Für 6 Sorten

Reif für den Kompost: So wird unser Kaffee neu verkapselt

Der Schweizer Hersteller Nespresso hat die Kaffeekapseln erfunden. Jetzt will man diese mit biologisch abbaubaren Materialien auch umweltfreundlich machen. Geht das? Und wie?

Sehen ein bisschen aus wie Waffeleisbecher: Die neuen kompostierbaren Kaffeekapseln von Nespresso zersetzen sich binnen maximal sechs Monaten, nachdem sie im Kompost gelandet sind
Sehen ein bisschen aus wie Waffeleisbecher: Die neuen kompostierbaren Kaffeekapseln von Nespresso zersetzen sich binnen maximal sechs Monaten, nachdem sie im Kompost gelandet sind
STEFAN WERMUTH / AFP / picturedesk.com
Newsflix Redaktion
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"Das wird nie ein Erfolg."
So lässt sich, vereinfacht gesagt, zusammenfassen, wie die Ingenieure des Schweizer Lebensmittelkonzerns Nestlé auf die Idee reagierten, Kaffeepulver in kleine Metallkapseln abzufüllen und mit einer eigens dafür konstruierten Kaffeemaschine Wasserdampf durch diese Kapseln zu pressen, um so Espresso herzustellen. Den Ingenieuren gefiel zwar der technische Ansatz, das sehr wohl. Aber damit Geld verdienen? Keine Chance. Niemand zahlt für so etwas, hieß es damals, Ende der 1980er-Jahre.

Marketing-Erfolgsgeschichte Doch das Management glaubte an das Konzept – und in den 1990ern begannen auch die Konsumenten Gefallen an der Idee der simplen Espresso-Zubereitung zu finden. Denn die Vorteile des Kapselsystems lagen auf der Hand: Einfache Handhabung auch ohne spezielles Know-how. Und absolute Individualisierung – man kann jede Tasse mit einem anderen Kaffee zubereiten, ohne dafür vorher die gesamte Maschine reinigen zu müssen. Einfach die nächste Kapsel ins Gerät und weiter geht's. Das gab es noch nie. Der Markenname "Nespresso" – zusammengesetzt aus Nestlé und Espresso – war nur mehr das Tüpfelchen auf dem i.

Große Produktvielfalt und eine einfache Handhabung der Maschinen sind seit jeher die "Killer Features" von Nespresso
Große Produktvielfalt und eine einfache Handhabung der Maschinen sind seit jeher die "Killer Features" von Nespresso
LAURENT GILLIERON / Keystone / picturedesk.com

Die Kaffee-Welt kapselt sich ab Inzwischen ist Kapsel-Kaffee längst kein Monopolprodukt der Schweizer mehr. Es gibt eine riesige Vielfalt an Systemen und Formaten, die sich gegenseitig auszustechen versuchen. Um da aufzufallen, braucht es Innovation und Inspiration. Jüngstes Beispiel: die neuen Kapseln aus Papierzellstoff, die Nespresso nun präsentiert hat. Sie sind auch daheim kompostierbar und folgen dem immer lauter werdenden Wunsch vieler Konsumenten, eine Alternative zu den Aluminiumkapseln anzubieten. Was die neuen Kompost-Kapseln können – und was man sonst noch über den Kaffeekapselmarkt wissen sollte:

Seit wann gibt es Kaffee in Kapseln?
Erfunden und patentiert wurde das System von Nestlé bereits in den 1970er-Jahren, doch auf den Markt kam es erstmals 1986, damals ausschließlich in der französischsprachigen Schweiz und war in den ersten Jahren kein Erfolg. Erst in den 1990er-Jahren begann sich die Idee durchzusetzen. Einerseits, weil der Konzern zunehmend auf Marketing setzte, um die Idee zu propagieren. Und andererseits, weil die passenden Maschinen auch einfacher in der Handhabung wurden. Dazu kam schon bald eine sehr ausgefeilte und elegante Werbelinie mit George Clooney als Testimonial und seither brummt der Laden.

"Mister Nespresso" George Clooney: Der Hollywoodstar ist seit Jahrzehnten MArkenbotschafter für den Kaffeehersteller
"Mister Nespresso" George Clooney: Der Hollywoodstar ist seit Jahrzehnten MArkenbotschafter für den Kaffeehersteller
Nespresso

Und in Österreich?
Hier wurde Nespresso 1999 eingeführt, also vor 25 Jahren. Die erste Boutique befand sich in der Mahlerstraße unweit der Wiener Staatsoper.

Wie viele Kaffeekapseln verkauft Nespresso pro Jahr?
Dazu gibt es keine Angaben. Aus der Nestlé-Bilanz lässt sich aber ablesen, dass Nespresso jährlich einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden Schweizer Franken macht, etwa 6,4 Milliarden Euro.

