hater zur kasse bitten

Jurist sagt: "Wir könnten Lena Schilling zur Millionärin machen"

Ein Wiener Unternehmen macht Hass im Netz zu Geld. Beleidigungen, üble Nachrede, Drohungen, was geht wird geklagt. In der grünen EU-Spitzenkandidatin sieht man großes Potenzial.

Die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling beim Wahlkampfauftakt am 7. Mai in Wien. Was seither geschehen ist – und vor allem die vielen negativen Reaktionen darauf im Netz – haben für den Juristen Richard Eibl das Potenzial, die 23-Jährige alleine mit Schadenersatzforderungen reich zu machen
Die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling beim Wahlkampfauftakt am 7. Mai in Wien. Was seither geschehen ist – und vor allem die vielen negativen Reaktionen darauf im Netz – haben für den Juristen Richard Eibl das Potenzial, die 23-Jährige alleine mit Schadenersatzforderungen reich zu machen
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com
Newsflix Redaktion
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Die Erkenntnis sickert langsam durch: Menschen, die das Internet dafür nutzen, um andere Menschen mit Hass, Häme, Beleidigungen oder gar Drohungen zu überziehen, weist man am ehesten dadurch in die Schranken, indem man sie dort trifft, wo es am meisten weh tut. Und das ist bei sehr vielen die Brieftasche. Sobald der Groschen einmal gefallen ist, dass jedes Schimpfwort, jede verächtliche Bezeichnung ins Geld geht, überlegt sich auch der wütendste Hater zwei Mal, ob es nicht doch besser wäre, die Finger still zu halten.

Riesiges Potenzial, … Angesichts des stetig steigenden Aggressionspotenzials vor allem in den sozialen Medien, ergeben sich für findige Rechtsanwälte dadurch schlaraffische Aussichten. Nur dass ihnen anstatt gebratener Hühner Schadenersatzzahlungen vor die Nase flattern, man muss sie nur mehr herunter pflücken. Theoretisch.

… das es zu erschließen gilt In der Praxis steht vor der Ernte das Säen – oder besser gesagt, das Aufspüren der strafbaren Handlungen in den Weiten des Netzes. Der Wiener Prozessfinanzierer Padronus, der sich in den vergangenen Jahren bereits durch zahlreiche Sammelverfahren bekannt gemacht hat, ist jetzt auf diesen Zug aufgesprungen. Gemeinsam mit dem darauf spezialisierten Unternehmen fairesnetz.at, an dem man sich beteiligt hat, wurde ein Computerprogramm entwickelt, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz rechtswidrige Hass-Postings identifiziert und auf deren Prozess-Potenzial hin prüft.

"Anzeigen-Hauptmeister" erster prominenter Kunde So soll es allen Menschen, die sich im Internet exponieren und deshalb Hass im Netz ausgesetzt sind, einfach möglich gemacht werden, sich zu wehren – ohne dafür vorab finanzielle Risiken eingehen zu müssen. Als ersten prominenten Kunden hat Padronus-Boss Richard Eibl den deutschen Freizeit-Polizisten Niclas M. (18) unter Vertrag genommen.

Der junge Mann tourt in seiner Freizeit mit seinem Fahrrad durch deutsche Städte und zeigt alle Autofahrer an, die er bei Ordnungswidrigkeiten ertappt. Sich selbst bezeichnet Niclas M. als "Anzeigen-Hauptmeister", im Netz, wo sich inzwischen dutzende Videos des jungen Mannes bei seiner Lieblingsbeschäftigung finden, haben sich längst andere, meist wesentlich weniger freundliche Bezeichnungen für ihn und sein Tun etabliert. Eine Tatsache, aus der Prozessfinanzierer Richard Eibl jetzt Kapital schlagen möchte, in eigener Sache ebenso wie in der Sache des selbsternannten Parksheriffs.

Vom Querulanten zum Millionär? "Aufgrund unserer Analyse ist es möglich, dass wir den Anzeigen-Hauptmeister mit etwa 2.500 bis 3.000 erfolgreichen Verfahren zum Millionär machen", zitiert die deutsche "Bild" Eibl. Sein Service sei für alle da, die sich im Internet exponieren, so der Unternehmer, besonders großes Potenzial sieht er derzeit aber zum Beispiel bei der grünen EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling. Deren Performance in den vergangenen Wochen hatte ja auch im Netz für allerlei Resonanz gesorgt. Eibl im Newsflix-Gespräch: "Wir könnten auch Lena Schilling zur Millionärin machen." Wie das genau funktionieren könnte, welche Summen pro Klage aufgerufen werden und für wen sich das rentiert, darüber sprach Richard Eibl mit Newsflix:

Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell?
Die Hauptarbeit macht unsere Künstliche Intelligenz. Wir haben gemeinsam mit fairesnetz.at monatelang an der entsprechenden Software gearbeitet. Unsere Kunden verknüpfen ihre Internet-Präsenz mit unserer Software und dann durchforstet diese Software die Web-Inhalte, die sich auf diese Kundenpräsenz beziehen und forscht jene Inhalte aus, die für uns als Anknüpfungspunkte in Frage kommen, etwa in den Kommentaren zu Beiträgen. Und aus dem Ergebnis dieses Durchforstens wird dann ein so genannter Confidence Score kreiert, der genau festhält, welche und wie viele Inhalte es gibt, die juristisch verfolgbar sind. Dann prüfen wir das Ergebnis nochmals und entscheiden auf dieser Basis, wie wir weiter vorgehen, ob wir klagen, abmahnen oder was auch immer. Es wird also von der KI ein Score erstellt, der sagt, was haben wir und wie groß sind unsere juristischen Chancen, und dann wird entschieden, wie es weiter geht.

