Kopfnüsse
Folgt auf das Superwahljahr nun ein Superwahl-Frühling?
Wie das mit der Ampel bei den Ömpel-Verhandlungen wirklich funktioniert. Welches Gerücht zwischen den Punschhütten gerade Karriere macht (Wien-Wahl schon im Mai, sogar ein konkreter Termin existiert). Und ob der Bund auch gleich mitwählt.
Ich muss vorausschicken: geplant war das nicht. Aber so taumelte ich mitten hinein in den ersten Einkaufssamstag. Am Ende stand der geringstmögliche Ertrag bei sehr hohem Aufwand. Vielleicht werden die Regierungsverhandler ihre Arbeit dereinst auch einmal so bilanzieren, vielleicht aber auch nicht.
Mit KI-Stimme: Kommt nun der Superwahl-Frühling?
Ich wollte eine Tennishose kaufen. Ein moderner Theater-Regisseur könnte den Stoff nehmen und ihn in Richtung Thomas Bernhard interpretieren. Die Leute würden dann nicht "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen" sehen, sondern "Christian Nusser kauft sich eine Tennishose und geht damit baden" und wären sicher begeistert über die Lebensnähe.
Ich tat also viele Schritte und stand zum Schluss doch ohne Tennishose da. Enttäuschend! In den meisten Geschäften gilt offenbar mittlerweile alles, was über ein Viertel Butter hinausgeht, als exotisch und muss daher online geordert werden. Tennis im Winter? Im Skianzug vielleicht. Auch die Suche nach einer Hose kann in die Hose gehen.
Aber ich konnte mir immerhin einen ganz guten Überblick verschaffen, wie der erste Einkaufssamstag gelaufen ist. Wenn ich zufällig einem Team vom ORF begegnet wäre, dann hätte ich Straße für Straße sagen können, ob da viele Leute waren oder nicht. Im Fernsehen hätte ein früher geläufiger Satz ein Comeback gefeiert. "Die nachfolgenden Sendungen verschieben sich um zwei Stunden." Vielleicht wären es auch zwei Tage geworden.
Es waren schon recht viele Menschen unterwegs. Was mir aber auffiel: die wenigsten trugen Sackerln. Sie waren nicht kaufen, sondern schauen. Das macht man am ersten Einkaufssamstag gern, es ist der "Schautag", aber diesmal wurde dabei übertrieben.
Für die Wirtschaft, die in diesem mageren Jahr noch mehr auf das Weihnachtsgeschäft angewiesen ist als sonst schon, dürfte das eine betrübliche Beobachtung sein. Geschäfte freuen sich grundsätzlich über Besucher, aber Käufer sind ihnen lieber. Bei Museen ist das meiner Wahrnehmung nach anders.
Ich erzähle das nicht ohne Hintergedanken, denn ich habe dem ORF tatsächlich ein Interview gegeben. Allerdings liegt das schon ein paar Tage zurück, dafür hat es 51 Stunden gedauert. Schon mit einer Pause natürlich.
Vor zwei Wochen hatte mich das Studio Wien eingeladen. Die Sondierungsgespräche schienen an ihr Ende gekommen, am 14. November sollte die Aufnahme von Regierungs-Verhandlungen verkündet werden. Sollte. Tatsächlich passierte erst am Montag darauf genau das, was am Donnerstag davor passieren hätte sollen. Der Aufbruch ins Neue passte von der Inszenierung her einfach besser zu einem Wochenanfang.
Ehe die Aufnahme von Regierungs-Verhandlungen eben nicht verkündet wurde, gab ich dem ORF ein Interview, mit Vorbehalt allerdings. Sollte es sich nicht ausgehen mit den Sondierungen, dann war ein Notstopp vereinbart.
Es ging sich dann wirklich nicht aus, das Interview war erstaunlich schnell in die Jahre gekommen und deshalb saß ich zwei Tage später erneut im Studio von "Wien heute" und wiederholte, was ich 51 Stunden davor schon einmal gesagt hatte, nun aber in die richtige Zeit gesetzt.
Eine Frage war neu. Moderator Lukas Lattinger sprach mich auf das Gerücht an, die Wahl in Wien werde ins Frühjahr vorverlegt. Ich zeigte mich skeptisch und das bin ich heute noch. Das Gerücht aber scherte sich nicht darum. Es wuchs sich aus.
