Kopfnüsse
Der neue Plan: So soll die Ömpel-Regierung fixiert werden
Die Ömpel setzt sich ein neues Zieldatum. Nicht am 12. Dezember, sondern frühestens am 16. Dezember soll eine Entscheidung über das Weitertun fallen. Da treffen sich die Parteichefs zur vorfinalen finalen Runde. Alle Untergruppen werden aufgelöst.
Peter P. heißt nicht wirklich Peter P., aber das macht nichts. Er ist an die 30 Jahre alt, wohnt in Wien-Mariahilf allein in einer rund 48 Quadratmeter großen Wohnung, ein Neubau. Peter P. ist vor drei Jahren eingezogen, da wurde in die Debatte über die Energiekosten schon viel Energie gesteckt.
In alten Gemäuern, das wusste er, geht es gern zugig zu. Da kann man den Euros dabei zuschauen, wie sie bei den Fensterritzen hinausgeweht werden. Also Neubau.
Mit KI-Stimme: Der neue Plan für die Ömpel-Koalition
Peter P., der noch immer nicht Peter P. heißt, verdient, was er zum Leben braucht. Aber es weht ihm das Geld nicht bei den Fensterritzen hinein. Eine Steuer für Reiche oder sogar Superreiche, wie sie Andreas Babler gern hätte, würde auf den Informatiker kein strenges Auge werfen. Er gehört auch nicht zu den breiten Schultern, die in Zukunft mehr schultern sollen im Land.
Dieser Tage bekam Peter P. Post von seinem Energieversorger. Die Jahresabrechnung überbrachte eine gute Nachricht und eine weniger gute Nachricht. Die Teilbeträge, das war der erfreuliche Teil, waren für 2024 gut berechnet worden, es ergab sich eine bescheidene Nachzahlung von 18,03 Euro. Stemmbar, auch ohne Erlöse aus Superduper-Reichensteuern.
Im gleichen Schreiben wurden Peter P. aber auch die neuen Teilbeträge fürs kommende Jahr mitgeteilt. Statt wie bisher 95 Euro, zahlt er fortan alle zwei Monate 175 Euro für Heizung, Wasser warm und kalt. Wer nicht zu lange dem Zug aus Fensterritzen ausgesetzt war, erkennt recht flott, dass 2025 für Peter P. teurer wird als 2024. Er verdoppelt sich fast.
Peter P. hat in seiner 48 Quadratmeter-Wohnung in den vergangenen Monaten keine Marihuana-Farm hochgezogen. Er duscht nun auch nicht vier Stunden am Tag. Für ihn gab es ein Weiter wie bisher. Das kostet ihn 2025 halt 480 Euro im Jahr mehr.
In den Medien war zuletzt über steigende Energiepreise zu lesen. Jetzt werden die Texte in die Alltags-Realität übertragen. Die Buchstaben beginnen zu laufen. Peter P. dürfte nicht der Einzige sein, der jetzt durch den Feuerreifen springt.
Die Betroffenen und all die anderen hören momentan viel über die möglichen Pläne der möglichen neuen Regierung. Sie will Energiekonzerne zur Kasse bitten, Gewinne abschöpfen, um das marode Budget zu sanieren. Peter P. aber fragt sich: Wer schöpft mir was ab, damit ich mir weiter Heizung und Warmwasser leisten kann?
So leben der Alltag der Menschen und die Verhandlungen über eine neue Regierung derzeit nebeneinander her. Wie Nachbarn, die sich am Gang freundlich grüßen, nicht mehr. Viele nehmen das Geschehen zwischen Parlament und Palais Epstein als sehr abstrakten Vorgang wahr. Sie versuchen herauszulesen, wie die geplanten Vorhaben ihr Leben verändern könnten, werden aber nicht so recht schlau aus dem, was sie erfahren.
Die drei Verhandlungs-Partner tun erstaunlich wenig, um Unklarheiten zu beseitigen, Richtung zu vermitteln, Halt zu geben. Sie schaffen keine gemeinsame Kommunikation, nicht einmal ein Mindestmaß davon. Es stellen sich nicht alle drei zumindest einmal in der Woche hin und geben einen Überblick über das Gewesene und einen Ausblick auf das Kommende.
Die Bevölkerung erlebt das Entstehen des neuen politischen Gebildes als einen Ablauf von Sitzungen, die immer wieder von Krisensitzungen unterbrochen werden und die Krisensitzungen von neuen Krisensitzungen. Das künftige Regierungsprogramm wird für sie nicht visioniert, sondern herbeigesessen.
