Neue Serie "Bodkin": Wie Ex-Präsident Obama Irland sieht

Wenn Londoner in ein kleines irisches Küstenstädtchen kommen, dann fühlt es sich für sie in etwa so an, wie wenn es Wiener in ein Tiroler Tal verschlägt. Einige finden's toll, pittoresk, unglaublich schön und stimmungsvoll, andere eher weniger. Und Exil-Tiroler, die vor der Enge der Berge in die Großstadt geflüchtet sind, wollen sowieso gleich wieder weg …

Bodkin sehen … So etwa geht es den beiden Damen Dove und Emmy. Die erste ist Investigativjournalistin beim britischen "Guardian", die zweite arbeitet dort im Archiv. Dove, selbst gebürtige Irin, kommt wegen einer Enthüllungsstory in Bedrängnis und wird von ihrem leitenden Redakteur aus der Schusslinie genommen, indem sie den amerikanischen Podcaster Gilbert nach Irland begleiten soll, um ihn zu unterstützen. Aber bereits die ersten Minuten in ihrer alten Heimat sind für sie eine Folter.  Emmy hingegen ist nicht nur begeistert von der Aussicht, das Archiv endlich zu verlassen, sondern auch vom Charme der "grünen Insel". Und Gil? Er ist Amerikaner, findet erstens sowieso alles in Europa toll und ist als Sechzehntel-Ire außerdem seinen irischen Wurzeln auf der Spur.

… und sterben? Gemeinsam reist man also ins (fiktive) Küstenstädtchen Bodkin, das so irisch ist, dass es beinahe schmerzt. Kein Klischee wird hier ausgelassen, von den Feen, die angeblich im Wald leben, über Pferde, die sich in schöne Frauen verwandeln, den Pub mit biertrinkenden Nonnen, bis hin zu einsamen Zechern, die plötzlich aufspringen und ein herzzerreißendes Lied anstimmen. Der Ami und die Archivarin finden's großartig, Dove nur abartig – wenn da nicht dieser Wolf wäre, den scheinbar nur sie sieht … Doch als das Trio am nächsten Tag schließlich beginnt, dem Verschwinden von drei Menschen beim Samhain-Fest vor 21 Jahren, einem keltischen Spektakel, das Vorbild für Halloween ist, auf den Grund zu gehen, werden die Einwohner des Städtchens auf einmal recht schmallippig.

Die erste Serie der Obamas Die neue, siebenteilige Netflix-Serie "Bodkin" ist in gewisser Weise eine Sensation. Insofern nämlich, als es sich um die erste Fiction-Serie aus der Produktionswerkstatt von Barack und Michelle Obama handelt. Der ehemalige US-Präsident und seine Frau (die nach wie vor als Geheimwaffe der Demokraten für den bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf gehandelt wird, sollte eine Kandidatur von Amtsinhaber Joe Biden doch noch in letzter Sekunde unmöglich werden) haben im Jahr 2018 die Produktionsfirma "Higher Ground" gegründet, um Filme, Serien und Podcasts zu produzieren. Dafür wurde auch ein Deal mit Netflix abgeschlossen, "Bodkin" ist nun das erste fiktionale Resultat dieser High-End-Zusammenarbeit.

Nicht Fisch, nicht Fleisch Die Serie selbst tut sich allerdings ein wenig schwer, den hohen Erwartungen gerecht zu werden. Vor allem, da sie nicht so recht zu wissen scheint, was sie eigentlich sein möchte. Einerseits sind Comedy-Elemente darin recht stark vertreten, die teils so skurril wirken, als hätte Austro-Filmemacher David Schalko die Region für eine Serie aufs Korn genommen. Andererseits ist die Crime-Story, derentwegen das Trio überhaupt erst nach Bodkin gekommen ist, düster, ziemlich heftiger Tobak und einer toughen britischen Krimi-Serie durchaus würdig.

Ungleiches Ermittler-Trio Und letztlich werden auch die beiden Hobby-Ermittler Gilbert (Will Forte, ein Tausendsassa im US-TV, bei uns vor allem bekannt aus der Endzeit-Comedyserie "The Last Man On Earth") und Emmy (Robyn Cara, bislang vor allem in Großbritannien bekannt) von den Drehbuchautoren nicht nur souverän ins Bild gesetzt. Einzig die wortkarge und toughe Dove (Siobhán Cullen, die tatsächlich aus Dublin stammt) muss nicht als Zielscheibe für Witzchen herhalten, dafür gibt sie das Medium der Gruppe – immerhin ist sie die einzige echte Irin des Trios, da gehört ein bisschen Hokuspokus schon dazu.

Fazit: "Bodkin" ist kurzweilig, schön gefilmt, die Story ist okay und an der einmaligen irischen Landschaft hat man sich hierzulande wohl noch nicht sattgesehen. Viele der Gags zünden, das Ermittler-Trio ist sympathisch und die autochthone Bevölkerung scheint gut getroffen. Für einen gemütlichen Binge-Nachmittag reicht das jederzeit, der wirklich große Wurf ist die Serie jedoch nicht. Man darf gespannt sein, was die Obamas-Netflix-Kooperation noch so alles zustande bringen wird.

"Bodkin", USA, Irland 2024, 7 Folgen à ca. 45 Minuten, ab sofort auf Netflix