Academy Awards
Oscars 2025 – sogar Hollywood zieht vor Trump den Schwanz ein
Die 97. Oscar-Verleihung war die erste in der Regierungszeit Trump 2 – und sie glänzte durch Ignoranz gegenüber aktuellen Vorgängen. Nur nicht anstreifen, war das Motto, nur wenige hatten den Mut zu Statements. Abräumer des Abends war das Drama "Anora".

In der Nacht auf Montag wurden in Los Angeles zum 97. Mal die Oscars verliehen. Als klarer Sieger ging aus dem Abend Sean Bakers Drama "Anora" hervor, der die Hauptpreise für den Besten Film, die Beste Regie, das Beste Drehbuch und die Beste Hauptdarstellerin (Mikey Madison) gewinnen konnte. Als Bester Hauptdarsteller wurde Adrien Brody ("The Brutalist") geehrt, in den Nebenrollen gewannen Kieran Culkin ("A Real Pain") und Zoe Saldana ("Emilia Perez").

(K)ein Abend ohne Trump Der eigentliche Hauptdarsteller der Verleihung war zwar nicht persönlich anwesend, aber als orangefarbener Elefant im Raum stets spürbar, auch wenn sich niemand traute, ihn direkt zu adressieren: US-Präsident Donald Trump. Doch außer einigen gut verdeckten Spitzen gegen den Laiendarsteller im Weißen Haus verlief die Zeremonie geradezu erschreckend brav und gesittet, angesichts der aktuellen Weltlage und dessen, wie Trump die USA umgestaltet.
Was von den Oscars in Erinnerung bleiben wird Das Ergebnis war eine über weite Strecken mutlos wirkende, triste Show, die in erster Linie durch ihre Leerstellen glänzte, also durch das, was eben NICHT geschah. Doch der Abend war nicht ganz ohne Höhepunkte. Was bei der 97. Oscar-Verleihung aufgefallen ist, was in Erinnerung bleiben wird – hier die 15 wichtigsten Facts:

1. Der Host Conan O'Brien
Der 61-jährige Late Night-Veteran durfte zum ersten Mal die Oscars hosten. Im Vorfeld freuten sich viele auf den für seinen albernen, schrägen Humor bekannten Moderator. Was O'Brien auf jeden Fall gelang: Einen neuen Ton in die oft steife Veranstaltung zu bringen. Wobei die Antwort auf die Frage, ob dieser Zugang (z.B. klavierspielende Sandwürmer) zu den Oscars passt, Geschmacksache ist.
Politisch hielt sich O'Brien – obwohl ein erklärter Gegner von Donald Trump und anders als sein Vorgänger als Oscar-Moderator, sein Talkshow-Kollege Jimmy Kimmel – weitgehend zurück. Das geschah wohl auf Anweisung der Academy, die seit jeher Skandale fürchtet.
Dennoch kam die schärfste Kritik an Trump an diesem Abend von O'Brien, wenngleich clever geharnischt und spontan: In Bezug auf den Sieger des Abends, das Drama "Anora", das im russischen Oligarchen-Milieu spielt, sagte O'Brien: "Ich denke, die Amerikaner freuen sich, dass sich endlich jemand gegen einen mächtigen Russen behaupten kann." Aus dem Publikum kam zuerst Raunen, schließlich Applaus.

2. Anora" als Sieger des Abends
Der Film und sein Schöpfer Sean Baker gingen als große Sieger aus dem Abend hervor. "Anora" wurde nicht nur als Bester Film prämiert, auch Mikey Madison wurde als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Insgesamt gab es für "Anora" 5 Preise bei 6 Nominierungen.
Die Tragikkomödie um eine Prostituierte, die sich in einen russischen Oligarchenspross verliebt, gewann außerdem die Awards für Beste Regie, Bestes Originaldrehbuch und Besten Schnitt. Und all diese Preise gingen an Sean Baker, der so 4 Mal die Bühne betreten durfte – das gelang zuletzt Walt Disney im Jahr 1954. Baker nutzte seinen letzten Auftritt für einen flammenden Appell für Independent-Filme.

3. "Emilia Perez" als Verlierer des Abends
Das Netflix-Musical um einen mexikanischen Drogenboss, der sein Geschlecht ändert, war bei der Nominierung mit 13 Nennungen als Favorit gestartet, am Ende gab es aber nur 2 Preise. Das hatte sich allerdings abgezeichnet, da die letzten Wochen ein Skandal über den Film hereinbrach. Und dabei ging es nicht darum, dass erstmals eine Transgender-Frau (Hauptdarstellerin Carla Sofia Gascon) für einen Darsteller-Oscar nominiert war.
Vielmehr waren es alte Tweets von Gascon, in denen sie sich ausländerfeindlich und rassistisch geäußert hatte. Nach Shitstorms gegen den Film und Cancel-Aufrufen durfte sie doch an den Verleihung teilnehmen - aber die Aussicht auf einen Sieges-Run war dahin.

