Wahl-Kopfnüsse, Folge 10
Fernseh-Duelle: Fasst Euch doch an die eigene Nase!
Innerhalb von neun Stunden fanden in Philadelphia und in Wien bedeutsame Wahl-Debatten statt. In Österreich wurde dabei wenigstens niemand gegessen. Obwohl es knapp war.
Da sieht man einmal, was passieren kann, wenn man im Kindergarten nicht aufpasst. Frosch weg. Oder Schwein. Und sofort ist der Weg in die Radikalisierung vorgezeichnet. Vielleicht laufen da draußen Tausende Erwachsene herum, die durch die Symbole in den Garderoben von Kindergärten traumatisiert wurden. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich einmal war, aber den Mief der Patschen, den habe ich noch gut in der Nase. Wütend hat er mich nicht gemacht, höchstens komatös.
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Das Kalkulierbare an Österreich ist, dass das Unkalkulierbare verlässlich eintritt. Also wenn du denkst, jetzt im Wahlkampf wird über die Budgetnöte geredet, den Bildungsmurks und wo wir uns in fünf Jahren sehen, dann kannst du dich darauf verlassen: das passiert. Aber wirklich narrisch machen uns nur Schwammerl.
Die "Kronen Zeitung" hatte aufgedeckt, dass in einigen Wiener Kindergärten die Garderoben-Symbole verboten worden sein sollen. Also der Traktor und der Fliegenpilz und das Schiff und der Bagger. Alles weg. Das stimmte nicht ganz, aber ein bisschen. Verboten wurden die Symbole nicht, die Kindergärten entscheiden das eigenständig. Dabei wissen wir spätestens seit der Corona-Pandemie, dass Eigenverantwortung ein Höllenzeug ist.
An die Stelle der Symbole werden jetzt Fotos der Kinder geklebt, mit den Traktoren und den Schiffen hätten sie sich nicht identifizieren können, heißt es. Am besten war Österreich schon immer in der Lösung von Problemen, die wir gar nicht hatten.
Ich warte jetzt auf den ersten Rechtsanwalt, der wegen Datenschutz klagt, weil ein Porträt seiner Chantal in der Garderobe zu sehen ist. Bis dahin müssen wir uns mit einer einzigen Perspektive auf die Affäre begnügen. Die "Krone" konnte das erste Opfer des "Zensur-Wahns" ermitteln. Das mündete auf der Titelseite in die vielleicht berührendste Schlagzeile des Jahres: "Ich war so gern der Fliegenpilz".
Im Inneren des Blattes klagte "Garderoben-Opfer" Matteo E. (5) sein Schicksal an. Er musste, wie die "Krone" schrieb, die "Entwicklung am eigenen Leib miterleben". Matteo E. war am ersten Tag im Emmie&Ludo Kindergarten in Wien-Donaustadt der Pilz als Symbol zugeteilt worden. Jetzt "prangt über dem Garderobehaken bloß noch sein Vorname".
Es fehlt nur mehr ein Wimpernschlag und die Symboldebatte hält Einzug in die Fernseh-Duelle und verdrängt dort die Brandmauer. Zwischen den Patschen-Friedhöfen und den auf Haken erhängten Rucksäcken, genau da müsste man eine Brandmauer bauen, wird es heißen. Die Menschen würden dann endlich verstehen, was mit einer Brandmauer gemeint ist, und wären voll dafür.
Alle bisherigen Wahl-Kopfnüsse
- Folge 1: So wurde ich für den Kanzler zu einer KI
- Folge 2: Bestäubungs-Staberln und ein Wasserträger
- Folge 3: "Natürlich hat er das, ich bin kein Vollidiot"
- Folge 4: Zwischen starker Mitte und Impotenz
- Folge 5: So führt uns der Kanzler in Wien aufs Glatteis
- Folge 6: Die Volkspartei und ihr Tom Cruise von Kagran
- Folge 7: Brandherde, Brandreden und eine Brandmauer
- Folge 8: Hurra, Hurra, der Bildungsminister ist da!
- Folge 9: Halleluja, endlich wird der Wahlkampf göttlich
Die neuen Entwicklungen könnten auch dramatische Auswirkungen auf die fünf Elefantenrunden haben, die noch anstehen. Mit dem Schicksal von "Garderoben-Opfer" Matteo E. (5) im Hinterkopf, dürfen die Elefantenrunden jetzt natürlich nicht mehr Elefantenrunden heißen, das könnte die Politiker schwerwiegend traumatisieren. "Sesselkreise der Anwärter:innen" könnte man die Elefantenrunden nennen, dann wäre niemand beleidigt, nicht die Politiker, nicht die Elefanten.