Wie groß ist der Kaffeekapsel-Markt insgesamt?
Dazu gibt es nicht einmal annähernd seriöse Schätzungen, da die meisten Produzenten, so wie Nespresso auch, aus ihren Zahlen ein Geheimnis machen. Und auch im Handel ist man diesbezüglich nicht sehr auskunftsfreudig. Von der Supermarktkette Hofer etwa ist nur zu erfahren, dass man "mit der steigenden Nachfrage nach Kaffeekapseln zufrieden" sei. Und bei Spar Österreich heißt es, dass etwa ein Drittel des Kaffee-Umsatzes mittlerweile mit Kapseln erzielt wird. Aber konkrete Zahlen sind auch hier nicht zu erfahren.

Das Patent auf die Ur-Kapseln von Nespresso ist bereits 2014 abgelaufen. Seither bieten unzählige Anbieter ihre eigenen Kaffees in "NCCs" (Nespresso Compatible Capsules) an
Das Patent auf die Ur-Kapseln von Nespresso ist bereits 2014 abgelaufen. Seither bieten unzählige Anbieter ihre eigenen Kaffees in "NCCs" (Nespresso Compatible Capsules) an
LAURENT GILLIERON / Keystone / picturedesk.com

Warum gibt es mittlerweile so viele Kapseln von alternativen Anbietern, die in Nespresso-Maschinen passen?
Weil das Patent von Nespresso auf das klassische Kapselsystem vor inzwischen bereits zehn Jahren ausgelaufen ist und seither jeder Hersteller seinen Kaffee in diese Kapselform abfüllen darf. Diese Kapseln können dann in jeder für dieses System geeigneten Maschine verwendet werden. Der Fachbegriff für diese Kapseln ist "Nespresso Compatible Capsules" (NCC).

Und wie viele weitere Kapselsysteme gibt es?
Ebenfalls sehr viele. Nespresso selbst hat mit "Vertuo" und "Nespresso Professional" zwei weitere Kapsel- ("Vertuo") bzw. Pad-Systeme ("Professional") im Angebot. Dazu kommen zahlreiche weitere Kapselsysteme von unterschiedlichen Herstellern. Diese sind untereinander nicht kompatibel, weil jeder Hersteller versucht, seine Kunden an sich zu binden. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, weshalb das klassische Nespresso-System, das als einziges bisher "offen" ist, also für alle Marktteilnehmer verwendbar, das mit riesigem Abstand beliebteste System am Markt ist.

Wie viel kosten die Kapseln inzwischen?
Auch das ist höchst unterschiedlich. Die billigsten Kapseln stammen heute von Diskontern oder Supermarkt-Eigenmarken und kosten etwa 20 Cent pro Kapsel. Eine Nespresso-Kapsel kostet im Durchschnitt 50 Cent. Es gibt aber mittlerweile auch High-End-Nischenproduzenten, die ihre Kaffees ebenfalls in Nespresso-kompatiblen Kapseln anbieten. Diese kosten dann bis zu 70 Cent oder noch mehr pro Kapsel. Bei alternativen Kapsel-Systemen ist die Preisgestaltung oft noch abenteuerlicher, da es hier keinerlei Wettbewerb zwischen den Anbietern gibt.

Kaffeekapseln sind teilweise extrem kostspielig: Der Kilo Kaffee kostet – hochgerechnet – oft 100 und noch mehr Euro
Kaffeekapseln sind teilweise extrem kostspielig: Der Kilo Kaffee kostet – hochgerechnet – oft 100 und noch mehr Euro
Getty Images

Weshalb sind die Kapsel-Systeme so dermaßen beliebt?
Für Konsumenten sind sie vor allem bequem, denn diese müssen sich nicht mit der Zubereitung ihres Kaffes beschäftigen. Kapsel rein, Knopf drücken, den rest macht die Maschine, also etwa Wassermenge und -druck bestimmen. Auch ist in jeder Kapsel genau so viel Kaffee, wie für eine Tasse idealerweise benötigt wird. Dazu kommt, dass es heute eine riesige Vielfalt an unterschiedlichen Kaffee-Variationen gibt, durch die sich die Kunden probieren können.

Und für die Hersteller sind die Kapseln ein Mega-Geschäft. Sie können für vergleichsweise winzige Mengen an Kaffee extrem hohe Summen aufrufen und diese werden von den Kunden anstandslos bezahlt, da durch das ganze Kapsel-drumherum nicht sichtbar wird, wie wenig Kaffee man eigentlich für sein Geld bekommt.

Wie viel Kaffee ist in einer Kapsel drinnen?
Das ist natürlich abhängig vom Hersteller und vom verwendeten Kaffee. Im Schnitt kommen in eine Kapsel etwa 4,5 bis 6,5 Gramm Kaffee. Je nach Kaffeequalität kommt man da auf einen Kilopreis, der auch schon einmal ordentlich über 100 Euro liegen kann. Zum Vergleich: Ein Kilo Kaffee in ganzen Bohnen und in durchschnittlicher Qualität kostet im Supermarkt zwischen 15 und 20 Euro. Bei einem Premiumhersteller zahlt man für das Kilo zwischen 30 und maximal 40 Euro.