Tatsächlich kursiert in Wien schon ein konkretes Datum, der 4. Mai 2025. Die Wahl sollte regulär im Herbst stattfinden, aber das Land liebt zwei politische Brettspiele: Es fragt sich bundesweit fortlaufend, wann wieder gewählt wird, und in Wien, ob die Wahlen vorverlegt werden. So war es 2020, so wird es auch diesmal sein.
Es ist nicht ganz klar, ob das Gerücht eine Quelle hat oder mehrere, inzwischen aber plätschert das Wasser nicht mehr nur dahin. Eine Wahl am 4. Mai, so erzählen es die Quellentexter, hätte mehrere Vorteile. Eine SPÖ nach sieben Jahren wieder in der Bundesregierung. Die Grauslichkeiten, die budgetär notwendig erscheinen, noch nicht in Entfaltung, im Herbst, beim regulären Termin, aber schon.
Ich mag den Begriff nicht, aber auf das Superwahljahr könnte ein Superwahl-Frühling folgen. Am 19. Jänner Burgenland, am 26. Jänner die Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, am 16. März in Vorarlberg, am 23. März in der Steiermark. Dann Wien am 4. Mai? Als letztes Bollwerk gegen Blau?
Auf diese Vermarktung läuft es wohl hinaus. Die Steiermark bekommt einen FPÖ-Landeshauptmann, das Burgenland eventuell einen blauen Vize zum roten Landeschef dazu, viele Gemeinden in Niederösterreich werden eingebläut. Also Bollwerk Wien. Darauf könnten alle am 1. Mai – diesmal ein Donnerstag – eingeschworen werden. Vier Tage vor dem Wahltermin.
Der Grund, warum ich dem Gerücht wenig Kraft beimesse, sitzt im Rathaus: Michael Ludwig. Der Wiener Bürgermeister sitzt vieles gern aus. Ich mutmaße, auch die Debatte über eine vorverlegte Wahl.
Noch aber ist Ludwigs SPÖ noch nicht einmal in einer Bundesregierung und in den vergangenen Tagen wurde einiges unternommen, damit das so bleibt.
Im Unterschied zur öffentlichen Wahrnehmung läuft es in den meisten der 33 Verhandlungsgruppen gut, sie kommen zügig voran. "Es ist oft augenöffnend, wenn man einmal abseits des Politikgetöses die Sichtweise der anderen Parteien erläutert bekommt", sagt einer der Verhandler.
Die Arbeit in den Gruppen läuft recht profan. Die Vorsitzführung rotiert, gearbeitet wird in einem Word-Dokument. Die jeweilige Leitung der Sitzung schreibt die Wortmeldungen auf einem Notebook mit, die Texte werden an die Wand geworfen, jeder kann mitlesen. Am Ende wird ein Protokoll ausgedruckt, alle Teilnehmer müssen es unterschreiben. Die vier Leiter der Hauptgruppen sammeln die Dokumente.
Die einzelnen Themenfelder werden nach einem Ampelsystem bewertet. Grün heißt, es gibt eine Einigung, orange, es muss noch verhandelt werden, rot, hier ist kein Konsens zu erzielen. Das Thema wandert dann eine Etage höher.
Man darf sich das Ampelsystem nicht vorstellen, als sei es aus dem Straßenverkehr entlehnt. Es gibt also am Ende eines Themengebietes keine drei Farbfelder zum Anklicken, sondern es werden Textpassagen in Grün, Orange oder Rot eingefärbt – Absätze, manchmal einzelne oder auch ein paar Worte. Ein Absatz kann mehrere Farben haben, je nach Grad der Einigung.
In einigen Gruppen werden die Texte ausformuliert, bei anderen beschränkt man sich auf Stichworte. Manche ziehen Experten bei, andere keine. Einige bilden Untergruppen zur Untergruppe, um thematisch weiterzukommen. Den meisten ist klar, dass gespart werden muss, Vorschläge dazu finden sich inzwischen in vielen Protokollen.
Bei rund zwei Drittel der Gruppen laufe es so geschmeidig, sagt eine Verhandlerin. Bei der einen Hälfte des letzten Drittels gestalten sich die Gespräche zäh, bei der anderen Hälfte spielt's Granada.