Als man noch zu wenig über das Schicksal von "Garderoben-Opfer" Matteo E. (5) wusste, wurden innerhalb von wenigen Stunden in der Weltpolitik entscheidende Weichen gestellt. In Philadelphia duellierte sich Mittwoch ab 3 Uhr früh Kamala Harris mit Donald Trump, nur ein paar Stunden zuvor war am Küniglberg Werner Kogler auf Herbert Kickl getroffen. Der gravierendste Unterschied der beiden Debatten lag darin, dass in Wien dafür keine Haustiere sterben mussten.
Es sei vorausgeschickt, dass beide Duelle von gegenseitiger Wertschätzung geprägt waren. Sie wurden auf Augenhöhe ausgetragen, was die Möglichkeit bot, sich gegenseitig die Augen auszukratzen.
Kamala Harris schilderte Eindrücke von Trumps Wahlkampf-Auftritten. Er rede da über "fiktionale Charaktere wie Hannibal Lecter“ oder über "Windmühlen, die Krebs verursachen", sagte sie. Trump ging nicht weiter darauf ein, aber die Erwähnung von Hannibal Lecter muss in seinem Gehirn für einen Kurzschluss gesorgt haben und das längerfristig. Er sprach plötzlich davon, dass die Demokraten Millionen von Immigranten erlaubt hätten, "in unser Land zu kommen". Und: "In Springfield essen sie die Hunde, sie essen die Katzen, sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben".
Da hatte es Werner Kogler mit Herbert Kickl besser erwischt. Der grüne Spitzenkandidat warf dem blauen Spitzenkandidaten allerlei vor, nicht aber, als Innenminister "Kommissar Rex" auf den Grill gelegt zu haben. Immerhin! Trotzdem kochte am Dienstagabend einiges hoch. Moderatorin Alexandra Maritza Wachter äußerte die "Bitte, dass es ein Duell der Argumente wird". Mehr hatte sie nicht gebraucht. Ich darf eine kurze Auswahl bieten:
Das sagte Kogler zu Kickl
- "Lügenpropaganda"
- "Lügenkampagne"
- "Vernünftige Funktionäre in der FPÖ kann man mit dem ornithologischen Feldstecher suchen"
- "Wie Sie den Holocaust mitverharmlosen"
- "Da ist der Adolf Hitler und oben steht ,Arbeit macht frei´. So genau wie Neonazis immer agieren"
- "Da können Sie noch drei Mal den Schädl beuteln"
- "Nutzt nix, wenn man Populistisches in die Höhe plärrt"
- "Putin-Bruder"
- "Rechenschwäche"
- "Von vorn bis hinten erlogen"
- "Das größte Sicherheitsrisiko, das jemals in dieser Republik existiert hat, ist der Innenminister Kickl"
- "Sie sitzen am Schoß von Kriegstreiber Putin"
- "Furchtbarer Blödsinn"
Das sagte Kickl zu Kogler
- "Brutale Kriegstreiberei und die Grünen an vorderster Stelle"
- "Wenn Sie einen Antidemokraten sehen wollen, dann schauen Sie in den Spiegel"
- "Wiederholungstäter"
- "Schandfleck"
- "Lügen- und Unterstellungsgeschwurbel"
- "Man merkt, dass sie das Format für dieses Amt nicht haben"
- "Lügenmärchen"
- "Es wäre gescheiter, Sie würden den Mund halten, um wenigsten etwas Restwürde zu bewahren"
- "Sie sind besessen von Orban"
- "Der Herr Kogler ist heute offensichtlich hierhergekommen, um zu beweisen, dass er wirklich in keinem Thema eine Ahnung hat"
- "Da war wieder so viel Unsinn dabei"
- "Hören Sie auf, irgendeinen Blödsinn daherzureden"
- "Herr Kogler, das ist ein Wahnsinn"
- "Sie sind zu klein"
Aber nach der Wahl, wenn wir das Schicksal von "Garderoben-Opfer" Matteo E. (5) verdaut haben, dann machen wir wieder einen Sesselkreis und beklagen die mangelnde politische Kultur.
Ich wünsche einen kulturell hochstehenden Donnerstag. Auch wenn Sie gern ein Fliegenpilz wären und das noch nicht geklappt hat.