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"Bridgerton": So dramatisch geht es in Staffel 3 weiter
"Grundgütiger, Penelope!" Mit den Folgen 5 bis 8 biegt die dritte Staffel der Erfolgsserie in die Zielgerade ein. Aber vor dem Happy End gibt es noch jede Menge Drama – und Sex! Ab sofort auf Netflix.
"Hochverehrte Leserschaft, wir waren viel zu lange voneinander getrennt …" Mit derart salbungsvollen Worten begann bisher jede Staffel der Netflix-Serie "Bridgerton" – und auch Staffel 3 macht da keine Ausnahme. Neu ist allerdings, dass nun auch Netflix seine Erfolgsserie nicht in einem Schwung veröffentlicht, sondern auf zwei Teile splittet. Und so wurden die Folgen 1-4 der dritten Staffel bereits Anfang Mai online gestellt – und endeten mit einem schönen Cliffhanger. Die Folgen 5-8 folgten nun, exakt einen Monat später. Und beantworten endlich die Frage aller Fragen: Finden Penelope Featherstone und Colin Bridgerton tatsächlich zueinander?
Kurzer Rückblick: Darum geht es in Staffel 3 Ganz nach dem alten Erfolgsmotto "Never Change an Winning System", steht auch in Staffel 3 von "Bridgerton" wieder primär die Partnersuche einer adeligen Debütantin im Mittelpunkt. Dieses Mal ist es Penelope Featherington (Nicola Coughlan), die unter die Haube kommen soll. Die hat sich zwar schon vor zwei Staffeln in ihren platonischen Freund Colin Bridgerton (Luke Newton) verschaut, da der aber am Ende von Staffel zwei keinen Zweifel daran gelassen hat, dass er nicht mehr für die etwas pummelige und deshalb nicht rasend selbstbewusste Penelope empfindet als Freundschaft, und sich danach aus dem Staub auf Europareise gemacht hat, beschließt Penelope, sich auf die Suche nach einem neuen Prince Charming zu machen.
Erfolglose Suche Das läuft allerdings zunächst nicht wie geplant. Doch zum Glück kommt Colin gerade rechtzeitig von seinem Auslandsaufenthalt zurück nach London, um dem sympathischen Dickerchen freundschaftlich unter die Arme zu greifen bei der Partnersuche. Und auch wenn Penelope natürlich weiterhin hoffnungslos verschossen ist in den Schönling – der sich am Kontinent merklich Muskeln antrainiert hat, was auch seinen Brüdern bald auffällt –, nimmt sie das Angebot an und lässt sich von Colin coachen. Das zeigt auch rasch erste Erfolge, die Verehrer werden auf die immer selbstbewusster auftretende junge Dame aufmerksam, und langsam muss sich Colin die Frage stellen, ob er wirklich nur Freundschaft für Penelope empfindet …
Bewährte Mischung Umrahmt wird dieser Handlungsstrang, wie auch bereits bei den vorherigen Staffeln, von allerlei Ränken und Geplänkel in der High Society von London anno 1815, von kleinen Intrigen und mittelgroßen Katastrophen, von Liebeleien und Trennungen. Und durch das Geschehen führt, wie ebenfalls bereits seit der ersten Folge der ersten Staffel, eine geheimnisvolle "Lady Whistledown". Diese erläutert einerseits aus dem Off die Handlung – im Original übrigens gesprochen von der großen, mittlerweile 88-jährigen Dame Julie Andrews – und sorgt andererseits in der Handlung selbst für Gesprächsstoff, indem sie ihre scharfzüngigen Kommentare zu diesem und jenem in der Gesellschaft in einer Art Flugblatt veröffentlicht, das in jeder Folge in der Society verteilt wird.
Wer ist "Lady Whistledown"? Wer sich hinter dem Pseudonym der Lady – das übrigens an den Terminus Whistleblower angelehnt ist, also an Personen, die Geheimnisse weitertragen – verbirgt, ist zwar den Zuschauern bereits seit dem Ende der ersten Staffel bekannt, innerhalb der Handlung sorgt diese geheimnisvolle Person aber weiterhin für Rätselraten und die eine oder andere Volte in der Handung.
Achtung, Spoiler! So geht es in Staffel 3 weiter Wer die Serie noch nicht bis Folge 4 der 3. Staffel gesehen hat, sollte diesen Absatz jetzt überspringen. Für alle anderen Fans hier ein kurzer Überblick, was uns in den restlichen vier Folgen erwartet:
Colins Heiratsantrag und Penelopes Ja schlagen in der Londoner Society ein wie eine Bombe. Und zunächst ist zwischen dem jungen Paar auch alles eitel Wonne – sie sind jung, sie sind verliebt, sie können die Finger nicht voneinander lassen – endlich bietet auch Staffel 3 jenen erotischen "Spice", den viele Fans in den ersten vier Folgen vermisst haben.
