Wie geht's? So geht's!
Kopfnüsse: Der Herr Karl und sein streng geheimer Podcast
"Steuermann" Karl Nehammer unterhält uns ab sofort alle zwei Wochen auch via Audiodatei. In der ersten Folge verrät er, wie Babler so ist, wie Trump um ein Telefonat angekeilt wurde und wie er seinen Kaffee trinkt. Der Rest ist Schweigen.
Wissen wir das jetzt auch: Der Kanzler trinkt seinen Kaffee ohne Milch. Er verrät es ungefragt, vielleicht ist das so ein Kerle-Ding. Reiten ohne Sattel, im Winter bei minus fünf Grad mit nacktem Oberkörper raus, mit Beate Meinl-Reisinger eine Koalition verhandeln. Und Kaffee ohne Milch.
Mit KI-Stimme: Der Herr Karl und sein Geheim-Podcast
Wissen wir das jetzt nicht: Wie hält es Karl Nehammer nun mit Steuern? Im Wahlkampf hatte der Kanzler Daumenschrauben ausgeschlossen. Keine neuen Abgaben einführen, keine alten erhöhen.
Nun gab er mehreren Bundesländer-Zeitungen ein Interview und seine Festlegung wirkte wie kalter Kaffee. Vermögens- und Erbschaftssteuern will er weiter keine, aber für den Rest interessieren ihn seine Aussagen vom September keine Bohne mehr.
Er sei "grundsätzlich gegen Denkverbote", sagte der neue Steuermann und sehr fürs Sparen, aber "wenn es dann immer noch zu wenig ist", dann stelle "sich die Frage, ob Steuern erhöht werden müssen". Wenn man in einem Verhandlungsprozess etwas ausschließe, dann brauche man nicht zu verhandeln. Das klingt logisch, verunmöglicht aber in Hinkunft Wahlkämpfe. Es steht danach ohnehin jede Position zur Disposition.
Grundsteuern findet Nehammer fast schon sexy. Er "gehe davon aus", dass man über eine höhere Grundsteuer die klamme Finanzlage der Gemeinden verbessern könnte, sagte er. In der ÖVP wurden gestern die Milch in ein paar Kaffeehäferln sauer und das ganz von selbst.
Es ist eine der großen Merkwürdigkeiten in diesem politischen Advent. Liegt's am Punschduft, der durch die Stadt zieht? Aus nicht nachvollziehbaren Gründen geben die drei Parteichefs derzeit Interviews in Serie. Was diskret hinter Tapetentüren verhandelt werden sollte, wird vor aller Augen und Ohren ausgebreitet. Die staunende Öffentlichkeit erlebt Zwistigkeiten wie in den besten schlechtesten Tagen der großen Koalition. Jetzt halt zu dritt. Fortschritt war schon greifbarer.
Die Ömpel hat noch keine Geschichte zu erzählen, keine gemeinsame Vision, kein Erweckungserlebnis. Das Fehlen würde eventuell unbemerkt bleiben, wenn uns die drei Waisen diesen Umstand nicht ständig unter die Nase reiben würde. In der Kommunikation ist es wie beim Kaffee: es gibt keine zweite Chance auf den ersten Schuss Milch.
Der Kanzler spricht aber nicht nur mit Medien, sondern auch mit Echokammern. Er hat seinen ersten Podcast aufgenommen. Das sollte uns wohl den anderen Karl Nehammer vergegenwärtigen, sein zweites Gesicht offenbaren. Das Problem ist: Was machst du, wenn es gar kein zweites Gesicht gibt? Dann wird es schwierig mit dem Herzeigen.
Der Podcast enthüllt nichts Persönliches. Er macht den Mann vom Ballhausplatz als Mensch nicht greifbarer, er fügt dem Bild des Bekannten nichts zum Staunen oder neu Kennenlernen hinzu. "Es ist nicht das Ziel, unsympathisch zu wirken", sagt Nehammer mittendrin. Dieses Ziel wurde erreicht, übertroffen wurde es nicht.
Vielleicht wollte der Kanzler sein zweites Gesicht nicht in aller Öffentlichkeit zur Schau stellen. Eventuell, weil schon sein erstes Gesicht derzeit ein ziemliches G'frett hat bei den Koalitions-Verhandlungen mit den anderen Erstgesichtlern im Palais Epstein.
Neue Regierung hin oder her, irgendwann in den letzten paar Tagen muss sich Nehammer ein Scherzerl Zeit abgeschnitten haben. Wann genau, ist unklar, denn "Karl, wie geht's?" ist top-secret. Wo der Kanzler sein erstes Gesicht hintrug, unter welchen Umständen er – oder es – befragt wurde, was das gekostet hat und wer für das zweite Gesicht bezahlte, ist streng geheim.
Der Kanzler mag ein zweites Gesicht haben, Georg Wawschinek aber hat keine zweite Meinung. Vor allem nicht von sich. Was den Koalitions-Verhandlern fehlt, besitzt der Podcast-Interviewer im Überfluss. Er verprasst die Superlative wie die Regierung unser Steuergeld.
"Einzigartig", "höchste Qualität", "vollkommene Symbiose" preist er sich auf seiner Webseite an. Sein "Lebenswerk "impressionate" sei "Österreichs modernstes Rhetorik-Training". Und in diese Arme verschlug es Karl Nehammer und das bei vollem Bewusstsein.
