Kopfnüsse

Bauchgefühle und eine SPÖ, die sich jeden Tag neu erfindet

Über ein seltsames Treffen an einer Tankstelle, Sondierungsgespräche, die nicht Sondierungsgespräche heißen sollen und einen PR-Berater, der die Sozialdemokratie retten will. Ohne zu wissen, ob sie überhaupt gerettet werden will.

Wos soll ich mochn, wenn ihr immer wollts, dass i so long red'?
Wos soll ich mochn, wenn ihr immer wollts, dass i so long red'?
Helmut Graf
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Diese neue Fröhlichkeit des Bundespräsidenten ist fast ansteckend. Von Gehabe und Mimik her hatte Alexander van der Bellen die vergangenen Jahre über eher den Aszendenten Griesgram, um hier auch Astro-Influencer anzusprechen. Momentan aber bekommt er viel Besuch in der Hofburg, das heitert offenbar auf. Hunde wie First Dog "Juli" mögen gute Wegbegleiter sein, aber im politischen Diskurs sind sie keine große Hilfe, selbst wenn es um die Wurscht geht.

Mit KI-Stimme: Handtücher, Bauchgefühle und eine SPÖ, die sich jeden Tag neu erfindet

Abseits der Präsidentschaftskanzlei werden die Menschen immer seltsamer, das ist zumindest mein subjektiver Eindruck. Ich fahre nicht viel Auto, aber alle heiligen Zeiten einmal muss ich tanken und am vergangenen Wochenende war es wieder soweit. An der Tankstelle war recht viel los, ich stellte den Motor ab und wartete. Dann aber begann der Lenker des Wagens vor mir, den Luftdruck seiner Reifen zu überprüfen und das sehr sorgfältig. Also dachte ich um. Ein Fehler.

Horch, wer kommt von draußen rein? Oder von drinnen?
Horch, wer kommt von draußen rein? Oder von drinnen?
Helmut Graf

Ich fuhr um die Zapfsäule herum, um sie von der anderen Seite her zu nutzen, aber es tat sich Seltsames. Der Beifahrer des Vans hinter mir, sprang aus dem Fahrzeug, rannte zur Zapfsäule und besetzte sie. Das kannte ich bisher nur von Videos aus Urlaubsgebieten. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass er kein Handtuch zur Besitzergreifung und Besitzsicherung mit sich führte. Das Handtuch war er selbst.

Ich verstand erst nicht, was da vor sich ging, aber langsam dämmerte es mir. Ich stieg halb aus dem Auto aus und fragte den Okkupanten, ob mit ihm weitgehend alles in Ordnung sei. Daraus ergab sich ein Dialog auf Augenhöhe, den ich mit fast britischer Zurückhaltung bestritt. Ich empfahl also nicht das Lutschen einschlägiger Körperregionen, sprach keine Ausscheidungsorgane an. Gut, ein paar Tiernamen fielen, aber nicht der Rede wert viele. Ich tankte dann andernorts, da waren die Handtücher zum Glück aus.

An diesen Schwank des Lebens musste ich denken, als der Bundespräsident am Montag das Wort "super" in den Mund nahm. Die nunmehrige Frohnatur meinte damit allerdings keine Tanksorte, sondern bewertete den Lauf der Gespräche mit den Parteispitzen. Nun hat er die erste Runde durch und das Land wartet auf die Bekanntgabe des Erkenntnisgewinns. Und natürlich auf die diesbezügliche Interpretation vor allem von Herbert Kickl.

Auch mit Werner Kogler hatte es der Bundespräsident ziemlich lustig
Auch mit Werner Kogler hatte es der Bundespräsident ziemlich lustig
Helmut Graf

Als Letzte schneiten am Dienstag Beate Meinl-Reisinger und Werner Kogler in die Hofburg hinein. Das Ritual schien schon ziemlich gut eingelernt. Ankunft im Maria-Theresien-Zimmer, kurz warten, möglichst schweigend, Tapetentür auf, Fotos mit der Frohnatur, hinein in den "grünen Salon", dem Arbeitszimmer des Präsidenten, Tapetentür zu. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich davon ausgehen, dass Van der Bellen mit seinem Besuch über eine Hintertreppe abhaut und ins Kino geht. Nach eineinhalb Stunden waren alle jedenfalls retour.

Viel kann im "grünen Salon"  – oder im Kino – nicht besprochen worden sein, denn es herrschte im Anschluss meist eine gewisse Wortkargheit. "Vertrauensvoll" oder "sehr vertrauensvoll" seien die Unterredungen gewesen, war zu hören, alles andere hätte auch überrascht. Also etwa, dass Karl Nehammer den Bundespräsidenten einen verschlagenen, hinterlistigen Kumpanen nennt, bei dem es angeraten sei, nach dem Handschlag die Finger zu zählen. Aber das passierte nicht.