4. Keine Anti-Trump-Acts während der Show
Angesichts der Weltlage und des Selensyj-Eklats im Oval Office am vergangenen Freitag, erwartete die Film-Community eine der politischsten Shows aller Zeiten: Man erinnere sich nur an Michael Moores "Shame on you, Mr. Bush" vor gut 20 Jahren. Oder Robert De Niros "F*ck Trump" bei den Tony-Awards vor 6 Jahren. Schließlich hatten die Hollywood-Eliten in der Vergangenheit immer wieder klar Stellung gegen Trump und seine Politik bezogen.
Doch auch Hollywood scheint mittlerweile der Mut verlassen zu haben: Die ganze Show war brav bis zur Unerträglichkeit – für die Veranstalter natürlich ein Geschenk des Himmels. Ob das Motiv der Kreativen dafür nun Feigheit, Opportunismus, Sorge vor ausbleibenden Aufträgen oder vorauseilende Zensur war: Von der liberalen Traumfabrik, die für Werte wie Freiheit und Progressivität stehen will, blieb wenig über. Auch in den Sozialen Medien zeigten sich Zuschauer enttäuscht ob der Zahnlosigkeit der heurigen Oscars.

5. Wenige Pro-Ukraine-Statements
Politische Statements zugunsten der Ukraine gab es zwar, aber sie stachen kaum heraus. Die Spitze von Conan O'Brien gegen "mächtige Russen" wurde schon erwähnt. Schauspielerin Daryl Hannah, die den Preis für den Besten Schnitt zu vergeben hatte, begann ihre Ansprache mit dem Ruf "Slava Ukraini", was so viel heißt wie "Ruhm der Ukraine", ehe sie die Nominierten verlas. Und der Brite Peter Straughan, der für "Konklave" den Preis für das Beste adaptierte Drehbuch gewann, trug einen Anstecker in den Farben des Landes.

6. Kein Preis für Demi Moore
Dass Mikey Madison als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde - und nicht Demi Moore ("The Substance") -, war bei den Preisvergaben die größte Überraschung des Abends. Moore hatte heuer bereits den Golden Globe gewonnen und galt aus haushohe Favoritin, auch wenn Madison die wohl bessere schauspielerische Leistung ablieferte. Aber Hollywood liebt Comeback-Geschichten und gibt verdienten Größen gerne gegen Ende ihrer Karriere Preise, um indirekt auch deren "Lebenswerk" zu ehren. Hier entschied man sich aber offenbar für die Zukunft, denn die gehört definitiv Madison.

7. Kein Preis für Trump-Film "The Apprentice"
Ja, auch Donald Trump war in gewisser Weise nominiert: Und zwar in Form von Sebastian Stan, der in "The Apprentice" von Ali Abbassi den jungen Trump mehr als überzeugend spielt. Das Biopic, auch als Bester Film nominiert, zeichnet den Aufstieg des Immobilienhais und dessen schrittweise Korrumpierung nach. Eine Wahl für Stan als Bester Hauptdarsteller wäre nicht nur verdient, sondern auch eine Message gewesen. Denn dann hätten die Oscars das Thema Trump nicht mehr umschiffen können.

8. Emotionalste Rede des Abends: Zoe Saldana
Zoe Saldana erhielt den Oscar für die Beste Nebendarstellerin in "Emilia Perez" und hielt die wohl emotionalste Rede des Abends. Wie viel davon gespielt war, lässt sich schwer sagen, immerhin verdient die Frau durch vorgetäuschte Emotionen viel Geld. Aber gefreut hat sich die auch aus der Serie "Lioness" bekannte Schauspielerin sicher. Sie verwies in ihrer Ansprache darauf, dass sie ihren Preis als Tochter dominikanischer Einwanderer entgegennimmt, was zu großem Applaus im Saal führte – immerhin.

9. Witzigste Rede des Abends: Kieran Culkin
Wie erwartet, bekam Kieran Culkin den Preis als Bester Nebendarsteller für "A Real Pain" verliehen. Seine amüsante Rede beschloss er mit einer Anekdote über seine Frau, die Familienzuwachs für die Familie scherzhaft an einen Oscar-Gewinn ihres Mannes knüpfte, den sie zum Zeitpunkt ihrer Aussage wohl nicht für sehr realistisch hielt.

