"sieger Nemo ignorierte mich"

Israel-Hass am Song Contest: Was hinter den Kulissen wirklich passierte

Anfeindungen, totale Überwachung, Mobbing: Für die 20-jährige israelische Sängerin Eden Golan und ihr Team wurde der Auftritt beim ESC in Malmö zum Höllenritt.

Keine leichte Zeit in Malmö: Eden Golan sang am 11. Mai beim ESC für Israel. Die Tage und Stunden vor dem Wettbewerb wurden für sie und ihr Team zum Spießrutenlauf, wie jetzt bekannt wird
Keine leichte Zeit in Malmö: Eden Golan sang am 11. Mai beim ESC für Israel. Die Tage und Stunden vor dem Wettbewerb wurden für sie und ihr Team zum Spießrutenlauf, wie jetzt bekannt wird
TOBIAS SCHWARZ / AFP / picturedesk.com
Newsflix Redaktion
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Am Ende stand der hervorragende fünfte Platz unter insgesamt 37 Teilnehmern sowie eine umjubelte Heimkehr nach Tel Aviv. Doch die Tage und Stunden vor dem Finale des Eurovision Song Contest am 11. Mai in Malmö wurden für Israels Teilnehmerin am Wettsingen, die 20-jährige Eden Golan, und ihr Team zum Spießrutenlauf. Nun, gut zwei Wochen danach, werden erstmals Details bekannt, die zeigen, unter welchen Umständen die israelische Delegation in Schweden arbeiten musste und wie knapp der Song Contest tatsächlich vor einer Absage stand.

Proteste und Anfeindungen Was ein Fest der Kunst und der Völkerverständigung hätte werden sollen, wurde zur größten Prüfung für den ESC in seiner mittlerweile 68-jährigen Geschichte. Israels Antreten beim Song Contest ließ tausende Protestierende nach Malmö strömen, darunter auch die ehemalige Klimakämpferin Greta Thunberg, die bei den Protesten vor der Veranstaltungshalle schließlich sogar von der Polizei abgeführt wurde. Den Protestierenden ging es um Israels Vorgehen gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas im Gazastreifen als Reaktion auf deren Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023 und die seither andauernde Geiselhaft von mehr als 100 israelischen Zivilisten in Gaza.

Bis zu 12.000 propalästinensische Demonstranten, so die Polizei, kamen am Samstag, dem 11. Mai, um gegen Israels Teilnahme am ESC zu protestieren
Bis zu 12.000 propalästinensische Demonstranten, so die Polizei, kamen am Samstag, dem 11. Mai, um gegen Israels Teilnahme am ESC zu protestieren
IDA MARIE ODGAARD / AFP / picturedesk.com
Israel-Hass statt-Klima-Rettung: Greta Thunberg wird von Polizisten im Vorfeld des ESC in Malmö abgeführt
Israel-Hass statt-Klima-Rettung: Greta Thunberg wird von Polizisten im Vorfeld des ESC in Malmö abgeführt
JOHAN NILSSON / AFP / picturedesk.com

Details werden nun bekannt Aber nicht erst am Veranstaltungstag, bereits im Vorfeld des ESC-Finales gingen die Wogen hoch, Israels Delegation wurde – auch von anderen Teilnehmern – teilweise massiv angefeindet. In mehreren Interviews haben sich mittlerweile Sängerin Eden Golan sowie der israelische Delegationsleiter, Yoav Tsafir, über die Umstände ihres Auftretens in Malmö geäußert. Und auch Vertreter anderer Nationen, die teilweise sogar erwogen, ihren Auftritt beim ESC abzusagen, melden sich nun zu Wort. Newsflix rekonstruiert, was hinter den Kulissen des ESC 2024 wirklich lief:

Israelis durften ihr Hotel nicht verlassen und konnten nicht alleine aufs Klo
Aus Sicherheitsgründen war es sämtlichen Mitgliedern der israelischen Delegation nicht gestattet, ihr Hotel in Malmö zu verlassen, berichtete nun Delegationsleiter Yoav Tsafir dem israelischen Portal "Ynet". Tsafir war zuvor bereits acht Mal mit israelischen Künstlern beim Song Contest. Er erzählt weiters, dass sämtliche Israelis, die zum offiziellen ESC-Team gehörten, GPS-Tags bei sich tragen mussten, damit den Sicherheitskräften immer bekannt war, wo sich diese befanden. ESC-Gäste, die im selben Hotel wie die Israelis wohnten, berichteten zudem, dass immer eine Sicherheitskraft mitging, wenn ein Delegationsmitglied eine der öffentlichen Toiletten im Hotel aufsuchte.

So sieht Lena Schillings Herz aus, wenn die Nägel etwas länger sind: Israels ESC-Starterin Eden Golan bei einem offiziellen Pressetermin vor dem Song Contest. Die Sängerin und ihr Team durften aus Sicherheitsgründen nur für die Proben das Hotel verlassen
So sieht Lena Schillings Herz aus, wenn die Nägel etwas länger sind: Israels ESC-Starterin Eden Golan bei einem offiziellen Pressetermin vor dem Song Contest. Die Sängerin und ihr Team durften aus Sicherheitsgründen nur für die Proben das Hotel verlassen
JESSICA GOW / AFP / picturedesk.com

Keiner wollte mit Eden Golan aufs Bild
Delegationen mehrerer Länder verlangten, nicht mit der israelischen Sängerin gefilmt oder fotografiert zu werden, teilweise wurde sogar geschrien, erinnert sich Yoav Tsafir: "Die Beziehung zwischen der israelischen und anderen Delegationen verschlechterte sich von dem Moment an, als Israel nach dem Halbfinale plötzlich auf Platz 2 der Wetten lag." Danach habe ein regelrechter Wettbewerb unter anderen Länderdelegationen eingesetzt, wer sich am aggressivsten gegenüber Israel verhält.

