Analyse
Ölpreis auf Talfahrt: Warum merke ich beim Tanken nichts?
Geld-Profi Monika Rosen über ein Geschäft, das wie geschmiert läuft. Was der Ölpreis über Konjunktur aussagt, ob ihm aktuelle Krisenherde zusetzen und wie Sie als Anleger profitieren können.
Öl ist immer noch der Lebenssaft, der durch unseren Wirtschaftskreislauf fließt. Trotz aller Bemühungen, auf erneuerbare Energien umzusteigen, scheint die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen offenbar sehr schwer zu durchbrechen. Welche Kräfte wirken nun eigentlich am Markt für Rohöl? Das Wirtschaftswachstum in den Verbraucherländern spielt natürlich eine Rolle, aber wie steht es mit geopolitischen Faktoren? Immerhin befinden sich viele Fördergebiete in Unruhezonen. Und warum schlägt sich ein sinkender Ölpreis nicht immer gleich an der Zapfsäule nieder? Das müssen Sie wissen:
Zunächst einmal: wenn man liest, der Ölpreis liegt derzeit bei sagen wir 80 Dollar, was genau sagt das aus?
Der Ölpreis bezieht sich üblicherweise auf den Preis für ein Fass Rohöl, das sind 159 Liter. Es gibt eine Reihe verschiedener Ölsorten, am gängigsten sind Brent (Nordseeöl) und WTI (West Texas Intermediary). WTI ist die bekannteste amerikanische Ölsorte, Brent spielt vor allem in Europa eine Rolle.
Was waren die bisherigen Rekordwerte bei den Preisen?
Bei Brent gab es das Fass im Mai 1970 um 2,23 US-Dollar (Tiefststand), im Juli 2008 um 147,02 US-Dollar (Höchststand).
Was ist der momentane Preis?
Bei Brent liegt er unter 80 US-Dollar, am 3. Juli waren noch über 85 Dollar zu bezahlen.
Welche grundsätzlichen Faktoren wirken auf den Ölpreis?
Prinzipiell unterliegt Rohöl, wie jedes gehandelte Gut, den Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage nach Öl wiederum hängt stark von der wirtschaftlichen Verfassung in den großen Verbrauchermärkten ab. Dazu zählen die westlichen Industrieländer, aber zunehmend auch China. Wenn das Wirtschaftswachstum in diesen Märkten zurückgeht, oder sogar eine Rezession (schrumpfende Konjunktur) ausbricht, dann geht der Ölpreis eher nach unten. Denn weniger wirtschaftliche Aktivität bedeutet automatisch weniger Nachfrage nach Energie, in dem Fall Öl.
Gibt es dafür ein Beispiel?
Ja, die Covid-Pandemie. Durch die Ausgangsbeschränkungen ging die Mobilität massiv zurück, der Ölpreis wurde kurzzeitig sogar negativ. Das heißt, die Nachfrage ist derart kollabiert, dass man Geld bekommen hat, wenn man Öl abgenommen hat. Auch weil damals die Lager voll waren.
Und was hat es mit dem Spruch auf sich: Das beste Mittel gegen hohe Ölpreise sind hohe Ölpreise?
Das hat unmittelbar mit dem eben genannten Faktor Wirtschaftswachstum zu tun. Wenn der Ölpreis steigt, wirkt das wie eine Steuererhöhung. Es betrifft alle Menschen, direkt (Tanken wird teurer) oder indirekt (eine Flasche Mineralwasser wird teurer, weil die Transportkosten steigen). Diese steigenden Kosten dämpfen die Konjunktur, damit sinkt das Wachstum, und das drückt mittelfristig den Ölpreis nach unten.
Neben der Konjunktur gibt es aber auch noch andere Faktoren, oder?
Ja, dazu zählen geopolitische Konflikte wie jener im Nahen Osten. Wenn Sie ein Förderland betreffen und die Befürchtung aufkommt, dass die Ölproduktion beeinträchtigt werden könnte, steigt der Ölpreis. Ähnliches gilt für Hurrikans. Sie bedrohen oft die Hochseeförderung im Golf von Mexiko. Auch das lässt den Ölpreis dann anspringen, weil man davon ausgeht, dass zumindest kurzzeitig ein Teil des Angebots ausfällt.
Welche Rolle spielt die OPEC?
Die OPEC, das Kartell der Förderländer, oder vielmehr OPEC+ (inklusive Russland) spielt natürlich eine große Rolle. Indem sie die Organisation die Fördermenge steigert und senkt, beeinflusst sie den Markt und damit den Ölpreis. Ziel ist es, den Ölpreis langfristig innerhalb eines gewissen Zielkorridors zu halten. Zu niedrig soll der Preis aus Sicht der Förderländer nicht sein, dauerhaft zu hoch aber auch nicht. Das bremst wie erwähnt die Konjunktur in der Verbraucherländern, was mittelfristig mehr schadet als nützt.
Welche Rolle nehmen die Russen ein?
Die Mitgliedsländer der OPEC halten sich nicht immer an die ihnen zugewiesenen Quoten. Russland spielt hier eine besondere Rolle. Aufgrund der Sanktionen der EU schrumpft der Pool an potenziellen Abnehmern für russisches Öl, das Land fördert daher konstant mehr als per OPEC Beschluss vorgesehen wäre, um dem entgegenzuwirken.
Wenn der Ölpreis fällt bedeutet das nicht immer, dass es auch an der Tankstelle billiger wird. Warum?
Daran ist vor allem der hohe Steueranteil schuld. Rund die Hälfte des Benzinpreises an der Zapfsäule entfallen auf Mineralölsteuer, CO2-Bepreisung und Mehrwertsteuer. Und auch im sogenannten Nettopreis stecken neben dem Ölpreis selbst noch Kosten für Produktion und Vertrieb (mehr zu diesem Thema finden Sie hier).
Wenn der Ölpreis schon steigt, kann man wenigstens als Anleger daran verdienen?
Das kann man durchaus, man muss sich nur der damit verbundenen Risken bewusst sein. Einerseits gibt es börsennotierte Produkte (ETC – Exchange Traded Commodities), die den Ölpreis abbilden. Das Risiko ist hier aber wie erwähnt erheblich, denn Rohstoffe (und dazu zählt auch Rohöl) neigen zu starken Schwankungen. Dazu kommt, dass der Ölpreis in Dollar notiert, insofern kommt hier auch noch das Währungsrisiko zum Tragen.
Welche Möglichkeiten habe ich sonst noch?
Man kann die Aktien großer Ölfirmen wie Exxon, Chevron oder Shell kaufen. Sie atmen in einem gewissen Ausmaß mit dem Ölpreis mit, unterliegen aber natürlich auch vielen anderen Einflussfaktoren. Außerdem gilt es zu bedenken, dass im Zuge des stärkeren Umweltbewusstseins die Vorbehalte gegen Ölaktien prinzipiell gestiegen sind. Das Stichwort lautet hier ESG – environmental, social, governance … also Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung. Da viele Fonds diesen Kriterien bereits folgen, werden Ölaktien in einer Reihe von Strategien schon untergewichtet oder ganz ausgeschlossen.
Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen