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Mini-Serie "Senna": Abgefahren oder ein Totalschaden?

Die sechsteilige Mini-Serie "Senna" zeichnet das schnelle Leben des besten Rennfahrers aller Zeiten nach. Und entführt gleichzeitig in die letzten wilden Jahre der Formel 1. Wie gut, darüber scheiden sich die Geister. Ab sofort auf Netflix.

Spielt den brasilianischen Nationalhelden mit lausbübischem Charme: Gabriel Leone als Ayrton Senna in der gleichnamigen neuen Netflix-Serie
Spielt den brasilianischen Nationalhelden mit lausbübischem Charme: Gabriel Leone als Ayrton Senna in der gleichnamigen neuen Netflix-Serie
Alan Roskyn/Netflix
Christian Klosz
Uhr
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Wer Motorsport-Fan ist, kommt an Ayrton Senna nicht vorbei. Er gilt als ewiges Idol und Legende, als Persönlichkeit, die den Rennsport maßgeblich geprägt hat. Der Brasilianer wurde sogar mehrfach zum "schnellsten Formel 1-Fahrer aller Zeiten" gewählt. Doch auch wer mit schnellen Autos nichts am Hut hat, kennt seinen Namen. Und spätestens sein tragischer Tod machte Senna in der Motorsport-Welt wohl für alle Zeiten unsterblich.

Fulminanter Beginn: Bei seinem erst 6. Grand Prix wurde Senna 1984 auf dem unterlegenen Toleman in Monaco im strömenden Regen Zweiter
Fulminanter Beginn: Bei seinem erst 6. Grand Prix wurde Senna 1984 auf dem unterlegenen Toleman in Monaco im strömenden Regen Zweiter
Guilherme Leporace/Netflix

Trendiges Sujet Passend zum aktuellen Trend der Sport-Dokus veröffentlicht Netflix nun die in Brasilien – Sennas Heimat – produzierte, fiktionale Mini-Serie "Senna", die seinen Werdegang nacherzählt. Es ist nicht die erste aktuelle Verarbeitung des Themas Rennsport. Erwähnt seien nur "Rush" über den Wettkampf zwischen Niki Lauda und James Hunt, "Le Mans 66" über das Langstreckenrennen und das Bio-Pic "Ferrari". ) Und auch nicht die erste über den berühmten Protagonisten: 2010 setzte ihm Regisseur Asif Kapadia mit der ebenfalls "Senna" betitelten Doku ein würdiges Denkmal. Der Film zählt bis heute zu den beeindruckendsten Filmporträts überhaupt.

Sport-Soap Netflix' "Senna" reiht sich niveaumäßig doch ein paar Wagenlängen dahinter ein, wählt aber auch einen ganz anderen Zugang: Die Serie ist zum Teil im Stil einer Sport-Soap gestaltet, gerade die ersten drei Folgen. Psychologisch soll es nicht zu weit in die Tiefe gehen, trotzdem sind alle nötigen Komponenten einer soliden Mini-Serie enthalten, die man an einem Wochenende durchschauen kann. In der zweiten Hälfte legt "Senna" dann ordentlich an Qualität zu, vor allem emotional wird der Inhalt packend vermittelt.

Tragisches Ende am Beginn Dabei beginnt die Serie so, wie sie auch enden muss: Mit dem Unfall, der die Geschichte der Formel 1 für immer verändern und das Leben von Ayrton Senna jäh beenden sollte. Im Grand Prix von San Marino 1994 in Imola krachte er in der Tamburello-Kurve in eine Mauer. Die Aufnahmen gingen um die Welt, der Formel 1-Zirkus verlor einen seiner größten Stars und seine wohl charismatischste Persönlichkeit.

Leidenschaft Nach dem tragischen Einstieg geht "Senna" zurück in die Vergangenheit, in die Kindheit und Jugend des Protagonisten, als der junge Ayrton da Silva (damals verwendete er noch den Namen seines Vaters) erste Erfahrungen im Kart-Sport macht, wo sein unglaubliches Talent bereits offenkundig wird, aber sein gestrenger Vater doch ganz andere Pläne für ihn hat: Er, wohlhabender Grundbesitzer und Industrieller, will, dass sein Sohn studiert, später in seine Fußstapfen tritt. Doch die Leidenschaft fürs Rennfahren hat den jungen Ayrton da bereits fest im Griff.

Kurzes Glück: Mit der um zwei Jahre jüngeren Lilian (Alice Wegmann) war Ayrton Senna (Gabriel Leone) von 1981 bis 1983 verheiratet
Kurzes Glück: Mit der um zwei Jahre jüngeren Lilian (Alice Wegmann) war Ayrton Senna (Gabriel Leone) von 1981 bis 1983 verheiratet
Alexandre Schneider/Netflix

Keine Karriere ohne Entbehrung Seine Liebe zu schnellen Autos ist so groß, dass sie sogar seine eben erst geschlossene Ehe mit seiner Jugendliebe Liliane durchkreuzt: Die will eine Familie und Kinder - in der Heimat in Sao Paolo. Senna aber will Rennfahren, seiner Leidenschaft folgen, und das ist zu Beginn nur im kalten Großbritannien möglich.