Schlechte Wertungen auf Befehl?
Tsafir ist auch sicher, dass es eine Weisung an die Fachjuroren in mehreren Ländern gegeben habe, Israel keine Punkte zu geben. Nur so sei es zu erklären, weshalb die Fachjury Israels Beitrag nur 52, das europäische Publikum aber sechs Mal so viel, nämlich mehr als 300 Punkte gegeben habe. Belege für diese Mutmaßung hat er allerdings keine.

"Juden wurden separiert wie 1939"
Von den Organisatoren des Wettbewerbs sei die israelische Delegation außerdem aufgefordert worden, den Hauptveranstaltungsort zu verlassen und sich woanders zu versammeln, weit weg von den übrigen Delegationen. Tsafir habe darauf gegenüber den Organisatoren festgestellt, dass es das letzte Mal im Jahr 1939 gewesen sei, dass Juden in Europa derart separiert worden seien. "Das hat die aber überhaupt nicht beeindruckt."

Der Schweizer Nemo holt sich mit dem Song "The Code" den Sieg im 68. Eurovision Song Contest in Malmö, die Glückwünsche von Israels Starterin Eden Golan ignorierte er nach ihren Aussagen
Der Schweizer Nemo holt sich mit dem Song "The Code" den Sieg im 68. Eurovision Song Contest in Malmö, die Glückwünsche von Israels Starterin Eden Golan ignorierte er nach ihren Aussagen
Picturedesk

Sieger Nemo ignorierte Glückwunsch von Eden Golan
Der Schweizer Sieger des Song Contests, der Künstler Nemo, der sich als nonbinär versteht, also weder männlich noch weiblich, habe die Gratulation von Eden Golan nach dem Bewerb links liegen ließ, erzählt die 20-Jährige nun in einem Interview, das sie ebenfalls dem Online-Portal "Ynet" gegeben hat. "Ich ging zu ihm, um ihm zu gratulieren, aber er ignorierte mich."

Wie Eden Golan auf die Buh-Rufe reagierte
"Ich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit dafür sehr hoch war und wir haben darüber gesprochen", erzählt sie im Interview. "Aber um ehrlich zu sein, als es das erste Mal passierte, dachte ich mir schon 'Wow'. Ich brauchte eine Sekunde, um es zu verdauen, und von da an hat es mich nur noch motiviert." Und weiter: "Ich komme aus dem Kunstturnen. Ich bin sehr streng zu mir selbst, schon mit neun Jahren wusste ich, was ich wollte. Es gab viele Dinge, die mich hätten brechen können. Ich habe jetzt beim Eurovision Song Contest einen harten Boykott erlebt, aber ich habe schon mein ganzes Leben lang Boykotte erlebt, und das hat mich gestärkt und auf diesen Moment auf der Bühne vorbereitet."

"Das reine Böse" vor Ort, Liebe daheim
Die Stimmung vor Ort in Malmö bezeichnet die Sängerin denn auch als das "reine Böse" – "jeder hat es gesehen". Umso herzlicher ihre Rückkehr nach Israel. Nach einem enthusiastischen Empfang am Flughafen sang Eden Golan bei einer Gedenkveranstaltung für die nach wie vor in palästinensischer Geiselhaft befindlichen Menschen die Originalversion ihres ESC-Liedes, die sie in Malmö nicht singen durfte. Ein Video von diesem Auftritt stellte sie auch auf ihren Instagram-Account.

Weshalb der ESC fast abgebrochen worden wäre
Laut der norwegischen  Tageszeitung "VG" standen sechs Länder nur 25 Minuten vor dem Finale am 11. Mai kurz vor dem Rückzug aus der Veranstaltung. Dabei handelte es sich demnach um die Schweiz, Norwegen, Griechenland, Portugal, Irland und Großbritannien. Die Länder äußerten beschwerten sich über den umfangreichen Sicherheitsapparat für Israel und "das Verhalten der Delegation des Landes während der Woche".Israel hatte zuvor  bereits jegliches Fehlverhalten zurückgewiesen und erklärt, dass sein Team aufgrund der Tatsache, dass es aus Israel stamme, "beispiellosem Hass" ausgesetzt sei. Griechenland dementiert den Bericht.

Wie Künstler ihren Protest gegen Israel argumentieren
Magnus Børmark, der Gitarrist der am ESC teilnehmenden norwegischen Band Gåte, sagte gegenüber "VG": "Unser gemeinsamer Punkt war, dass wir nicht am Eurovision Song Contest teilnehmen wollten, damit er als Teil der israelischen Kriegspropagandamaschinerie benutzt und gebrandmarkt wird. Und er führte weiter aus, dass "ein Rückzug bis zur letzten Sekunde auf der Kippe stand. Schließlich führten wir konstruktive Gespräche mit den Veranstaltern. Die Dinge waren gerade gut genug, um weiterzumachen."

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