Die Welt wohnte in dieser Woche der Verwirklichung zweier aktueller Visionen bei. In Paris feierte Notre-Dame Auferstehung, Karl Nehammer traf erstmals auf seinen neuen Spezi Donald Trump. Der österreichische Kanzler und der künftige US-Präsident hatten vor wenigen Tagen in einem Telefonat die Welt neu geordnet.
In Wien standen die Leute auf, um sich die neue U2 anzuschauen, die ausschaut wie die alte U2, nun aber zweitürig ist. Jeder Waggon hat Zugtüren, dazu gibt es in einigen Stationen Bahnsteigtüren, durch beide muss man durch. Nicht alle funktionierten auf Anhieb, aber das war sogar ein Vorteil.
Es ist jetzt ein bisschen so wie in den alten Folgen von "Kottan ermittelt". Da riss der Schrammel die Tür auf und stürmte aus dem Raum, um kurz danach mit einer lädierten Nase zurückzukehren. "Is a Doppeltür", sagte Franz Buchrieser und Österreich lachte über den Tollpatsch. Weil der Gag ankam, wurde er mehrfach wiederholt.
Die Wiener U-Bahn wird auf das fahrerlose Fahren vorbereitet. Deshalb gibt es jetzt auch hier Doppeltüren. Die gehen aber nicht gleichzeitig auf. Wer es also eilig hat, schafft es gut durch die Waggontür, prallt dann aber eventuell gegen die Glasscheibe der Bahnsteigtür. Wie der Schrammel.
"Is a Doppeltür", werden die Leute ab Montag vielleicht in den Waggons rufen und das wird Wien wieder zur "lebenswertesten Stadt der Welt" machen. Der Titel ging zuletzt verloren. Aber in Zürich, der nunmehrigen Nummer 1, haben die Leute, meiner Erinnerung nach, einen anderen Humor, nämlich oft gar keinen.
Auch bei den Koalitionsverhandlungen hatte der Spaß diese Woche ein Loch, wie die Bayern sagen. Am Dienstag drohte die SPÖ mit dem Abbruch der Gespräche. Sie zog ihre Verhandler ab, Termine in den Untergruppen für Dienstag und Mittwoch platzten. Die "Verhandlungspause", von der zwei Tage später nicht mehr die Rede sein sollte, gab es tatsächlich.
Man wolle endlich echte Budgetzahlen sehen, forderten die Roten zehn Wochen nach der Wahl. In Österreich bedeutet, jeden Euro umzudrehen, offenbar wirklich, dass man jeden Euro umdreht. So etwas kann dauern. Und die Erfahrung lehrt: Mit der Zeit schwindet der Erkenntnisgewinn.
Die anderen beiden Verhandlungspartner sprachen intern von "Show". Der Kanzler lud trotzdem am Mittwoch ab 16.30 Uhr zu einem Wirtschaftsgipfel, um SPÖ, NEOS – oder sich selbst – den Ernst der Lage vor Augen zu führen. Und so kam es auch.
Jeweils drei Personen pro Partei nahmen teil, für die SPÖ Andreas Babler, Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder und ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth. Für die ÖVP Karl Nehammer, Kanzleramts-Kabinettschef Andreas Achatz und ein weiterer Kabinettsmitarbeiter. Für die NEOS Beate Meinl-Reisinger, Klubdirektor Armin Hübner und Nationalrat Sepp Schellhorn. Die Bühne, die es nicht gab, gehörte aber anderen.
Hintereinander redeten die drei "Wirtschafts-Waisen" des Landes Klartext, sie wirkten gut vorbereitet und abgestimmt. Fiskalratschef Christoph Badelt sprach zu Budget und Verschuldung, Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO), widmete sich dem Thema "Standort", Holger Bonin, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), dem "Arbeitsmarkt". Es wurden Wirkungstreffer erzielt, vor allem bei den Sozialdemokraten.
Der Kanzler und die Parteichefs von SPÖ und NEOS zogen sich danach ins Kreiskyzimmer zurück und sprachen sich bis spät in den Abend hinein aus. Dann war die Krise ausgeräumt, zumindest fürs erste.
Das galt es nun der Bevölkerung nahe zu bringen. Also Erfolge in den Verhandlungs-Teams zu verkaufen. Solche, die es gab, und solche, von denen die Verhandlungs-Teams noch gar nichts wussten.
Am Donnerstag publizierte der Kanzler ein Social-Media-Video. "Hast du dir schon die Frage gestellt, warum das jetzt alles so lange dauert, bis eine neue Regierung da ist und warum wir so lange brauchen, um zu verhandeln?", redete er die 9,1 Millionen Menschen im Land eher kumpelhaft an. Der Einfachheit halber beantwortete er sich die Frage gleich selbst. "Große Themen", "ganz viele Details", "dafür braucht es jetzt die Zeit". Wir ahnten das schon.
