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Die 12 Apostel und ihre Suche nach dem Weihnachts-Wunder

Himmel hilf! In verkleinerter Runde versuchen ÖVP, SPÖ und NEOS, über die Feiertage doch noch eine Regierung zustande zu bringen. Die Chancen stehen 50:50, es könnte aber auch halbe-halbe sein. Das liegt an den Leuchttürmen, die keine Leuchttürme sind.

Kommt wirklich alles Gute von oben? Am Dienstag zeigten sich die Parteichefs jedenfalls wieder einmal leibhaftig
Kommt wirklich alles Gute von oben? Am Dienstag zeigten sich die Parteichefs jedenfalls wieder einmal leibhaftig
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In der Vorweihnachtszeit werden wir mit vielen Dialogen beschenkt, einige davon sind pures Gold. Am Samstag war ich in Wien in einer kleinen Fleischerei, die Menschen standen bis auf die Straße hinaus an. Als ich in die Nähe einer Bestellung kam, bemerkte ich eine ältere Dame neben mir und hörte dank ihr ein seltenes Wort nach Jahren endlich einmal wieder: "Gnädige Frau".

Mit KI-Stimme: Die zwölf Apostel und ihre Suche nach dem Weihnachts-Wunder

Eine Verkäuferin fragte die "gnädige Frau" was sie für sie tun könne. "Ein Filet, bitte", antwortete die gnädige Frau. Die Verkäuferin musterte die Kundin kurz und sagte dann: "Danke, gnädige Frau, aber welches Tier?"

Ich werde zu Lebtag nicht mehr erfahren, welches Tier aus freiwilligen Stücken ein Stück Filet hergab, denn dann kam ich an die Reihe. Aber später hörte ich, dass die gnädige Frau auch eine Vorbestellung für Montag aufgab, dem eigentlichen Höhepunkt der vorweihnachtlichen Schlacht ums warme Buffet. Der Samstag war nur das Amuse-Gueule.

Ich möchte auch einmal nach oben schauen so wie der Karl immer
Ich möchte auch einmal nach oben schauen so wie der Karl immer
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Die gnädige Frau dürfte es grundsätzlich im Leben etwas gnädig haben, denn sie fragte, ob sie sich am Montag beim Abholen erneut anstellen müsse. "Leider ja", antwortete die Verkäuferin, die zwar kein Eselsfleisch verkauft, aber dieser Tage eine Eselsgeduld haben muss. "Wir haben nämlich für Montag 500 Vorbestellungen".

Ich weiß jetzt nicht, ob im Hinterland der kleinen Fleischhauerei ein Kühlhaus in der Größe von Grönland angebaut ist, aber 500 Vorbestellungen? Die Furcht, am Heiligen Abend hungrig zu Bett gehen zu müssen, scheint zumindest für Teile Wiens gebannt. Jetzt müssen am Montag nur mehr die Verkäuferinnen zwischen den Fleischbergen gefunden werden.

Sind Sie nicht der Teufelsreporter, der schon den Bundespräsidenten von der Seite her angeredet hat?
Sind Sie nicht der Teufelsreporter, der schon den Bundespräsidenten von der Seite her angeredet hat?
Helmut Graf

Ich erfuhr in dieser Woche, was es heißt, wenn Verhandlungen feststecken. Am Dienstag rang sich das Triumvirat der potenziellen Ömpel dazu durch, wieder einmal leibhaftig zu erscheinen. Auch Politiker sind einer gewissen Vergänglichkeit unterworfen. Wenn man nicht aufpasst, vergessen die Leute schnell, wen sie am 29. September gewählt haben. Manchmal denke ich mir jetzt, vielleicht wäre das auch besser so.

Es gab zuletzt – nicht allein von mir – etwas Kritik an dem Umstand, dass die Verhandler kommunizieren wie Schweigemönche. Also nicht. Sie behalten lieber bei sich, worüber sie sich unterhalten. Das ist schade, denn auch wir wüssten gern, womit wir es in den nächsten Jahren zu tun haben werden.

In der Hoffnung, darüber etwas zu erfahren, spazierte ich am Dienstag zum Palais Epstein. Das Gebäude verfügt über einen Haupteingang und einen Nebeneingang, wer jetzt was ist, wird zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich definiert. Manchmal betritt der Kanzler das Haus über den Dr. Karl Renner-Ring, der dann der Haupteingang wäre, manchmal über den Schmerlingplatz, dann wäre der Haupteingang vom letzten Mal der Nebeneingang.

Hallo, der D-Wagen ist aber heute spät dran!
Hallo, der D-Wagen ist aber heute spät dran!
Helmut Graf

Das wäre an sich wurscht, aber die fehlende Klarheit führte dazu, dass ich am Dienstag steckenblieb. Ich konnte nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Wie die SPÖ bei den Vermögenssteuern.