Stationen des Erfolges "Senna" zeichnet in den ersten Episoden den Anfang der Karriere seines Protagonisten nach. Über die Formel Ford geht es in die Formel 3, die er in einem dramatischen Finale gleich in seiner ersten Saison als Gesamtsieger beendet. Dann winkt die Formel 1 - seit jeher das Traumziel Sennas -, zu Beginn allerdings nur in Form des Außenseiter-Teams Toleman. Bis dort sein Stern im dramatischen Regenrennen von Monaco 1984 endgültig aufgeht, als er lediglich deshalb "nur" Zweiter hinter Dominator Alain Prost wird, weil das Rennen nach der Hälfte abgebrochen wird.

Als Niki Lauda ist der deutsche Schauspieler Johannes Heinrichs zu sehen. Österreichs dreimaliger Weltmeister fuhr in seinen letzten beiden Formel-1-Jahren gegen Senna
Als Niki Lauda ist der deutsche Schauspieler Johannes Heinrichs zu sehen. Österreichs dreimaliger Weltmeister fuhr in seinen letzten beiden Formel-1-Jahren gegen Senna
Alan Roskyn/Netflix

Zugänglich und emotional Die Mini-Serie bemüht sich, ihre Geschichte leicht verdaulich und für jeden zugänglich aufzubereiten, gerade zu Beginn. "Senna" ist kein virtuoses und temporeiches Action-Spektakel wie "Le Mans 66" und auch keine ästhetisch anspruchsvolle Stilübung wie "Ferrari": Dem brasilianischen Nationalhelden sollte hier ein emotionales Denkmal gesetzt werden, ohne viele Zwischentöne. Gerade gegen Ende gelingt das ausgezeichnet, die "Magie" dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit kommt gut rüber.

Wiedersehen mit F1-Ikonen "Senna" wächst Episode für Episode, Dranbleiben lohnt sich also. Auch und gerade für jene, die bisher wenig über den Protagonisten wissen: Das Serien-Biopic gibt einen guten Überblick über Werdegang und Karriere des Ayrton Senna. Für eingefleischte F1-Fans zählt auch das "Wiedersehen" mit den Ikonen des Sports der 1980er- und 1990er-Jahre zu den Highlights der Serie: Niki Lauda, Alain Prost, Nigel Mansell, Gerhard Berger - alle sind sie dabei, teilweise sehr treffend besetzt und gespielt. Und die jahrelange Rivalität zwischen Senna und Prost wird sehr detailliert herausgearbeitet und spannend erzählt.

Das Stallduell mit Alain Prost (Matt Mella, l) bei McLaren wurde immer intensiver, am Ende sprachen die beiden nicht einmal mehr miteinander
Das Stallduell mit Alain Prost (Matt Mella, l) bei McLaren wurde immer intensiver, am Ende sprachen die beiden nicht einmal mehr miteinander
Alan Roskyn/Netflix

Technische Fehler Bei der technischen Umsetzung hingegen ließ man ein paar PS auf der Straße liegen: Schon in Folge 2 scheint den Produzenten das Geld für angemessene CGIs (also am Computer erzeugte Bilder) ausgegangen zu sein. Wobei man überhaupt die Frage stellen sollte, ob einzig am Computer generierte Rennszenen eine angemessene Wahl sind.

Zu viel CGI Während zu Beginn der Serie die Rennaufnahmen zumindest noch annehmbar gestaltet sind, wird das Regenrennen von Monaco 1984, der Wendepunkt für Sennas Karriere, als Mischung aus Originalbildern, verwackelten Nahaufnahmen und schlechten CGI-Sequenzen wiedergegeben – und das obendrein noch viel zu lang. Dieser "Stil" wird auch in den späteren Episoden beibehalten. Die Emotion kommt dabei zwar rüber, rein filmtechnisch ist das aber sehr ausbaufähig.

Auf dem Gipfel: 1991 gewann Ayrton Senna (Gabriel Leone, M.) erstmal in seiner Heimat Brasilien vor Riccardo Patrese (Felipe Prioli) und seinem damaligen Teamkollegen Gerhard Berger, gespielt vom Schweizer Felix Mayr (r.)
Auf dem Gipfel: 1991 gewann Ayrton Senna (Gabriel Leone, M.) erstmal in seiner Heimat Brasilien vor Riccardo Patrese (Felipe Prioli) und seinem damaligen Teamkollegen Gerhard Berger, gespielt vom Schweizer Felix Mayr (r.)
Guilherme Leporace/Netflix

Fazit Eine große Karriere als Serien-Biopic, gestaltet als spannende Sport-Soap: "Senna" punktet weniger durch anspruchsvolle filmische Umsetzung alsc durch Emotionen. Die Miniserie lässt das Publikum in die außergewöhnliche Persönlichkeit, das Leben, die Karriere und das tragische Ende seines Protagonisten eintauchen. Dabei benötigt man Geduld, die Serie braucht ein paar Folgen, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Wer dran bleibt, wird mit einer sehenswerten und angemessenen Hommage belohnt, die berührt.

"Senna", Brasilien 2024, Miniserie, 6 Episoden, 50-70 Min., ab sofort auf Netflix

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