Kapseln selbst recyclen: Wer sich die Zeit nehmen will, kann den Kaffee auch selbst aus den gebrauchten Alu-Kapseln holen und kompostieren (oder etwa als Pflanzendünger verwenden) und die leeren Alukapseln zur Reststoffsammlung geben
Kapseln selbst recyclen: Wer sich die Zeit nehmen will, kann den Kaffee auch selbst aus den gebrauchten Alu-Kapseln holen und kompostieren (oder etwa als Pflanzendünger verwenden) und die leeren Alukapseln zur Reststoffsammlung geben
Getty Images/iStockphoto

Weshalb sind die Kapseln dann so teuer?
Weil der Verpackungsaufwand riesig ist. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat ausgerechnet, dass der Verpackungsanteil am Gewicht bei NCC-Kapseln bei etwa 40 Prozent liegt. Bei einigen Premium-Herstellern, die etwa noch ausgefeiltere Plastikkapselsysteme anbieten, ist der Verpackungsanteil sogar noch höher.

Sind alle Kapseln aus Aluminium?
Die meisten, weil es für den Kaffee den besten Schutz vor Umwelteinflüssen bietet und als Rohstoff unendlich oft wiederverwertbar ist – wenn man es denn sammelt und recyceled. Einige Hersteller produzieren ihre Kapseln auch als Plastik.

Werden Kaffeekapseln in Österreich wiederverwertet?
Ja, wenngleich mit durchwachsenem Erfolg. Nespresso selbst bietet seinen Kunden ein Sammelsystem an, bei dem diese ihre gebrauchten Kapseln in allen Filialen und an weiteren Sammelpunkten abgeben können, diese werden dann bei einem spezialisierten Betrieb in Tirol recycled. Die Rcyclingrate liegt hier laut Nespresso bei etwa 38 Prozent (in der Schweiz bei über 60 Prozent).

Zusätzlich hat der Österreichische Kaffee- und Teeverband gemeinsam mit der ARA (Altstoff Recycling Austria) von Oktober 2023 bis März 2024 ein Pilotprojekt in drei Modellregionen gestartet, bei dem in sechs Monaten 9,1 Millionen Kapseln (= 120 Tonnen) gesammelt und wiederverwertet wurden. Ob bzw. in welcher Form dieses Projekt weiter geführt wird, ist aber bis jetzt noch nicht entschieden.

Kaffeekapseln in einer Sortieranlage in der Schweiz. Bei den Eidgenossen werden 60 Prozent der verkauften Nespresso-Kapseln wiederverwertet, in Österreich sind es derzeit 38 Prozent
Kaffeekapseln in einer Sortieranlage in der Schweiz. Bei den Eidgenossen werden 60 Prozent der verkauften Nespresso-Kapseln wiederverwertet, in Österreich sind es derzeit 38 Prozent
GAETAN BALLY / Keystone / picturedesk.com

Wie viele Kaffeekapseln landen also im Müll?
Nach Schätzungen von Greenpeace aus dem Jahr 2023 – da es keinerlei offizielle Absatzzahlen gibt, musste aus dem Pro-Kopf-Verbrauch an Kaffee und den geschätzten Kapsel-Anteilen eine Summe ermittelt werden – werden in Österreich pro Jahr etwa 500 Millionen Kaffeekapseln konsumiert. In Anbetracht der Recycling-Rate heißt dass, das alljährlich aus etwa 310 bis 365 Millionen nicht wiederverwerteten Kaffeekapseln zwischen 1.250 und 1.462 Tonnen Aluminium, Kunststoff und Papier im Restmüll landen.

Werden die neuen kompostierbaren Kapseln von Nespresso daran etwas ändern?
Das bleibt zu hoffen. Ab sofort bietet der Hersteller sechs verschiedene Kaffees in kompostierbaren Kapseln an, die zu 82 Prozent aus Papier-Zellstoff und der Rest aus einer Biopolymerschicht bestehen. Nach dem Gebrauch kann man die Kapseln komplett in den Kompost geben, wo sie sich laut TÜV-Zertifikat binnen maximal sechs Monaten komplett zersetzen.

Neues Leben aus alten Kapseln: die kompostierbaren Kapseln von Nespresso sollen das möglich machen
Neues Leben aus alten Kapseln: die kompostierbaren Kapseln von Nespresso sollen das möglich machen
Getty Images/iStockphoto

Sind die kompostierbaren Kapseln 1:1 vergleichbar mit den Alu-Kapseln?
Nur zum Teil. Der Preis ist exakt derselbe, die Haltbarkeit der Kapseln in ungeöffnetem Zustand beträgt sechs Monate, bei den Alu-Kapseln zwölf Monate (wobei hier die tatsächliche Haltbarkeit noch wesentlich länger ist). Zudem sollte man die Bio-Kapseln, hat man die Überverpackung erst einmal geöffnet, binnen vier Wochen verbrauchen, weil sich sonst die Kapselhülle durch den Sauerstoff in der Luft verändern und die Geschmacksqualität des Kaffees beeinflussen kann. Er wird dadurch nicht schlecht oder gar schädlich, aber er verliert dennoch an Geschmack.

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