Bundespräsident Alexander van der Bellen besonders fröhlich mit Andreas Babler
Bundespräsident Alexander van der Bellen besonders fröhlich mit Andreas Babler
Helmut Graf

Im Vergleich zum männlichen Mitbewerb erwies sich Meinl-Reisinger geradezu als Plaudertasche. Die NEOS-Vorsitzende erneuerte ihr Angebot, mit ÖVP und SPÖ in Gespräche über eine Koalition einzutreten. So weit sind die Roten und die Türkisen aber noch nicht. Karl Nehammer und Andreas Babler haben in den vergangenen Tagen festgestellt, dass sie sich gar nicht so gut kennen und wollen zunächst einmal diesen Makel aus der Welt schaffen.

Werner Kogler wiederum machte sich gestern zunächst Sorgen um seine Taille. "Bauch einziehen", schärfte er sich selbst ein, als die Fotografen zur Arbeit schritten. Den Bundespräsidenten kann er damit nicht gemeint haben, der ist nur ein halber Kogler. Der ganze Kogler schilderte nach der Unterredung seine Eindrücke, um am Ende draufzukommen, dass er "in längeren Worten" das gesagt hat, "was die anderen in kürzeren Worten gesagt haben". Nämlich nichts. Aber "sehr vertrauensvoll" sei alles gewesen.

Diese Körperbewegung kennt man von den Hollywoodstars aus Cannes
Diese Körperbewegung kennt man von den Hollywoodstars aus Cannes
Helmut Graf

Da hatte sich der Bundespräsident schon eine kurze Auszeit von seinem neuen Frohnatur-Dasein genommen. Auf die Frage, wie die Gespräche bisher laufen, antwortete Van der Bellen nunmehr erfrischend mürrisch: "Sie werden schon rechtzeitig etwas erfahren." Dann lachte er. Über den Satz. Oder über das, was wir rechtzeitig erfahren werden.

Grundsätzlich ist es ja in Österreich so: Es gibt Regierungsverhandlungen. Vor den Regierungsverhandlungen gibt es Koalitionsgespräche. Vor den Koalitionsgesprächen gibt es Sondierungsgespräche. Vor den Sondierungsgesprächen gibt es informelle Gespräche. Vor den informellen Gesprächen gibt es die Beichtstuhlgespräche beim Bundespräsidenten. Da stehen wir momentan. Auch wenn das der aktuellen Grundfröhlichkeit des Bundespräsidenten zuwiderläuft: Übermorgen ist nicht mit einer neuen Regierung zu rechnen. Ich glaube, den Satz verwende ich jetzt öfter.

Wie Herbert Kickl seinen Auftritt bei Bundespräsident van der Bellen fand
Wie Herbert Kickl seinen Auftritt bei Bundespräsident van der Bellen fand
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Die SPÖ ist sich noch nicht sicher, ob sie die Wahl am 29. September gewonnen oder verloren hat. In dieser Phase der Selbstfindung passierten Anfang dieser Woche zwei einschneidende Ereignisse, die für die Sozialdemokraten einschneidend sein können, oder auch nicht.

Ich wähle meine Worte absichtlich mit Bedacht, denn die Partei wurde von der neuen Heiterkeit des Staatsoberhaupts noch nicht ganzheitlich erfasst. Sie liest Satire neuerdings mit dem Ernst von Gouvernanten. Vielleicht trug diese Einstellung mehr zum Ergebnis der Wahl bei, als es viele vermuten, und zwar egal, ob diese Wahl nun gewonnen oder verloren wurde. Ich finde, die SPÖ müsste wieder mehr Spaß verstehen. Und machen.

Nun weiß ich schon, schwere Zeiten, aber die Zeiten waren selten leicht. Ich empfehle einen Blick in die Almanache der letzten Jahrzehnte. Zu gruselig für jede Verklärung.

PR-Berater Rudi Fussi will heute rotsehen, seine Roten taten das schon gestern
PR-Berater Rudi Fussi will heute rotsehen, seine Roten taten das schon gestern
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Am Dienstag traf sich Andreas Babler mit Karl Nehammer zu einem "atmosphärischen Austausch", einer Mischung aus Sondierungsgespräch und informellem Gespräch. Ob beim "atmosphärischen Austausch" die Atmosphäre gepasst hat, weiß man nicht, aber Beate Meinl-Reisinger hat dem Treffen jedenfalls ihren Segen gegeben. "Sollen sie, wunderbar", sagte sie und es klang, als würde sie über zwei Buben reden, deren Schabernack den Graubereich elterlicher Erziehung noch nicht verlassen hat.

Vielleicht ist das aber alles nicht mehr nötig und Nehammer hat mit dem Falschen soupiert. PR-Berater Rudi Fußi will den SPÖ-Vorsitz übernehmen, aber in diesem Unterfangen nicht gegen Babler kandidieren, den er unterstützt hatte, um dann Hans Peter Doskozil zu unterstützen. Fußi hat auf der Webseite www.neuerote.at den Slogan "Neue Rote ... braucht das Land" platziert und einen Countdown gestartet. Er läuft am Mittwoch um 13 Uhr ab. Da gibt Fußi eine Pressekonferenz.

Ich denke, das sollte ich mir anschauen. Ich wünsche einen atmosphärisch angenehmen Mittwoch. Bis in einer kurzen Weile!

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