Doch ehe die beiden tatsächlich vor den Altar treten können, gilt es noch zahlreiche Probleme zu meistern. Denn Colin weiß noch nicht, dass in Wahrheit Penelope die scharfzüngige Kolumnistin Lady Whistledown ist, die in Staffel 2 seiner Schwester Eloise das Leben schwer gemacht hat. Und Penelope möchte ihr doppeltes Spiel auch nicht aufgeben, zögert aber, Colin ihr kleines Hobby zu beichten. Und auch Königin Charlotte möchte endlich wissen, wer hinter dem Pseudonym der Lady Whistledown steckt und setzt eine riesige Belohnung aus für Hinweise auf die wahre Identität der Gesellschaftskolumnistin …
So gut kommt die dritte Staffel an Die Vorfreude und der mediale Hype im Vorfeld waren riesig, umso größer ist die Befriedigung in der weltweiten "Bridgerton"-Community, dass auch die neueste Staffel hält, was man sich versprochen hat. Für die ersten vier Folgen, die Netflix Anfang Mai veröffentlichte, meldete der Streaming-Gigant 45 Millionen Aufrufe alleine am ersten Wochenende. Damit ist Staffel 3 die bislang erfolgreichste der Serie.
Plus-Size-Protagonistin Extrem positiv aufgenommen wurde und wird, dass mit Penelope Featherington erstmals eine Protagonistin im Zentrum der amourösen Aufmerksamkeit steht, die nicht dem herrschenden Schönheitsideal entspricht, sondern in die Kategorie "Plus Size" fällt. Und die selbstbewusste Irin weiß, was sie ihren Fans schuldig ist – Stichwort Body Positivity. Sie forderte von den Serienmacher sogar extra ein, mehr von ihrem Körper zeigen zu dürfen.
Body Positivity Nicola Coughlan, die Darstellerin der Penelope, hat vor allem Online häufig mit Hatern zu tun, wie sie dem britischen Magazin "Stylist" anvertraute. Ihre Gegenstrategie: mehr von allem. "Es gibt eine Szene, in der ich vor der Kamera völlig nackt bin, und das war meine Idee, meine Wahl", so Nicola Coughlan. "Es fühlte sich bei all den Gesprächen rund um meinen Körper einfach wie das größte 'Fuck you' an. Es war unglaublich kraftvoll", so ihre Erfahrung mit dem Nacktauftritt.
"Bridgerton" entwickelt sich weiter Neben der offen zur Schau gestellten Diversität der Serie ist es vor allem die qualitative Weiterentwicklung der Drehbücher, die bei Fans wie Presse besonders gut ankommt. Weniger beliebt ist hingegen die Tatsache, dass es bislang keinerlei gleichgeschlechtliches Techtelmechtel gegeben hat und alles auf das – allerdings im Jahr 1815 höchst angesagte – heterosexuelle Beziehungsschema hinausläuft. Und wer weiß, es gibt ja noch genügend Bridgerton- und Featherington-Kinder, die unter die Haube müssen, vielleicht findet sich da ja eine passende Gelegenheit zur Ausweitung der Kampfzone …
Das "Bridgerton"-Muster Die im Dezember 2020 gestartete Serie auf Basis der Liebesromane von US-Autorin Julia Quinn folgt bislang in jeder Staffel dem gleichen Muster. Es geht vorwiegend darum, das Zustandekommen einer aristokratischen Liebesbeziehung über diverse Probleme und Schranken hinweg zu begleiten. Alljährlich, am Beginn jeder Staffel, werden der Königin Charlotte die Debütantinnen der Saison vorgeführt, diese erteilt den jungen Damen ihre Segen und danach beginnt das Werben um die besten Partien. Wenn Liebe dazu kommt ist es gut, aber keine Bedingung. Und wer am Ende einer Heiratssaison niemanden abbekommen hat, droht gesellschaftlich durchzurasseln und als alte, verzweifelte Jungfrau zu enden.
Simpel, aber erfolgreich Das inhaltlich relativ einfache, aber höchst teuer und aufwändig umgesetzte Konzept gefiel von Beginn an. "Bridgerton" gehört zu den Top-Serien des Streaming-Giganten, die beiden Staffel liegen derzeit auf den Plätzen 6 (Staffel 2) und 8 (Staffel 1) der ewigen Netflix-Bestenliste. Und alleine der Wirbel in den Medien und auf Social Media rund um Staffel 3 lässt erwarten, dass es in dieser Form weitergehen wird.
Very Special Zu den Besonderheiten der Serie, die "Bridgerton" von anderen, ähnlich gelagerten historischen Romanzen abheben, gehört etwa, dass zahlreiche Rollen mit Schauspielern nicht europäischer Ethnien besetzt sind, was historisch unkorrekt ist, aber dem ganzen einen besonderen, zeitgemäßen Reiz gibt. Es ist ein bisschen "was wäre, wenn …" So sind etwa viele der handelnden Adeligen dunkelhäutig, die Liebesgeschichte der zweiten Staffel fand zwischen dem attraktiven, aber arroganten Viscount Anthony Bridgerton und der Halbinderin Kathani "Kate" Sharma statt und sogar die englische Königin Charlotte wird von einer Schauspielerin dargestellt, deren Wurzeln in Guyana in Südamerika liegen (die historische Königin Charlotte war übrigens Deutsche).