Passiert das nur im Anlassfall oder laufend?
Sobald unsere Kunden mit der Software, die übrigens "Hateblocker" heißt, verknüpft sind, wird laufend abgeglichen und schädliche Inhalte werden identifiziert.

Richard Eibl vom Prozessfinanzierungsunternehmen Padronus schlägt dank einer neuen Software jetzt auch für die Opfer von Hasspostings im Netz Schdenersatz heraus
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Prozessfinanzallianz GmbH

Gibt es vordefinierte Begriffe, nach denen gefahndet wird?
Bei Beschimpfungen und Beleidigungen ist es relativ leicht, da wird mit vordefinierten Begriffen abgeglichen, ob diese vorkommen. Schwierig wird es, wenn es um üble Nachrede, Kreditschädigung oder auch Bedrohung geht, denn da kann man nichts abgleichen. Eine üble Nachrede oder Verunglimpfung ist ja im Grunde nicht mehr als eine falsche Tatsache, die behauptet wird und die diffamierend ist. Hier braucht es die Möglichkeiten einer KI, um solche Tatbestände im großen Rahmen festzustellen.

Wie lange wurde an diesem Modell gearbeitet, ehe es eingesetzt werden konnte, und ist es schon in Betrieb?
Unser Key Asset ist die Hateblocker-Software, und an dieser wurde sicher ein Jahr gearbeitet. Nach unserer Wahrnehmung macht das kein anderer Prozessfinanzierer in Deutschland und Österreich so intensiv wie wir, und der Hauptgrund dafür ist, dass die Software dafür so aufwändig ist. Vor einigen Jahren wäre es auch noch gar nicht möglich gewesen, das so automatisiert auszulesen. Aber wir haben es in monatelanger Arbeit hinbekommen und sind auch bereits aktiv damit.

Wie viel Geld kann auf diese Art erklagt werden und wer legt das fest?
Es geht hier um immateriellen Schadenersatz, um eine Art der Entschädigung. Diese wird individuell in einem Gerichtsverfahren festgesetzt und unterliegt somit dem Ermessen des jeweiligen Richters. Und der entscheidet das anhand des Schweregrads der Beleidigung bzw. der üblen Nachrede, also wie betroffen der Beleidigte ist, wie sehr ihn die Beleidigung in seinem Rechtsgut Ehre getroffen und seine Würde verletzt hat. Dementsprechend wird von Fall zu Fall entschieden, da gibt es keine fixe Summe, die vom Gesetzgeber vorgesehen wäre.

Kein rechtsfreier Raum: In Internet und Social Media gelten die selben Regeln wie in der analogen Welt, HAss, Drohungen oder Beschimpfungen haben hier nichts verloren und werden auch entsprechend geahndet
Kein rechtsfreier Raum: In Internet und Social Media gelten die selben Regeln wie in der analogen Welt, HAss, Drohungen oder Beschimpfungen haben hier nichts verloren und werden auch entsprechend geahndet
Getty Images/iStockphoto

Gehen Sie gleich vor Gericht, oder suchen Sie zuerst einen Vergleich?
Wir suchen die außergerichtliche Einigung mit den Verfassern deratiger Postings, weil diese ja meistens denken, das Internet sei ein rechtsfreier Raum. Und sobald die merken, okay, da ist jemand, der das ahndet, der seine Rechte wahrnimmt, dann sind die auch sehr vergleichsbereit. Und dann muss es ja nicht vor Gericht gehen. Die Kommunikation dazu findet über die Anwälte statt, mit denen wir als Prozessfinanzierer zusammenarbeiten. Die bieten den Urhebern der Beleidigungen einen Vergleich an und fordern auch auf, derartige Dinge künftig zu unterlassen. Aber in manchen Fällen muss dennoch der Gerichtsweg eingeschlagen werden.

Wieviel hoch ist der Anteil von fairesnetz.at an den erstrittenen Summen?
Das ist abhängig davon, wie vielen Beleidigungen der jeweilige Kunde ausgesetzt ist. Wenn jemand pro Woche einer Beleidigung erlebt, dann verlangen wir etwas anderes, als wenn jemand pro Tag mehrere Rechtsverletzungen erlebt. Aber unser Anteil ist immer erfolgsabhängig und wird letztlich für jeden Kunden individuell und auf Basis der Gegebenheiten ausgehandelt.

Wer sind Ihre potenziellen Kunden?
Alle, die rechtswidrigen Hasspostings ausgesetzt sind. Man darf nicht vergessen, dass die allermeisten Beleidigungen rechtswidrig und justiziabel sind. Die Frage ist immer, wie man denjenigen, der so etwas postet, ausfindig macht. Viele verwenden Fake-Accounts oder geben keine Klarnamen an. Wir haben in unserer Software aber auch eine Gesichtserkennungstechnik implementiert, bei der wir Bilder von den Verfassern der Beleidigungen hochladen, die sich auf den Fake-Accounts finden, und diese Bilder mit sämtlichen Internetseiten abgleichen, denn fast jeder hat inzwischen einen digitalen Fußabdruck. In nahezu allen Fällen kommen wir so auf einen Klarnamen und meistens auch auf einen Wohnort, dann kann man über das zentrale Melderegister die Anschrift ermitteln und diese Person klagen. Das ist ein Stück weit auch richtige Detektivarbeit.

Würden Sie auch der grünen Eu-Spitzenkandidatin Lena Schilling nach den Ereignissen der letzten Wochen empfehlen, Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen?
Absolut! Ich glaube, wir könnten Lena Schilling zur Millionärin machen. Weshalb sollte sie sich nicht wehren? Ich lade sie herzlich ein, sich auf fairesnetz.at zu registrieren.

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