lokale kritik
Der Breslfetzn am Karlsplatz: Es ist, wie es isst!
Die Cuisinière & Der Connaisseur besuchen diesmal "trude & töchter" im "Wien Museum" am Karlsplatz. Warum die Bouteille weniger als sechs Achteln kostet, blieb offen, nicht aber, was "Arrosieren" ist.
"Nach dem Musikverein geht man ins 'Imperial'", sinniert Der Connaisseur über den bevorstehenden Besuch eines Konzertes der Wiener Symphoniker, "gleich über die Straße, wie praktisch." "Weil es dazu gehört am Wiener Parkett", stichelt Die Cuisinière. "OK, Alternativen?" – "Genügend", meint sie und zählt auf: "'trude & töchter', 'Karl & Otto', 'Ludwig & Adele'. Und das ist noch lange nicht alles."
Verwirrt sagt Der Connaisseur, er sei nicht auf der Suche nach Vornamen, sondern nach einem Lokal. Es steht nur eine Taufe an und da weiß er, dass "Vienna" der Name der Wahl sei. "Eh, aber das sind fünf Namen für drei Lokalitäten im Grätzl", versucht Die Cuisinière Licht ins Dunkel zu bringen. Sieht dem Connaisseur die Verwirrung an und zeigt ihm auf Google Maps die drei Lokale im Radius von 100 Metern rund um den Musikverein. "Warum die jetzt alle Vornamen haben …?", sinniert Der Connaisseur und bleibt doch ratlos zurück.
Nach einem ausgezeichneten Konzert der Wiener Symphoniker (nach Meinung des Connaisseurs der derzeit beste Klangkörper Österreichs mit einem unglaublich agilen und innovativen Intendanten) unter deren neuem Chefdirigenten Petr Popelka führt der Weg über die vierspurige Zweier-Linie, die dort noch Karlplatz heißt, auf den Karlplatz.
Die lauen Frühsommer-Temperaturen verlangen auch um 22 Uhr - neben einer warmen Küche - nach einem Gartenplatz. Und der ist im "trude & töchter", eingerahmt vom "Wien Museum", zu dem das erst kürzlich eröffnete Lokal gehört, und der Karlskirche samt Brunnen, großzügig und ansprechend!
"Eine richtige Piazza", schwärmt Der Connaisseur und macht aus seiner Ablehnung des gerade in Wien vielfach grassierenden "sozialen Grün – mit Thujen eingerahmten Schanigärten" kein Hehl. Er sieht das als Widerspruch zur Urbanität, schwärmt von italienischen Plätzen und vergisst fast seine ursprüngliche Bestimmung!
Das Ankommen bei "Trude" gestaltet sich dann etwas langwierig, trotz Reservierung mussten mehrere Stellen involviert werden, bis ein Platz zugewiesen wurde.
Was die Getränke betrifft, blieb es verwirrend. Zumindest hinsichtlich des Weines (das Krügel "Rotes Zwickl" um 5,60 Euro sei positiv erwähnt). Die Weinkarte allerdings zeigt Interessantes jenseits dessen, dass einige der angebotenen Weißweine gerade nicht vorhanden oder auffindbar waren.
Was tatsächlich kaum vorkommt, ist, dass die ganze Bouteille glasweise ausgeschenkt teilweise billiger ist. Aber vielleicht ist das "ein gesundheitspolitischer Auftrag" von Trudes Töchtern: "Bewegung tut gut und Alkohol ist eine Volkskrankheit?!", wird Der Connaisseur nachdenklich, ja fast vermeint Die Cuisinière einen Anflug von Selbsterkenntnis zu verspüren … und versucht die Stimmung vorm Kippen zu bewahren, in dem sie beim Personal den Grund für diese Preisgestaltung zu erfragen versucht.
Die Antwort war zumindest wortreich …
Die Speisekarte bezeichnet Die Cuisinière als "knackig", was als Anerkennung zu verstehen ist, aber es bleibt auch hier verwirrend. Der Abgleich der gedruckten mit der im Internet veröffentlichten Karte wirft schon Fragen auf. Denn manches, was dann auf den Tisch kommt, findet sich in keiner der beiden – betrifft im Übrigen auch die Preise. Was zu Diskussionen führen kann.
Wenn man aber davon absieht und lieber auf den Karlsplatz schaut und das urbane Wien genießt, setzt man einfach andere Prioritäten!