Moderne Musik im alten Gewand Und auch die Musik der Serie ist speziell. So werden etwa immer wieder aktuelle Popsongs in Arrangements für Streichorchester umgewandelt und eingespielt, dann tanzen die feschen jungen Adeligen historische Quadrillen oder Menuette zu einer Streicherversion von Billie Eilish, was teilweise eine sehr interessante Optik ergibt.
"Wie Jane Austen auf BookTok" Für literaturinteressierte Neueinsteiger wirkt "Bridgerton" indes oftmals, als hätte Jane Austen, die als "Erfinderin" der englischen Gesellschaftsromane mit amourösen Aspekten gilt ("Stolz und Vorurteil", "Verstand und Gefühl"), beschlossen, jetzt für die Generation BookTok zu schreiben. Einerseits sind die Beziehungsfäden unter den (sehr zahlreichen) Protagonisten dicht gesponnen, ambivalent und sehr mannigfaltig. Es wird auch großer Wert auf "Story-Twists" gelegt, also auf unvorhersehbare Wendungen in der Handlung, was die Geschichte modern wirken lässt. Und nicht zuletzt sorgen zahlreiche und oft sehr handfeste und explizite Sex-Einlagen für jenen "Spice", der für die BookTok-Community zum Leseerlebnis dazu gehört.
Napoleon wer? Andererseits bleiben die meisten Charaktere relativ oberflächlich und stereotyp, die Motivationen der Personen sind so klar, als wären sie diesen auf die Stirn geschrieben. Und gesellschaftliche oder historische Genauigkeit sind für die Drehbuchautoren (und wohl auch die meisten Zuschauer) vollkommen irrelevant. Dass die Handlung im England der sogenannten "Regency"-Epoche zwischen 1810 und 1820 spielt, liegt vermutlich vor allem an den schönen Kostümen. Denn sämtliche Ereignisse von Bedeutung, die zu jener Zeit stattfanden – etwa die Napoleonischen Kriege, der Wiener Kongress und die Neuordnung Europas, der Beginn der Industrialisierung oder die rasante technologische und wissenschaftliche Weiterentwicklung – spielen für die Handlungen der Protagonisten so gut wie keine Rolle. Es geht eigentlich nur darum, dass die jungen Damen standesgemäß unter die Haube kommen.
"Bridgerton"-Mastermind Dass das alles dennoch – oder gerade deshalb – erstklassig funktioniert und seit mittlerweile vier Jahren für eine regelrechten "Bridgerton"-Hype rund um den Erdball sorgt, liegt zu einem Gutteil an der federführenden US-Produzentin Shonda Rhimes. Die mittlerweile 54-Jährige hat u.a. die Hitserien "Grey's Anatomy", "Scandal", "Private Practise" und "How To Get Away With Murder" verantwortet und gehört zu den erfolgreichsten TV-Macherinnen weltweit. Bei "Bridgerton" hat Rhimes offensichtlich erkannt, dass für das junge Zielpublikum inhaltliche Korrektheit und historische Zusammenhänge weit weniger relevant sind, als etwa eine ausgewogene, politisch korrekte Besetzung und schöne Bilder schöner Menschen in einem schönen Umfeld.
Interessant dabei: Das (vorwiegend junge) Publikum verlangt einerseits "sensitivity", als Feingefühl, wenn es um die Darstellung von Erotik und Sex geht und darum, dass auch Menschen anderer Hautfarbe besetzt werden, historisch korrekt oder nicht. Andererseits fällt der Aspekt der weiblichen Selbstbestimmung in "Bridgerton" nahezu vollkommen unter den Tisch. Dass Frauen, zumal von Adel, einen Mann "abbekommen" müssen, um nicht ins gesellschaftliche Abseits gestellt zu werden, und deshalb von ihren Eltern verschachert werden wie Pferde, wird nicht hinterfragt, weil "das eben so gewesen ist". Eine interessante Ambivalenz. Aber sei's drum, der weltweite Erfolg von "Bridgerton" gibt den Produzenten recht. Und mit der Produktion der vierten Staffel soll bereits in Kürze begonnen werden.
Apropos Sex … Dass es in der Serie immer wieder heiß her geht, ist einer ihrer Erfolgsfaktoren. Umso amüsanter, dass sich Hauptdarstellerin Nicola Coughlan, die ja selbst ordentlich aufs Gas gestiegen ist, was sie Erotik ihrer Figur betrifft (siehe oben), vertraglich zusichern hat lassen, dass sie für ihre strenggläubigen Eltern eine eigens geschnittene DVD-Version der Staffel erhält, bei der die heißesten Szenen des Töchterleins herausgenommen wurden. So geht's auch …
"Bridgerton", Staffel 3, Episoden 5-8, USA, je ca. 60 Minuten, ab sofort auf Netflix