Wawschinek studierte Germanistik, war früher bei Ö3, "Moderator, Redakteur und Sendungsverantwortlicher". dann sattelte er um und das durchaus wörtlich. Er absolvierte eine Schulung im Natural Horsemanship, also "Pferdeflüstern", arbeitete mit "Problempferden", noch allerdings nicht mit solchen aus der Politik.
Er machte den Privatpilotenschein, nahm an "persönlichkeitsbildenden Seminaren" teil, ließ sich zum "Professional Speaker" und zum NLP Master Practitioner ausbilden. Irgendwann wird es in der Politik und in ihrem Umfeld ausschließlich Neuro-Linguistische Programmierer geben. Die KI wird sich noch wundern, was alles möglich ist.
Dann ging es dahin. "Hunderttausende Euro" habe er in seine Ausbildung investiert, schreibt Wawschinek. Laut Eigenangabe will er inzwischen 12.000 Menschen gecoacht und 3.000 Seminare gehalten haben, jetzt kam halt ein Kanzler hinzu. Noch dazu einer ohne Milch im Kaffee.
"Karl, wie geht's?", heißt der Podcast, mit dem der Kanzler vor vier Tagen über uns kam und das aus dem Nichts. Sein Gespräch mit Georg Wawschinek dauert 64 Minuten, die beiden sind per Du miteinander, das deutet auf eine längere Bekanntschaft hin. Vielleicht gibt es eine gemeinsame Biographie beim Anflüstern von Problempferden.
Das lässt sich leider nicht klären. Wer bei Wawschinek zum Podcast nachfragt, wird höflich, aber bestimmt abgewimmelt. Auskunft gebe allein die ÖVP, sagt sein Büro nach Rückfrage beim "Ímpressionator".
Das stimmt, stimmt aber wiederum auch nicht. Denn die Volkspartei teilte mir gestern nach ein paar Stunden Überlegungszeit mit: "Bitte um Verständnis: wir kommunizieren keine näheren Details zum Podcast". Das ist leicht untertrieben, denn es werden auch keine "ferneren Details" kommuniziert. Ich finde, die sollten langsam was anderes in den Kaffee reintun.
Wie viel der Kanzlerflüsterer also für den Podcast kassierte oder ob er seinen Du-Spezi gar dazu einlud, muss im Dunklen bleiben. Wawschinek gibt sich grundsätzlich nicht billig her. Das Paket "Rhetoric Mastery" mit Unterlagen fürs Selbststudium, Zoom-Call und drei Tagen Seminar kostet 4.490 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Es gibt allerdings Frühbucher-Rabatt.
Weil Waschwinek aber eine "Vision" hat, bietet er sich auch in einer komprimierten Version an. "Das gesamte Wissen für alle Anwendungen in der impressionate Online-Akademie gibt es für 990 Euro", schreibt er.
Vielleicht hat das rhetorisch aphrodisierend gewirkt und Nehammer ließ sich deshalb ins Schloss Schönbrunn chauffieren. Hier hat das Unternehmen des Kanzlerflüsterers seinen Sitz. Wer kann sonst schon von sich behaupten, seine Ausbildung bei Maria Theresia genossen zu haben?
Im kaiserlichen Ambiente entwickelte sich ein Dialog in ausgesuchter Höflichkeit. Es solle "kein Weichspüler-Interview" geführt werden, versprach Wawschinek, "untergriffig" wolle er aber auch nicht sein. Der Kanzler bedankte sich artig dafür und verriet als Revanche ein Geheimnis. Nämlich was er auf "Wie geht's Karl?" stets antworte. "Den Umständen angemessen". Es wurde wirklich nicht untergriffig.
Nehammer passierte, was ihm in der ZiB 2 selten widerfährt – er durfte ausreden und das über eine Stunde lang. Vermutlich war er genau aus diesem Grund nach Schönbrunn gekommen, es hörte sich jedenfalls so an. "Ich erkläre sehr gern", sagte Nehammer irgendwann. Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir das schon.
"Ein Stück weit" kam häufiger vor als "redlich", "spannend" war auch vieles, besonders wenn es "militärisch" zuging. Das hatte meistens mit Donald Trump zu tun. Der künftige US-Präsident hatte vergangene Woche mit Nehammer telefoniert. Nicht weil er eigentlich Melania anrufen wollte, sich aber verwählt hatte. Nein, "ich habe mich um das Gespräch bemüht", räumte der Kanzler ein.
Es wurde ein voller Erfolg. Trump sei "in der Lage, auch in einem kurzen Gespräch sehr viel Empathie zu vermitteln, widersprach Nehammer der Darstellung von Angela Merkel in ihren Memoiren. "Er liebt Österreich", finde unser Wohlfahrtssystem "faszinierend", die Mutter seiner Frau stamme aus der Steiermark. Genau genommen sagte er, es gibt "ein Stück weit Linien nach Österreich".
Dann ging es noch um Wahlergebnisse ("alles andere als freudvoll"), Babler ("pragmatisch"), Integration, Koalition und um künstliche Hüften. "Es ist ein tatsächlich fordernder Podcast", bilanzierte Nehammer schließlich. Da hatte Wawschinek ein Einsehen und ließ von Nehammer ab.
Vorerst! Kein Weiter wie bisher gilt nicht für alle Lebenslagen.
Ich wünsche einen freudvollen Donnerstag. Bis in einer kleinen Weile!