Da der Haupteingang, der auch der Nebeneingang sein könnte, vom Palais Epstein verschlossen war, ging ich zum Nebeneingang, der manchmal auch der Haupteingang ist. Dort kam mir ein Security entgegen, ließ mich freundlich ins Gebäude und ging davon. Ich legte das falsch aus. Plötzlich stand ich im Foyer vor einer Tür, die nicht aufging, die Tür ins Freie allerdings auch nicht mehr.

Es gab eine Gegensprechanlage, die mich mit der richtigen Security verband. Von dort bekam ich die Empfehlung, das Epstein über den Haupteingang zu betreten. Ich ersparte dem guten Mann die Debatte über die wechselnde Bedeutung von Haupteingängen und Nebeneingängen, drückte die Eingangstür mit gröberer Gewalt auf und versuchte es erfolgreich von vorne. Es könnte auch hinten gewesen sein.

Damit wäre das Spannendste des Tages auserzählt. Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger erschienen zwar tatsächlich, aber sie hatten nicht viel zu sagen. Im Innenhof des Epstein waren einige Kameras aufgebaut, die meisten dürften irgendwann während des Vortrags in den Dämmerschlaf verfallen sein.

Ist das jetzt der Haupteingang vom Palais Epstein oder der Nebeneingang?
Ist das jetzt der Haupteingang vom Palais Epstein oder der Nebeneingang?
Helmut Graf

Erst bedankte sich der Kanzler bei den Untergruppen, dann bedankte sich der SPÖ-Chef bei den Untergruppen, schließlich bedankte sich die NEOS-Chefin bei den Untergruppen. Nehammer fand die Untergruppen sogar "überraschend gut gelungen", ich fand überraschend, dass ihn das überrascht. Es fielen die Worte "intensiv" und "konstruktiv", der "kleinste gemeinsame Nenner" durfte wieder nicht herauskommen.

Konkreter wurde es nicht, aber immerhin verriet Beate Meinl-Reisinger, dass es "keine neue Regierung unterm Christbaum geben" werde. Jetzt einmal abgesehen davon, dass es dort auch mit dem Platz eng werden würde: Für diese Nachricht hätte ich mich nicht einsperren lassen müssen. Weder beim Haupt- noch beim Nebeneingang.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich fand es gut, dass es endlich wieder einmal einen gemeinsamen Termin gab. Aber ich denke, eine Spur Inhalt hätte niemanden überfordert. Um es weihnachtlich zu sagen: die Filetstücke fehlten.

Am Ende waren sogar Fragen erlaubt, aber nachdem zwei gestellt worden waren, wurde abgebrochen und die Triathleten gingen hurtig von der Bühne ab. Ein Reporter hatte sich erkundigt, ob die SPÖ wirklich auf den Posten des Finanzministers beharre. So in die Tiefe wollten die Parteichefs auch wieder nicht gehen.

Einmal so lückenlos grantig dreischauen wie der Christian Stocker, das wäre ein Traum
Einmal so lückenlos grantig dreischauen wie der Christian Stocker, das wäre ein Traum
Helmut Graf

Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen darüber, was in dieser Woche sonst noch bei den Verhandlungen passiert ist. Einige fanden das Klima "sehr aufgeheizt", andere "sachlich ruhig". Was weniger an die Öffentlichkeit drang: Im Innenleben der Gesprächsrunden hat sich Grundlegendes verändert.

Zu Beginn der Regierungs-Verhandlungen war eine "Steuerungsgruppe" installiert worden. Die oberste Ebene sollte die heiklen Fragen debattieren und entscheiden, aber das Gremium stellte sich bald als zu träge heraus. Es bestand aus 19 Personen, sieben von der ÖVP, je sechs von SPÖ und NEOS. Hätten sich da alle immer zu Wort gemeldet, wäre es nicht nur unter dem Christbaum mit der Regierung nichts geworden, sondern auch nicht unter dem Osterstrauß.

Also wurde gekürzt und die 12 Apostel entstanden. Aus der "Steuerungsgruppe" wurde die "Budgetgruppe". Sie besteht seit Dienstag nur mehr aus den drei Parteichefs, den drei Klubobleuten und den drei Generalsekretären (bzw. für die SPÖ der Bundesgeschäftsführerin). Dazu den zwei Sozialpartnern Harald Mahrer und Wolfgang Katzian. Weil die NEOS streng genommen keine Sozialpartner haben, kam Christoph Wiederkehr an Bord.

Man nennt Andreas Babler nicht zu Unrecht den Fred Astaire von Traiskirchen
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Der Aderlass war beträchtlich. Doris Bures von der mächtigen Wiener SPÖ ist nicht mehr dabei, ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler fehlt, ebenso Staatssekretärin Claudia Plakolm. Bei den NEOS schied Claudia Gamon aus.

