winkerl?" – "So ein Fauxpas", denkt Die Cuisinière und sagt: "Das müssen wir wohl noch trainieren." "Learning by doing – also beim nächsten Mal", wirft Der Connaisseur ein, besteht aber auf die Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der honorigen Damen und Herren.

Die GG war eine heitere, grandiose Runde, ganz witzig von der Cuisinière und dem Connaisseur zusammengestellt, sodass nicht nur die Liebe zum guten Essen und Trinken das Verbindende war. Es sei auch eine gute Möglichkeit zum "Wichteln", wie es Der Connaisseur bodenständig nennt.

Wok-Hühnerleber
Wok-Hühnerleber
Privat

"Fremdwörtern bist du ja völlig abhold", lacht Die Cuisinière. Das dürfe man ihm auch nicht nehmen, ergänzt sie mit spitzer Zunge. Der eigentliche Fachausdruck laute "Bürgermeistern", überhört er sie. Mehr wollte er aber dazu nicht sagen.

"Jetzt ist es aber genug mit der Selbstvergewisserung, wir sind ja nicht zum Spaß da", so die strenge Cuisinière. Weiter geht’s mit Wichtigkeiten aus der Küche: herrlich-knusprig "Gan-Guo"-Tintenfisch (19,90 Euro), nebenbei mit einem sensationellen Frühkraut mit Grammeln (8,70 Euro). "Was uns wieder einmal zeigt, wie das – auch vom Wareneinsatz her – genial sein kann", doziert Die Cuisinière.

Berühmt ist Simon auch für seine mürbe Wok-Hühnerleber (10,30 Euro). "Zart und nicht von schlechten Eltern", so Die Cuisinière. "Die Eltern werden wohl Hühner gewesen sein!", meint Der Connaisseur erklären zu müssen …

Wasserbambus mit Räucher-Tofu
Wasserbambus mit Räucher-Tofu
Privat

Vor lauter "Einstellen" (gerne überrascht Die Cuisinière mit ihren Fachausdrücken! Denn niemand wollte jetzt schon irgendwas einstellen!), Essen, Trinken und Verkosten, "bedarf es immer mehr Konzentration, um seriös bei der Sache zu bleiben."

Als nächstes gab es für die nicht vorhandenen Vegetarier einen großartigen Wasserbambus mit Räucher-Tofu aus dem Wok (11,40 Euro). Die Cuisinière, in Eigendefinition "kein begeisterter Tofu-Esser" (sic!), musste eingestehen, dass dieser "wirklich sehr gut war". "Mit dem Gendern hast du es auch nicht, wieso bist du ein Esser?", wollte sich Der Connaisseur feministisch zeigen, eben ein aufgeschlossener moderner, wenn schon alter weißer Mann. Weise nachgerade.

"Das wird sich auf meine alten Tage auch nicht mehr ändern", so Die Cuisinière, "ich war immer Koch, nie Köchin!” "Muss ewig so bleiben?", lautete die woke Widerrede. “Du bist ja ned besser, du sagst Kochlöffel statt Kochlöffelin zu mir …!" Der Connaisseur gibt auf, man muss wissen, wenn man verloren hat. Und hofft irgendwann auf eine Erklärung, wieso sie sich nicht als Köchin sieht.

Rettich-Kimchi
Rettich-Kimchi
Privat

Das Rettich-Kimchi (7,40 Euro) ist nicht des Connaisseurs Sache, den anderen hat es aber sehr gut geschmeckt. Die Garnelen (20,90 Euro) kamen mit Kopf und Kragen, eine Spur zu viel des Guten – zumindest für den Connaisseur.

Sie kennt mittlerweile zwangsläufig seine Ess-Gewohnheiten und -Abneigungen ganz gut, und wusste daher, dass er sich auch hier nicht die Finger schmutzig machen werde. Die Cuisinière, um nicht ihr "Dienstverhältnis infrage zu stellen", erklärte sich mehr oder minder freiwillig dazu bereit, "die Dinger auszulösen". Was ihr seine ewige Dankbarkeit einbrachte!

Garnelen
Garnelen
Privat

"Jetzt hätten wir fast auf die Getränke vergessen", schreckt Der Connaisseur auf. Also, nicht im "ON"  beim "Testen mit den Besten", aber jetzt in der Rückschau. Solide und ordentlich wurde die eine oder andere Flasche Grüner Veltliner (21 Euro) gereicht. Und einmal mehr war eine kurze Selbstversorger-Episode angesagt, einer der Epikureer, eh schon einschlägig bekannt, brachte im Vorfeld (ihm scheint fad auf den Osterinseln gewesen zu sein) die Idee auf, dass jeder einen Rotwein nach seinem Geschmack mitbringen möge.

"Also, trocken war es nicht!", so die kurze Zusammenfassung.

Hausgemachten Gänse-Rotkraut-Teigtaschen
Hausgemachten Gänse-Rotkraut-Teigtaschen
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Und weil Hunger ärger als Heimweh ist, ging es weiter mit hausgemachten Gänse-Rotkraut-Teigtaschen (zehn Stück: 21,90 Euro), Simon züchtet die Gänse selbst auf seinem kleinen, ungarischen Landgut an der Donau. "Davon möchte man jedenfalls mehr haben", so der Kommentar unisono.

Vongole aus dem Wok
Vongole aus dem Wok
Privat

Was fehlt noch? Ach ja, natürlich Muscheln, diesfalls Vongole aus dem Wok (18,60 Euro), kamen aber großteils geschlossen auf den Tisch – verwunderlich. Die Cuisinière, immer das Positive suchend und findend, sagt nur: "Der Sud war suuuuper – mit Zitronengras!".

Adlerfisch-Carpaccio in Quitten-Honig-Limetten-Sauce
Adlerfisch-Carpaccio in Quitten-Honig-Limetten-Sauce
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Auch interessant, dass es danach ein spannendes Adlerfisch-Carpaccio in Quitten-Honig-Limetten-Sauce (14,50 Euro) gab, quasi eine Art Sorbet, wie es früher zur Neutralisierung der Gaumenknospen verwendet wurde, um im Grande Finale den fast weltberühmten "Hirsch on the Road" (22,50 Euro) zu genießen.

Fast weltberühmt: "Hirsch on the Road"
Fast weltberühmt: "Hirsch on the Road"
Privat

Also, so eine Diagonale durch die Speisekarte von Simon zahlt sich echt aus, waren sich alle in der GG völlig einig! Dass das "ON" noch dazu so gar nicht wie eines der verkitschten China-Restaurants aussieht, tut das seinige.

Gelegentlich gibt es auch Ballett-Vorführungen!

Ach so, übrigens haben Die Cuisinière und Der Connaisseur eine eigene Facebook-Seite und zum Newsletter kann man sich hier anmelden!

Kommentare, Wünsche, Beschwerden, Anregungen bitte an [email protected]

Hausgemachtes Datteleis
Hausgemachtes Datteleis
Privat

Die Cuisinière & Der Connaisseur

  • Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich zusammengetan, um über das Essen zu reden. Und nun auch für Newsflix darüber zu schreiben. Es ist, wie es isst!
  • Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand-Master Chef – bis vor kurzem Chef, jüngst She-Chef - genannt. War Kochlöffel in diversen Hauben- und Sterne-Hütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) vier Hauben erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem Pfeiffers GiG selbst kochend fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich oder als Beraterin unterwegs.
  • Der Connaisseur heißt Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weiser alter Mann.
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