Wahl-Kopfnüsse, Folge 15
Bitte macht jetzt keine Instagram-Show daraus!
Die Pegel der Flüsse im Hochwassergebiet sinken, jetzt sollten die Inszenierungs-Pegel nicht nach oben schießen. Die Gefahr besteht. Weniger bei Magnus Brunner, Österreichs neuem EU-Kommissar. Er ist eher der Typ Finanzausgleich.
In der Politik ist es wichtig, die richtigen Sprachbilder zu finden. Deswegen schaffen es Mathematiker selten bis ganz nach oben. Wer Budgets unter Zuhilfenahme der Eulerschen Identität oder der Fibonacci-Folge erklärt, wird nicht leicht zum Liebling der Massen. Wenn man aber in der Lage ist, die Konsequenz von Einnahmen und Ausgaben entlang des Märchens vom Goldesel zu erzählen, fliegen einem die Herzen nur so zu.
Hier spricht wieder meine KI zu Ihnen:
Also stellte sich Bundeskanzler Karl Nehammer am Dienstag vor die Journalisten und versuchte, Magnus Brunner als Goldgriff zu verkaufen. Was budgetär mit Sicherheit gesagt werden kann: Die Goldesel des Finanzministers mögen in den vergangenen Jahren an allerlei gelitten haben, nicht aber an Verstopfung.
Brunner war eben von Ursula von der Leyen, deutsche Präsidentin der EU-Kommission, zum Kommissar für Migration designiert worden. Das überraschte viele, den Betroffenen mutmaßlich am meisten. Zeigen wird Brunner das nicht, er ist beim Gleichmut Magnus.
Der Vorarlberger hat im persönlichen Gespräch eine durchaus gewinnende Art, aber Rampensau ist er keine. Sein Name fällt nicht als erstes, wenn jemand gesucht wird, der den Bierkönig in der Schinkenstraße auf Mallorca auf Betriebs-Temperatur bringen soll. Peter Wackel und Asphalt Anton sind da besser aufgehoben.
Nehammer ist das offenkundig bewusst, er gilt selbst als keine Reinkarnation von DJ Ötzi. Wie also einen Mann für seine Taten loben, der nicht nur von der Herkunft Vorarlberger ist, sondern auch vom Temperament her. Der Kanzler fand die Lösung dafür in einem Wort: "Finanzausgleich". Brunner habe sich dabei bewährt, sagte Nehammer, dass er es bei schwierigen Themen schafft, unterschiedliche Standpunkte zusammenzuführen "und dann tatsächlich einen Beschluss herbeizuführen".
Der Kanzler hätte auch einfach sagen können: "Geiler Typ, eh boa", aber es kam fast auf dasselbe raus.
In Österreich ging am Dienstag zwei Mal die Sonne auf. Einmal im politischen Leben, denn wir bekamen von Europa eine Aufgabe zugewiesen, von der wir noch nicht sicher sind, ob es als Auszeichnung gemeint war oder als Pflanzerei. "Wir sind Kommissar" taugt als Jubelmeldung bedingt, weil ja jedes EU-Land einen Kommissar bekommen hat. Es ist eine Reise nach Rom, die nach Brüssel führt, und bei der jeder einen Fixplatz hat.
Das zweite Mal ging die Sonne im richtigen Leben auf. Endlich kam am Dienstag kaum mehr Regen nach. Das bot Zeit, sich kurz zurückzulehnen, durchzuschnaufen, aber bei Licht betrachtet sah man erst das tatsächliche Ausmaß der Schäden. Wir werden viel Empathie brauchen, um die Seelen trocken zu legen. Und viele, viele Goldesel.
Der Wahlkampf ruht noch immer, erst morgen werden die Turbinen neu gestartet. Auf Servus TV finden sich die Elefanten zu einer weiteren Runde zusammen. Am Freitag werden die ORF-Duelle vom Montag nachgeholt, am Sonntag gibt es auf Puls 4 die nächste Elefantenrunde. Wir müssen nicht darben.
In der Pause könnten Politiker auf die Idee verfallen, sich in der Hochwasserhilfe zu engagieren. Ich halte das für eine bedingt gute Idee. Wer sich im restlichen Leben bei der Feuerwehr, bei der Rettung, bei Hilfsdiensten nützlich macht, soll das unbedingt weiter tun, es wirkt authentisch und glaubwürdig. Alle anderen sollten die Besen im Eck stehen lassen, auch wenn die Mithilfe gut gemeint sein mag. Fahrt hin, sprecht Mut zu, zeigt Mitgefühl, aber tut nicht so, als ob!