Die Tour d' Horizon durch die Vorspeisen:
"Burratina Paradeiser Physalis", letzter hatte das Aussehen einer Erdbeere, was saisonal in einer Vorspeise nicht wirklich notwendig ist.
"Gegrillter grüner Spargel Paradeiser-Orangen Salsa Brotchip Frischkäse" - "sehr gelungen".
"T&T Beef Tartar Trüffel Eigelbcreme Brioche Toast" – die Geschmacksknospen der lokalen Kritiker waren anscheinend auch schon verwirrt. Statt Trüffel blieb ein Kalter-Cheeseburger-Geschmack, damit wäre auch das dazu servierte Brioche eher passend.
"Rosa Tafelspitz geflammter Lauch Kichererbsen Miso" muss man perfekt nennen.
"Wiener" Waller Ceviche Schafkäse Feldgurken Radieschen" - das Ceviche war nicht in kleine Stückchen sondern in dicke Scheiben (wie ein verunglücktes Carpaccio - hatten wir schon mal beim Tuna-Carpaccio im Ragusa) geschnitten und eher fad.
Dank einer Veranstaltung an jenem Abend gab es ausnahmsweise das ganze Vorspeisen-Potpourri um 35 Euro (einzeln, aber wohl mit größeren Portionen, kostet der Spaß zwischen 13 und 17 Euro).
Anschließend "die Nagelprobe für jedes Lokal", das "Wiener Schnitzel - Schwein" (um 18,90 Euro – ohne Beilage!). Die Größe des Breslfetzn passabel, aber die "schön aufgeblasene Panier" fehle, schockt Der Connaisseur mit seiner Wortwahl Die Cuisinière.
Nach Abklingen ihrer Schnappatmung holt sie kräftig aus: "Dazu müsste das Fleisch vor dem Panieren mit Wasser benetzt werden, heißt soufflieren!", doziert sie, "der dadurch entstehende Dampf bläht dann die Panier beim 'außiboch'n' auf", kommt die gebürtige Lilienfelderin durch. Gerade als Der Connaisseur durch Verwendung des Wortes "Fritteuse" provozieren will, führt sie weiter aus: "… natürlich in der Pfanne mit ausreichend Butterschmalz! Und laufend arrosieren!!!"
"Danke, Grand Master She Chef", zischt Der Connaisseur, "und was heißt 'arrosieren'?" Erbarmungslos antwortet sie: "Wie lange arbeiten wir schon zusammen?" Arrosieren sei "das ständige Übergießen des Bratgutes, diesfalls das Schnitzel, mit dem heißen Butterschmalz" …
Still war Der Connaisseur Christian Nusser und NewsFlix für diese Kopfnüsse dankbar.
Soweit zur Theorie - in der Praxis war das Schwein - also kein echtes Wiener Schnitzel (wusste Der Connaisseur auch ohne Zutun Der Cuisinière) - wenigstens am Rand knusprig, aber mit einer zu dicken, etwas labbrigen Panade versehen. Dazu Bratkartoffeln, mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem - kann man es sagen? – Fritter …
Ihr Gulasch war riesengroß, mit "cremiger" Polenta, und "Rahm" und zwei quer gelegten, gebratenen Karotten – eine nicht gängige Kombi, um höflich zu bleiben. Dem Vernehmen nach soll es gelegentlich auch vegetarisches Erdäpfel-Gulasch gegeben haben. Wer's grundsätzlich mag! Als Angebot auf Bällen würde aber dringend abgeraten.
Das Dessert "Trude's Schokolade" war, abgesehen vom falsch gesetzten Apostroph, perfekt.
Aja, warum das Lokal "Trude" heißt? Es ist, wie es ist und dafür gibt's Links wie diesen.
Kommentare, Wünsche, Beschwerden, Anregungen bitte an Die Cuisinière & Der Connaisseur [email protected]
Die Cuisinière & Der Connaisseur
- Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich gefunden, um über das Essen zu reden. Und nun auch andere daran teilhaben zu lassen. Es ist, wie es isst!
- Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand-Master Chef – bis vor kurzem Chef, jüngst She-Chef – genannt. War Kochlöffel in diversen Hauben- und Sternehütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" vier Hauben (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem PfeiffersGIG fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich unterwegs.
- Der Connaisseur heißt Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weiser alter Mann.