Am Freitag "enthüllte" die "Krone" in einer Titelseiten-Geschichte die "geheimen Pläne" der Koalition. Es sollte das Bild von Verhandlungs-Mannschaften gezeichnet werden, die bei Themen wie Steuern, Asyl, Verkehr, Gesundheit, Bildung und Verteidigung schon substanzielle Durchbrüche geschafft hätten. In einer Chefrunde am 12. Dezember könnte die erste Portion weißer Rauch abgelassen werden.
Das Bild hat einen Haken. Es hakt noch.
Tatsächlich ist es so, dass die meisten Untergruppen recht gut weiterkommen. Sie haben sich auf bestimmte Vorhaben geeinigt oder sich darauf verständigt, dass sie sich bei bestimmten Vorhaben eben nicht einigen werden. Da muss die nächsthöhere Instanz ran.
Aber es gibt Ausreißer: Im Cluster "Wirtschaft und Infrastruktur" geht es weiter wild zu. Erstaunlich ist auch, dass die Untergruppe "Entlastung" in Cluster zwei erst am Freitag dieser Woche zum ersten Mal überhaupt zusammentrat. 20 Tage nach der Verkündigung, dass Regierungs-Verhandlungen aufgenommen werden.
Die SPÖ rieb sich zunächst an der Bezeichnung der Untergruppe. Sie sieht "Entlastung" als einen ideologischen Kampfbegriff an. Am Dienstag sollten dann trotzdem Gespräche aufgenommen werden. Weil die Sozialdemokraten sich aber just da eine "Verhandlungspause" verordnet hatten, musste der Termin auf Freitag verschoben werden.
Daran allein liegt es nicht, dass der 12. Dezember nicht halten wird. Der Termin hat eine erstaunliche Biographie hinter sich. Am 20. November habe ich in einer Kopfnuss berichtet, dass alle Untergruppen gebeten worden waren, bis zum 12. Dezember einen Bericht über den Stand der Verhandlungen abzuliefern.
Die Parteichefs hätten den Termin gern diskret gehalten und machten ihn dadurch erst richtig groß. Zum Lostag, an dem über das Schicksal der Ömpel gerichtet werde. Weil plötzlich alle über den Lostag berichteten, glaubten auch die Verhandler, teils bis zur Spitze hinauf, dass es sich um einen Lostag handelt. Er ist aber keiner. Keiner mehr.
Nach aktuellem Stand wird am 12. Dezember nämlich genau nichts passieren, aber das ist noch nicht einmal allen Mitgliedern der Steuerungsgruppe bewusst. Sie haben sich den Donnerstag freigeschaufelt, um an einer Sitzung teilzunehmen, die mutmaßlich gar nicht stattfinden wird.
Am 12. Dezember kann es schon deshalb keinen kompletten Überblick geben, weil am Tag danach noch drei Untergruppen Sitzungstermine haben. Es ging sich nicht anders aus.
Der genaue Ablauf für die nächsten Tage wird an diesem Wochenende fixiert, aber die momentanen Pläne schauen so aus: Bis Dienstag wird ein Großteil der Clustergruppen tatsächlich ihre Berichte abliefern. Am Mittwoch ist Plenartag im Parlament, da ruht die Arbeit an der neuen Regierung.
Am Donnerstag, den 12. Dezember, sollte eigentlich eine Chefgruppe zusammentreten, entweder die Steuerungsgruppe oder die Parteichefs, begleitet von jeweils einer Person. Dachten zumindest alle.
Tatsächlich werden bis Freitag, der diesmal Freitag, der 13. ist, alle "Papierln" eingesammelt. Am darauffolgenden Wochenende wird daraus ein "Masterdokument" erstellt und erst am Montag, den 16. Dezember, vielleicht sogar noch einen Tag später, trifft sich dann die Chefpartie und entscheidet, was weiter passiert. Ein Lostag, endlich wieder einer.
Die Untergruppen spielen da keine Rolle mehr. Nach aktuellem Stand endet ihre Aufgabe mit Freitag, dem 13. Für die Zeit danach sind keine Sitzungen mehr vorgesehen. Auch das wissen die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch nicht. Ob die Cluster-Leitungen bestehen bleiben, ist noch nicht entschieden.
Was auch unklar ist: Ob wir früher einen Weihnachtsbaum haben oder eher jemand bei den Regierungsverhandlungen einen Baum aufstellt.
Ich wünsche einen kerzlichen zweiten Advent-Sonntag. Bis in einer kleinen Weile!