Alle bisherigen Wahl-Kopfnüsse
- Folge 1: So wurde ich für den Kanzler zu einer KI
- Folge 2: Bestäubungs-Staberln und ein Wasserträger
- Folge 3: "Natürlich hat er das, ich bin kein Vollidiot"
- Folge 4: Zwischen starker Mitte und Impotenz
- Folge 5: So führt uns der Kanzler in Wien aufs Glatteis
- Folge 6: Die Volkspartei und ihr Tom Cruise von Kagran
- Folge 7: Brandherde, Brandreden und eine Brandmauer
- Folge 8: Hurra, Hurra, der Bildungsminister ist da!
- Folge 9: Halleluja, endlich wird der Wahlkampf göttlich
- Folge 10: Fasst Euch doch an die eigene Nase!
- Folge 11: Und Ihr wollt echt eine Koalition eingehen?
- 11 Folgen in einer Story gesammelt
- Folge 12: Geben Gummistiefel dem Wahlkampf Gummi?
- Folge 13: Das Hochwasser und ich, aber wo ist der Kanzler?
- Folge 14: Wieso ein Alarm in Österreich nicht einfach ein Alarm ist
Es besteht sonst rasch die Gefahr, dass es aufgesetzt wirkt. Am Montag postete die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler Fotos auf Instagram, eines zeigt sie im Katastrophengebiet beim Schleppen von Wasserflaschen. Auf einem anderen Bild versucht sie, Schlamm aus einer Tankstelle zu kehren. Udo Landbauer ging es salopper an. Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter zeigte sich auf Instagram inmitten einer Gruppe von Einsatzkräften, die Hände hatte er in den Taschen seines grünen Parkas vergraben. Vielleicht hat er aber nach Zuckerstücken gekramt, die Retter freuen sich ja über jede Kleinigkeit.
Das tun wir auch, deswegen bekamen wir von Zuckerstück von der Leyen das Zuckerstück Migration zugeworfen. Magnus Brunner soll sich in Hinkunft also um die Zuwanderung nach Europa kümmern, gemeint ist wohl die Nicht-Zuwanderung. Ausgerechnet der studierte Jurist mit Postgraduate-Studium am King’s College London und letztem Job Finanzminister soll das können? Wird man sehen, aber Brunner muss nun jedenfalls auslöffeln, was er sich selbst eingebrockt hat.
Am 14. Mai winkte die EU den "Migrations- und Asylpakt" durch. Dem Beschluss waren jahrelange, zähe Verhandlungen vorangegangen. Am 11. April hatte das EU-Parlament zugestimmt, knapp einen Monat später gaben die 27 Länder grünes Licht. Aber nicht die Regierungschefs und nicht die Innenminister und nicht die Außenminister, sondern die Finanzminister, die sich zufällig gerade in Brüssel trafen. Magnus Brunner unterschrieb also den Pakt, für den er zukünftig zuständig sein wird.
Es wird zähes Brot, denn was Migration betrifft, ist die EU ein Flohzirkus.
Das sind die Kernpunkte im Asylpakt der EU
- Schnellere Verfahren an den Außengrenzen
- Verpflichtende Screenings, Fingerabdrücke, Gesichtsbilder, die zentral gespeichert werden
- Wer aus einem sicheren Land kommt, wird schneller abgeschoben
- Bis zur Entscheidung dürfen Menschen in haftähnlichen Lagern untergebracht werden
- Die EU-Länder können sich in Zukunft entscheiden: Flüchtlinge aufnehmen, oder Geld zahlen ...
- ... 20.000 Euro für jeden abgelehnten Asylbewerber
Das Problem: Die Länder haben zwei Jahre Zeit für die Umsetzung, einige haben schon Widerstand angekündigt. Und: Woher die EU den Optimismus nimmt, Migranten über Europa verteilen zu können, wenn das nicht einmal zwischen Wien und Niederösterreich klappt, ist unklar.
Ich wünsche einen katastrophenfreien Mittwoch. Und einen Goldesel. Bis morgen!