Thriller-Serie
"Ich vermisse dich": Wenn die Dating-App zum Horror wird
Die Mystery-Thriller-Serie "Ich vermisse dich" ist der erste Pulsbeschleuniger des Jahres 2025. In 5 knackigen Episoden wird – nach einem Harlan Coben-Bestseller – eine Verschwörung aufgedeckt, Hauptdarstellerin ist eine alte Bekannte. Ab sofort auf Netflix.
Eine der Entdeckungen des Streaming-Jahres 2024 waren Mini-Serien aus dem Genre Krimi/Thriller, die auf Buch-Bestsellern basieren und entweder auf mehrere Staffeln ausgelegt sind, oder als einmalige Ereignisse ihre Geschichten als portionierte Langfilme erzählen.
Vom Buch zum Streaming So lieferte Amazon Prime die James Patterson-Adaption "Cross" (serh erfolgreich, Staffel 2 ist bereits abgedreht und startet 2025), Apple TV+ ließ die "Slow Horses" nach Mick Herron in Staffel 4 galoppieren (ebenso erfolgreich, Staffel 5 folgt ebenfalls noch 2025), auf Netflix ging Michael Connellys "Lincoln Lawyer" in Staffel 3 (Staffel 4 kommt vermutlich 2026).
Als "Einteiler" ausgelegt waren "Ein neuer Sommer" nach dem Buch von Elin Hilderbrand (Netflix) oder "Disclaimer" nach dem Buch "The Deadline" von Reneè Knight (Apple TV+). Was sie gemeinsam hatten: Alle konnten überzeugen, die einen völlig, die anderen teilweise.
Harlan Cobens Mega-Deal Nach dem selben Prinzip geht Netflix seit einigen Jahren mit den Romanen von US-Autor Harlan Coben vor. Der erste und bislang einzige Schriftsteller, der mit Edgar Award, Shamus Award und Anthony Award drei der renommiertesten Krimi-Preise der Literaturszene erhalten hat, unterschrieb bereits 2018 einen Megadeal mit dem Streaming-Dienst, nach dem 14 seiner Werke in Serien oder Filme verwandelt werden sollen.
Mystery-Thriller Der vorläufige Höhepunkt dieser Zusammenarbeit war "In ewiger Schuld", erschienen vor genau einem Jahr, am 1. Jänner 2024, und seither auf Platz 7 der erfolgreichsten englischsprachigen Netflix-Serien aller Zeiten. Ein Jahr später folgt nun "Ich vermisse dich", erneut eine Mischung aus wendungsreichem Mystery-Thriller und Melodram. Gedreht wurde wieder in Großbritannien, die Hauptfigur Kat Donovan wird von Rosalind Eleazar gespielt, die man als Agentin Louisa Guy aus "Slow Horses" bereits kennt.
Vom Erdboden verschluckt Die fünf jeweils etwa 45-minütigen Folgen beginnen damit, dass die Police-Detective Kat Donovan in einer Dating-App ihren Ex entdeckt, der seit 11 Jahren vermisst wird. Nach der Verlobung der beiden verschwand er damals wort- und spurlos, auch online war er nicht zu finden, wie vom Erdboden verschluckt. Kat war am Boden zerstört und konnte die Sache für sich nie abschließen, weil sie keine Erklärung für den Vorfall hatte, ihr Dating- und Beziehungsleben ist seither ein ziemliches Chaos.
Mysteriöser Mord Doch das ist nicht das einzige Trauma, das sie plagt: Ihr Vater, ein hochdekorierter Polizeioffizier, ihr Vorbild und bis heute von ihr verehrt und vergöttert, wurde vor Jahren im Dienst ermordet – zumindest lautet so die gängige Version der Geschichte. Auch damit konnte Kat nie fertig werden, da die Begleitumstände der Tat für sie keinen Sinn mach(t)en.
Die nächste Verschollene Als sie ihren Ex in der Dating-App entdeckt, überlegt sie hin und her, was sie nun machen soll: Ignorieren? Oder ihn anschreiben? Doch damit nimmt das (Melo-)Drama erst seinen Anfang: Kat wird von einem jungen Mann kontaktiert, der behauptet, SEINE Mutter wäre ebenfalls verschwunden. Der Haken an der Sache: Der Freund der Mutter ist derselbe Mann wie Kats Ex.
Eine Verschwörung Gleichzeitig liegt der vermeintliche Mörder von Kats Vater im Sterben, er hat Krebs und nur noch wenige Tage zu leben. Kat beginnt auf eigene Faust neue Ermittlungen - zum Tod ihres Vaters und zum Verschwinden ihres Verlobten - und gerät in eine Verschwörung, in die selbst ihr direktes Umfeld verwickelt zu sein scheint.
Spiel mit den Zeitebenen "Ich vermisse dich" offenbart zu Beginn einige Probleme, die doch recht komplexe Handlung und die vielen Handlungsstränge zu etablieren und stimmig zu präsentieren: Der Plot spielt an verschiedenen Schauplätzen und in verschiedenen Zeitebenen. Immer wieder vermittelt die Kamera Wiederholungen und Flashbacks, Erinnerungen an Orte, Situationen, Personen, die die Protagonistin einholen. Zum Drüberstreuen gibt es noch eine Nebenhandlung, die auf den ersten Blick mit dem Rest nichts zu tun hat.
Wirkungsvolle Spannung Das Ganze ist zwar nicht sonderlich kunstvoll gestaltet, verfehlt aber seine Wirkung nicht. Sobald man sich zurechtgefunden hat, wird man gepackt von den Rätseln und Geheimnissen, die Kat Donovan zu lösen versucht. Das Spiel mit spärlichen Informationen, die das Publikum erhält, funktioniert gut und macht die Geschichte, die überraschend düster daherkommt, spannend.
Sympathische Protagonistin Rosalind Eleazar ist zudem eine ausgezeichnete Wahl als Darstellerin der Hauptfigur, sie beweist Talent, das sie schon als Nebendarstellerin in "Slow Horses" gezeigt hatte. Sie bleibt stets nahbar, ihre Gefühle und Motive sind für das Publikum nachvollziehbar, ihre Neurosen machen sie sympathisch, womit man nicht umhin kann, mit ihr mitzufiebern, wie sie der Wahrheit Schritt für Schritt näher kommt – und erkennen muss, dass ihr Leben von Lügen geleitet war, die andere verbreitet haben.
Fazit "Ich vermisse dich" wird wohl nicht als Serie des Jahres enden. Aber die neue Harlan Coben-Adaption ist solide gemachte und spannende Unterhaltung, die auch auch formal (nur 5 Folgen!) interessant gestaltet ist. Ein guter Start ins neue Streaming-Jahr.
"Ich vermisse dich", Großbritannien 2024, 5 Episoden à ca. 45 Minuten, aktuell auf Netflix