"The Outrun"
Kann die Suche nach Wachteln Alkoholsucht heilen?
In dem Drama "The Outrun" kämpft Hollywoodstar Saoirse Ronan gegen ihre Alkoholsucht an – und findet ihn in der kargen Schönheit Nordschottlands einen Anker. Ab sofort im Kino.
Seit dem wunderbaren "Lady Bird" ist Saoirse Ronan eine der meistgefragten Schauspielerinnen Hollywoods, ihren Durchbruch hatte sie bereits 10 Jahre zuvor in "Abbitte". Es folgten zahlreiche Filmpreise und Nominierungen. Und auch abseits der Filmsets begeistert die in Irland aufgewachsene US-Amerikanerin mit dem schrägen Vornamen und dem unverkennbaren Akzent mit ihrem Charme. Mit gerade 30 Jahren hat sie vieles von dem erreicht, wovon zahlreiche Kolleginnen ihr Leben lang träumen.
Protagonistin im Close-Up In "The Outrun" darf Saoirse Ronan in einem ihr auf den Leib geschriebenen Drama abermals ihr Können zeigen. Die Nebenfiguren dienen hier nur als dramaturgische Ergänzungen, dass es hier in erster Linie um die Protagonistin geht, wird auch durch die vielen Close-Ups von ihrem Gesicht illustriert. Und wie zu erwarten war, enttäuscht Ronan ihr Publikum nicht.
Ronan spielt Rona Ronans Figur heißt Rona (ohne n) und ist eine 29-Jährige, die mit ihrer Alkoholabhängigkeit zu kämpfen hat. Der Film basiert auf den Memoiren der Autorin Amy Liptrot, die von den Orkneys im Norden Schottlands stammt, die eine bedeutende Rolle im Buch wie auch im Film einnehmen. Mit der deutschen Regisseurin Nora Fingscheidt ("Systemsprenger") schrieb sie auch das Drehbuch, produziert wurde "The Outrun" von Saoirse Ronan und ihrem Ehemann Jack Lowden (der River Cartwright aus "Slow Horses").
Leben ohne Alkohol Betreffende Rona hat in London Biologie studiert, aber auch das örtliche Nachtleben, und das zu ausgiebig, während der Studieneinsatz an der Uni immer mehr nachließ. Sie geriet in eine Alkoholsucht, die immer drastischere Züge annahm, sie wurde aus Bars geworfen, geriet in Handgreiflichkeiten. Und wurde schließlich von ihrem Freund Daynim (Paapa Essiedu) verlassen, der das ganze Drama nicht mehr aushielt. Schließlich begab sie sich in Rehab, um ein geläutertes Leben ohne Alkohol zu beginnen.
Weite und Wind "The Outrun" schildert all dies in Rückblenden, die sich mit der Gegenwart verbinden. Rückblenden, die als bebilderte Erinnerungen und Flashbacks an Ronas "dunkelste Zeiten" dargestellt werden. In der Gegenwart ist Rona nach Orkney zurückgekehrt, zu ihren (getrennt lebenden) Eltern, der gläubigen Mutter und dem bipolaren Vater. Wo es nichts gibt außer Weite, Meer, Klippen und Wind. Sie beschäftigt sich damit, die Orkneys nach Wachteln abzusuchen.
Weg aus der Sucht Der Film ist kein Meisterwerk geworden, aber ein ansehnliches Drama über eine junge Frau, die ihren Platz in der Welt und einen Weg aus der Sucht sucht, die ihre eigenen "Dämonen" loswerden will. Es ist ein Film über die Suche nach Glück und innerem Frieden, über mühsame Neustarts, über das Scheitern und Wieder-Aufstehen. All das hat man schon oft gesehen, trotzdem gelingt Regisseurin Nora Fingscheidt ein eigenständiger und interessanter Blick auf die "Alkoholismus"-Thematik.
Normale Menschen mit normalen Problemen Ihr Film - wie bereits der Vorgänger "The Unforgiveable" - ist überraschend leicht zugänglich, auch wenn er per definitionem ein klassisches "Independent-Drama" ist, ausgerichtet auf eine bestimmte Zielgruppe. Diese Zugänglichkeit hat auch damit zu tun, dass alle Figuren in "The Outrun" nachvollziehbar und "echt" sind, zwar mit ihren Eigenheiten, aber keine abgehobenen Exzentriker. "Normale Menschen" eben, die sich mit "normalen" Problemen herumschlagen müssen. Da spielt sicher auch mit, dass der Film auf einer "wahren Geschichte" beruht und man sich sichtbar Mühe gab, diese Authentizität zu bewahren.
Herausfordende Struktur Etwas herausfordernd für das Publikum hingegen ist beizeiten die Dramaturgie, die verschiedene Zeitebenen immer wieder miteinander vermischt, ohne diese zu kennzeichnen oder klar zu verorten. Manche Sprünge erkennt man nur daran, dass Rona (wieder einmal) ihre Haarfarbe geändert hat.
Wird am Anfang noch die Anzahl der Tage, die sie "nüchtern" ist, eingeblendet, gibt es später keine Hinweise mehr darauf, wann genau etwas passiert. Ob das Absicht ist und einen tieferen Sinn verfolgt, ergibt sich nicht. In Hinblick auf den Kampf der Hauptfigur gegen ihre Sucht wäre es besser gewesen, hier für etwas mehr Erzählstruktur zu sorgen.
Glaubwürdige Performance Zu Saoirse Ronan muss man wenig sagen: Die macht ihre Sache wie immer sehr überzeugend. Trotz ihrer Alkohol-Eskapaden bleibt sie in ihrer Figur immer sympathisch, wird aber auch nicht zur "leidenden Antiheldin" überhöht. Sie sieht sich auch selbst nicht so. Rona(n) zeigt Mut zur Natürlichkeit, meist sieht man sie komplett ohne Make-Up, die Spuren ihrer Sucht stehen ihr ins Gesicht geschrieben. Auch das trägt zu der Glaubwürdigkeit ihrer Performance bei.
Landschaft als Protagonist Ergänzt wird der Cast durch gut platzierte und wohldosiert eingesetzte Nebenfiguren, die allesamt ebenfalls sehr überzeugend verkörpert werden, ob nun durch Paapa Essiedu als Ronas (Ex-)Partner, Saskia Reeves als ihre Mutter oder Stephen Dillane als ihr Vater. Und: Ein maßgeblicher und vielleicht der außergewöhnlichste Protagonist ist die raue Landschaft und Natur der Orkney-Inseln, die bei aller Kargheit – wie ihre Bewohner – einen unverkennbaren Charakter hat.
Fazit Gelungenes Schauspiel-Drama um den Weg einen jungen Frau aus ihrer Alkohol-Sucht, erwartbar überzeugend gespielt von Saoirse Ronan. Handlung und Umsetzung sich nicht spektakulär, aber der Film sucht das Außergewöhnliche im Normalen – mit Erfolg.
"The Outrun", Deuschland/ Großbritannien 2024, 119 Min., ab sofort im Kino