In kleinerer Runde debattiert es sich leichter und deshalb wurde die kleine Runde noch einmal zerteilt. Als sich die Koalitionsverhandler am Freitag trafen, gab es eine "Budgetgruppe" und eine "Leuchtturmgruppe" und die einzelnen "Fraktionsgruppen". Es handelte sich immer um denselben Personenkreis, aber man traf sich in unterschiedlichen Räumen im Epstein in unterschiedlichen Konstellationen.

Am Dienstag hatte es zunächst ein bisschen gekracht, aber das Ende fiel versöhnlich aus. Am Mittwoch gab es ein bisschen Parlament, deshalb wurde in bilateralen Runden verhandelt, ebenso am Donnerstag, da war der Kanzler in Brüssel. Blieb der Freitag für den Showdown, es gab bei derartigen Veranstaltungen am Ende schon größere Feuerwerke.

Leutln, tummelts Euch, jetzt fängt gleich die ZiB 2 an und ich seh' mich halt am liebsten selbst
Leutln, tummelts Euch, jetzt fängt gleich die ZiB 2 an und ich seh' mich halt am liebsten selbst
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Neun Stunden Verhandlung, dann stand fest, dass dem Land sieben Jahre Zeit gegeben wird, budgetär wieder auf die Beine zu kommen, und nicht vier Jahre. Diese Entscheidung hätte man auch in ein paar Minuten treffen können, selbst wenn sich einige beim Handheben Zeit lassen. Ob Österreich sich unter EU-Aufsicht saniert, ist unklar. Wer bei den drei Parteien nachfragt, bekommt vier verschiedene Antworten.

Auch der Beschluss fiel, für die Jahre 2025 und 2026 ein Doppelbudget zu beschließen. Wohlgemerkt, wie dieses Doppelbudget ausgestaltet sein soll, steht noch in den Sternen. Einigkeit wurde lediglich darüber erzielt, dass es ein Doppelbudget geben soll.

Und jetzt? Wird einfach weitergemacht. Am Freitag traten die drei Parteichefs so gegen 21 Uhr getrennt voneinander vor die TV-Kameras und verkündeten das in ein paar dürre Sätzen, die alles heißen konnten oder nichts. Nur der Slogan "Comeback für Österreich" blieb hängen, der Kanzler ließ ihn fallen. Er könnte am Titelblatt des Regierungsprogramms stehen.

Diese "Doorsteps" passieren nicht aus einem reinen Zufall heraus, sondern sind Teil der Choreographie. Die drei Parteien machen sich aus, wer wann bei der Tür hinausgeht. Wie bei der Hahnenkammabfahrt werden Nehammer, Babler und Meinl-Reisinger vom Start abgelassen. Was sie jeweils sagen, hängt viel mit der Außenwelt zusammen. Im Epstein wird die mediale Berichterstattung intensiv verfolgt.

Jetzt wird der Kanzler gleich was vom "Comeback für Österreich" sagen
Jetzt wird der Kanzler gleich was vom "Comeback für Österreich" sagen
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Eine wirkliche Weihnachtspause gibt es jetzt nicht. Am Montag trifft sich die "Leuchtturmgruppe", es wird überlegt, dass die Parteichefs dazustoßen. Auch am 24. Dezember könnte am Vormittag noch eine Verhandlung eingeschoben werden. Der einzige wirklich terminfreie Tag ist der 25. Dezember. Am 26. Dezember laufen die Vorbereitungen für die nächste Zusammenkunft der "Budgetgruppe" an. Sie trifft sich am 27. Dezember wieder.

Die "Leuchtturmgruppe" ist quasi permanent in Kontakt. Sie sucht übrigens nicht nach Leuchttürmen, also Teilen im Regierungsprogramm, die sich gut vermarkten lassen, nach innen und nach außen. Nein, die Generalsekretäre von ÖVP und NEOS und Bundesgeschäftsführerin der SPÖ arbeiten daran, möglichst viele Programmpunkte, die auf Rot stehen, auf Grün zu bekommen.

Leuchtturm, das ist auch wieder so ein Begriff aus der Marketingwelt, der nach viel ausschaut, aber etwas ganz anderes beschreibt.

Ob sich bis Neujahr ein paar Leuchttürme finden lassen? Das Interesse der Bevölkerung an dem Gesprächs-Marathon beginnt langsam zu ermatten. Dialoge in Fleischhauereien könnten vor Silvester so ablaufen: "Haben Sie schon gehört, die Regierung trifft sich wieder einmal zu Verhandlungen", fragt die Verkäuferin. Und die Kundin könnte dann antworten: "Aha, und was gibt es diesmal dort zu essen? Filets?"

Ich wünsche ein wunderbares Weihnachten. Feiern Sie fest! Bis in einer kleinen Weile!

Mit KI-Stimme: "High Noon" bei den Koalitions-Verhandlungen

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