Wahl-Kopfnüsse, Folge 8

"Bin bereit": Hurra, Hurra, der Bildungsminister ist da!

Noch gibt es kein Wahlergebnis, keine Koalition, kein Programm, aber einen ersten Job-Bewerber. Matthias Strolz will in die Politik zurück und Bildungsminister werden. Pädagogisch wertvoll, aber riskant.

Flügel heben, das kann er selbst auch: Matthias Strolz bei den Dreharbeiten für den Filmspot "Auto gegen Fahrrad" 2021 in Wien
Flügel heben, das kann er selbst auch: Matthias Strolz bei den Dreharbeiten für den Filmspot "Auto gegen Fahrrad" 2021 in Wien
Helmut Graf
Newsflix Kopfnüsse
Uhr
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Hört denn der Regen nie mehr auf? Als ich mich gestern Früh in den aktuellen Wiener Monsun wagte, hatten viele schon das typische Schlechtwettergesicht aufgesetzt, es unterscheidet sich vom Gutwettergesicht nur in Nuancen. Da war der Regen erst ein paar Stunden alt und er folgte auf eine Hitzewelle, die gefühlt etwa zu Christi Geburt begonnen hatte.

Die Wienerinnen und Wiener wollten das schlechte Wetter, das eigentlich das gute Wetter war, so schnell wie möglich wieder weghaben und das gute Wetter zurück, das eigentlich das schlechte Wetter war. Uns zeichnet eine gewisse Wankelmütigkeit aus, was Hochs und Tiefs betrifft. Der Tag, an dem wir keinen Grund mehr zum Raunzen finden, der muss erst erfunden werden und das ist keine Kalenderfrage.

In der Politik stellt sich das ähnlich dar. Wenn man sich mit Menschen unterhält, die aktuell mitlaufen im Hamsterrad, dann klagen die meisten ihr Leid. Zu schnelllebig sei der politische Alltag, zu oberflächlich, der persönliche Spielraum gering, die Tagesfreizeit reiche gerade für ein schnelles Butterbrot zu Mitternacht aus. Aber kaum ist die Droge abgesetzt – die Politik, nicht das Butterbrot – beginnt der kalte Entzug. Mehr Zeit für Butterbrote heißt nicht automatisch mehr Lebensqualität. Nur ein Bruchteil der gewesenen Politiker schafft den Weg zurück, aber wollen täten schon einige.

Auch Gastronom Sepp Schellhorn kehrte für die NEOS in die Politik zurück
Auch Gastronom Sepp Schellhorn kehrte für die NEOS in die Politik zurück
© DK Verlag/Ingo Pertramer

Sepp Schellhorn kehrte zu den NEOS retour, Heinz Christian Strache lädt am 14. September zum "Oktoberfest" auf den Ludwig-Kößler-Platz in Wien-Landstraße. Sebastian Kurz wartet auf die passende Gelegenheit für den Sprung, Christian Kern wird das auch nachgesagt, er dementiert es stets schnell wie die Eisenbahn.

Am Samstag saß Matthias Strolz im Stadtsaal Wien und wurde von Michael Nikbakhsh interviewt. Der frühere Enthüller vom "Profil" betreibt nun einen der erfolgreichsten Podcasts in Österreich, er heißt “Dunkelkammer“, angesichts der vielen Lichtgestalten im Land ein naheliegender Sendungstitel. Nikbakhsh war Gast am Podcastfestival der "Kleinen Zeitung", das traditionell genannt werden darf, denn es fand schon zum zweiten Mal statt.

Für die "Dunkelkammer" hatte sich Nikbakhsh den früheren Chef der NEOS Matthias Strolz angelacht. Das Gespräch ging um 17.45 Uhr los, es dauerte rund 20 Minuten und drehte sich vor allem um Macht. Es war eigentlich schon zu Ende, als Nikbakhsh seinem Gast eine letzte Frage stellte und die befasste sich mit einem möglichen politischen Comeback. Strolz nahm Anlauf, erzählte, dass die älteste Tochter nun "draußen sei" und sich die Reduktion von drei auf zwei Kinder "wie Urlaub" anfühle. "Und in dem Maße steigt meine politische Energie".