10. Bewegendste Rede des Abends: Adrien Brody
Die wohl bewegendste, "tiefgründigste" und vor allem Längste Rede des Abends hielt Adrien Brody: Als die Musik ihn bereits "von der Bühne spielen wollte", bat er mit dem Worten "Please, I have done this before!" um mehr Zeit, um seinen Eltern, Einwanderer aus Ungarn (wie auch seine Filmfigur in "The Brutalist") zu danken. Er schloss mit einem Plädoyer gegen Hass und für gesellschaftlichen Zusammenhalt und plädierte dafür, das "Richtige zu tun" – ohne allerdings explizit zu werden.

11. Politischste Rede des Abends: "No Other Land"
Zumindest eine explizit politische Rede gab es doch: Die beiden Regisseure Basel Adra und Yuval Abraham des als Bester Dokumentarfilm ausgezeichneten "No Other Land" – einer von ihnen Palästinenser, der andere Israeli - kritisierten den negativen Beitrag der US-Außenpolitik zur Situation im Gaza-Streifen und in Israel. Sie plädierten mit Empathie für eine Lösung, in der beide in Frieden uns Sicherheit in ihrer Heimat leben können. Eine wütende Ansprache der Macher des Filmes hatte letztes Jahr zu einem Eklat bei der Berlinale geführt, dieses mal brachten sie ihre Message gesitteter und massentauglicher an.

12. Mick Jagger verulkt Bob Dylan
Damit hatte niemand gerechnet: Ober-Rolling Stone Mick Jagger präsentierte den Preis für den Besten Soundtrack (Sieger: "The Brutalist") und bekam nicht nur Standing Ovations, sondern sorgte mit einigen Seitenhieben gegen und einer Parodie von Bob Dylan auch für Lacher im Saal. Dessen Biopic "Like A Complety Unknown" war übrigens auch 8 mal nominiert, ging aber komplett leer aus.

13. Tribut an die Feuerwehr von Los Angeles
Angesichts der verheerenden Brände in und um Los Angeles, wurden Feuerwehrleute auf die Oscar-Bühne geholt, um sich die verdiente Anerkennung für ihren Einsatz abzuholen – eine schöne Geste, die zu großem Beifall im Publikum führte. Einer der witzigeren Einfälle des Abends war auch, dass Conan O'Brien drei Feuerwehrleute Gags verlesen ließ, für die er selbst "nicht mutig genug" sei, wie er meinte.

14. Merkwürdiger Bond-Tribute
Zu den Reinfällen des Abends zählte ein missglückter Bond-Tribute, dessen Sinn sich dem Publikum nicht erschloss. Man verwies auf die Produzenten-Familie Broccoli, die gerade die kreativen Rechte an 007 an Jeff Bezos' Amazon verkauft hatte. Dann gab es einige Tanz- und Gesangs-Einlagen, bei denen Bond-Titelsongs interpretiert wurden. Das sorgte für viele Fragezeichen im Auditorium.

15. Bewegende Worte von Morgan Freeman über Gene Hackman
Letzte Woche verstarb Hollywood-Legende Gene Hackman unter tragischen, bisher nicht geklärten Umständen. Morgan Freeman, der mit ihm unter anderem in "Erbarmungslos" vor der Kamera stand, widmete seinem Kollegen und Freund bewegende Abschiedsworte. Der anschließende Tribut an verstorbene Film-Größen erinnerte, welch außergewöhnliche Persönlichkeiten die Film-Welt im letzten Jahr zudem verlassen haben: David Lynch, John Amos, James Earl Jones, Bob Newhart, Donald Sutherland, Quincy Jones, Roger Corman und Gena Rowlands, um nur einige zu nennen.

Fazit Die Oscars 2025 waren über weite Strecken eine Enttäuschung. Wirkliche Stimmung kam nie auf, viele Abläufe wirkten hölzern, die Show wurde von dem dominiert, das nicht zu sehen war und nicht angesprochen wurde. Das Spannendste an diesem Oscar-Abend war die Live-Übertragung im ORF, dessen Experten-Duo Alexander Horwath (ehemaliger Direktor des Filmmuseums) und Lillian Moschen informativ und fundiert durch den Abend führte und die Preisvergaben, aber auch das Rundherum angemessen kritisch einordnete.
Und für nächstes Jahr bleibt die Hoffnung: Es kann eigentlich nur besser werden.