Damit ist vorrangig Gruppe eins gemeint, hier wird über "Steuern und Finanzen" gestritten und das inzwischen unter Ausnutzung des kompletten politischen Handwerkzeugs. Wer sich etwas auszurichten hat, nutzt dafür gern die Medien, diesmal geschieht dies überraschend zeitig. Der frühe Vogel fängt den Ohrwurm.
"Das Ergebnis der Gruppe eins entscheidet über Sein oder Nichtsein der Regierung", sagt Wolfgang Hattmannsdorfer in den "OÖN". Er war bis Oktober Soziallandesrat in Oberösterreich, wird ab 1. Jänner Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich und leitet zwischendrin für die ÖVP die Hauptgruppe "Wirtschaft und Infrastruktur". Das Ende der Fahnenstange scheint noch nicht erreicht.
Hattmannsdorfer ist eine der prägenden Figuren der Regierungs-Verhandlungen. Nicht allein deshalb gilt er in der ÖVP als möglicher Nachfolger von Karl Nehammer, egal ob sich das Thema schnell stellt oder später einmal.
Momentan werden Spins in die Welt gesetzt. Die geschickt verpackte politische Propaganda soll die Gegnerschaft und ihre Inhalte in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht rücken. Der oder die blockiere Reformen, stelle unmäßige Forderungen, torpediere Verhandlungen, agiere wie ein Partei-Apparatschik. Internas werden nach außen gekehrt, was davon stimmt, ist oft schwer auszumachen.
Aber es wird mittlerweile auch mit offenem Visier gekämpft. Die SPÖ gab am Freitag auf ihrer Webseite ein "Update zu den Koalitionsverhandlungen" und stellte bei der Gelegenheit drei Forderungen auf. Rote Linien hat man früher dazu gesagt, aber die roten Linien sind selbst zu roten Linien geworden.
Eine Forderung betraf Erbschafts- und Vermögenssteuern, die SPÖ ist davon noch nicht abgerückt, umschreibt das Thema aber nun mit den "starken Schultern", die "mehr tragen" müssten. "Der Staat wurde in den letzten Jahren von einigen wenigen ausgenutzt", schreibt sie. "Wir verlangen deshalb von jenen einen Beitrag, die in der Vergangenheit besonders profitiert haben."
Das E-Wort und das V-Wort kamen nicht vor, aber der Kanzler rückte trotzdem auf X aus und stellte dem Verhandlungspartner eine Woche vorm Krampus die Rute ins Fenster. Sollte die SPÖ auf Erbschafts- und Vermögenssteuern bestehen, "sind die Verhandlungen schnell zu Ende". Ich mutmaße, er meinte kein gutes Ende.
Ob ein Ende naht und wir vielleicht im Frühling auch den Nationalrat erneut wählen, wird am 12. Dezember festgestellt. Bis dahin sollen die Untergruppen eine erste Bilanz an die Chefverhandler übermitteln. Von den Berichten hängt ab, ob die Ömpel eine Zukunft hat, oder von ihrer Zukunft schon aufgefressen wurde.
Ich habe den Lostag in der Kopfnuss am 20. November erstmals genannt, von Andreas Babler abwärts wurde er danach vielerorts dementiert. "Nein", sagte der SPÖ-Chef in der "Kleinen Zeitung", den 12. Dezember könne er "nicht bestätigen". Er habe in den vergangenen drei Tagen von vier verschiedenen Tagen gelesen. Dieser Lesestoff stand ihm exklusiv zur Verfügung, von anderen Terminen war nirgends die Rede.
Gestern, Samstag, zehn Tage später, war der 12. Dezember dann plötzlich ein Faktum. Auf vielen Webseiten tauchte der Termin auf, die Quelle fand keine Erwähnung. Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn Medien im Land Qualitätsdebatten führen und sich selbst meinen. Oder "innerlich den Kopf schütteln", um Beate Meinl-Reisinger zu zitieren.
Die Formulierung kommt auch in den aktuellen Memoiren von Angela Merkel vor. Beim Besuch bei Donald Trump im Weißen Haus "schüttelte ich innerlich über mich selbst den Kopf", schreibt sie. Es gibt also offenbar mehr Leute, die das beherrschen.
Ich wünsche einen beherrschbaren Sonntag. Bis in einer kleinen Weile!