Bald ist die Bildung der Kaffee von jemand anderem: Martin Polaschek, der aktuelle Unterrichtsminister
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Die höchstpersönliche Photovoltaikanlage soll aber keine Wärmepumpe speisen, sondern Strolz mit ausreichend Strom für eine Rückkehr in die Politik versorgen. "Wenn die kommende Regierung einen Bildungsminister braucht, dann bin ich interessiert", sagte er. Er sei bereit, dafür "All-in" zu gehen, dafür würde er seine unternehmerischen Freiheiten aufgeben. Er habe eine Vision, "wie es besser geht in diesen Klassenzimmern. Man kann nicht zaubern, aber man kann es definitiv besser machen". Auch das "Flügel heben" war wieder da, "das hatten wir nicht seit Bruno Kreisky". Wenn so etwas möglich sei, dann "bin ich gerne dabei".

Es stellen sich nun einige Fragen, etwa: Gibt es unter einem Bildungsminister Strolz Flügelheb-Unterricht, damit die Kinder beim Quidditch den Schnatz schneller fangen? Gilt das Umarmen von Bäumen als zweite oder dritte lebende Fremdsprache? Werden Lieder von Strolz wie "Life is a Comma" Teil des Musikunterrichts, oder wegen Lärmbelästigung am Pausenhof verboten? Ich finde sehr wohl, dass Schule in Österreich neu gedacht werden muss, ich finde es allerdings reichlich früh dafür, dass einer sagt, er erbarmt sich und macht den Job.

Auch seine Nachfolgerin bringt Strolz in eine pikante Situation. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger führt in TV-Debatten derzeit Klage darüber, dass sich die anderen Parteien keinen Wettkampf um die besten Ideen liefern, sondern sich nur Jobs ausschnapsen wollen. Am wichtigsten wäre ihnen, dass die Vorhänge für die Ministerbüros ausgemessen werden. Aber jetzt ist der Wahlkampf noch nicht fertig, die Wahl noch nicht entschieden, der Auftrag für eine Regierungsbildung noch nicht erteilt. Die Koalitionsverhandlungen haben noch nicht begonnen und sind schon gar nicht abgeschlossen, ein Regierungsprogramm ist in weiter Ferne. Aber wer Bildungsminister werden will, das wissen wir schon. Immerhin.

NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ist eher keine Politikerin der kleinen Gesten
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Damit ich es nicht vergesse, Wahlkampf im Fernsehen gab es natürlich gestern auch, aber vielleicht ist das gar nicht mehr so wichtig. Peter Hajek hat für das "Profil" eine aktuelle Umfrage gemacht, an der Reihenfolge der ersten drei hat sich nichts geändert: FPÖ 28 Prozent, ÖVP 24 Prozent, SPÖ 20 Prozent. Interessanter aber vielleicht: Nur mehr zehn Prozent haben sich noch nicht entschieden. "Das ist sehr wenig", sagt Hajek, "in früheren Zeiten lag das bei 15 bis 20 Prozent."

Von diesen zehn Prozent müssen noch einmal gut zwei Prozentpunkte abgezogen werden, die gehen nicht wählen. Was übrig bleibt, verteilt sich auf mindestens neun Parteien. Bei 6,3 Millionen Wahlberechtigten reden wir von rund einer halben Million Menschen, die im besten Fall noch gewinnbar sind. Um für die führen wir momentan einen ziemlichen Tanz auf. Ich übrigens auch!

Gestern gab es die nächste Runde von "Was braucht Österreich?" und den "Report" zum Thema gleich im Anschluss. Ausnahmsweise am Montag, weil am Dienstag stehen auf dem üblichen Sendeplatz die nächsten Konfrontationen an, Kickl gegen Kogler und Nehammer gegen Meinl-Reisinger. Vielleicht einigen sich die beiden gleich auf einen Bildungsminister. Strolz ginge, zur Not ließe sich das in einem Sideletter paktieren.

Ich wünsche einen gebildeten Dienstag. Heute wieder mit etwas mehr Sonne. Wird uns auch nicht recht sein.

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