US-Wahl

Schweiß, Öl, Erdäpfel: Was bisher TV-Duelle in den USA entschied

Vor 64 Jahren fand in den USA die erste TV-Konfrontation statt. US-Experte Eugen Freund über die Geschichte und die Geschichten der Fernseh-Duelle.

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Schon auf die ersten Schritte wurde Augenmerk gelegt: Schaffte es Joe Biden (81) bis zum Rednerpult, ohne zu stolpern. Oder besser: Schaffte er es, ohne wie ein wirklich alter Mann zu wirken? Denn eines ist in diesem Wahlkampf auch abseits der TV-Duelle sicher: Körperlich ist ihm Donald Trump (78), obwohl nur drei Jahre jünger, deutlich überlegen. Es waren schon bisher oft die Kleinigkeiten, die über Sieger und Verlierer in Konfrontationen entschieden.

USA-Experte Eugen Freund vor einem Bild von Joe Biden am Korrespondenten-Dinner
USA-Experte Eugen Freund vor einem Bild von Joe Biden am Korrespondenten-Dinner
Denise Auer, Picturedesk (Montage)

Schweiß entscheidet

Werfen wir einen Blick in die Geschichte der Fernseh-Duelle von Präsidentschaftskandidaten. Die erste fand am 26. September 1960 statt. Damals trafen Richard Nixon, der erfahrene Vizepräsident, und John F. Kennedy, der jugendliche Senator aus einer einflussreichen Politiker-Dynastie, aufeinander.

Fernsehen machte Kennedy zu Sieger Inhaltlich ist von dieser Auseinandersetzung wenig in Erinnerung. Denn Kennedy siegte wegen reiner Äußerlichkeiten: Nixon war davor krank gewesen, hatte dunkle Ringe unter den Augen, Bartstoppeln verdunkelten sein Gesicht, er hatte sich - weil er wenig Erfahrung mit TV-Auftritten hatte - kaum schminken lassen und transpirierte deutlich sichtbar - was als Schwäche und Aufgeregtheit ausgelegt wurde. Dagegen wirkte Kennedy souverän, auch wenn er inhaltlich nicht so deutlich punkten konnte.

US-Präsident Donald Trump mit Herausforderer Joe Biden bei der TV-Debatte am 22. Oktober 2020 in der Belmont University in Nashville, Tennessee
US-Präsident Donald Trump mit Herausforderer Joe Biden bei der TV-Debatte am 22. Oktober 2020 in der Belmont University in Nashville, Tennessee
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Das zeigte sich vor allem  bei der nachträglichen Auswertung: die politisch Interessierten, die die Debatte damals nur im Radio mitverfolgten, entschieden sich eindeutig für Nixon, die Fernsehzuseher waren ganz klar auf der Seite von Kennedy. Kennedy gewann danach auch die Wahlen.

Ford fuhr ins Abseits In den Jahren darauf legte man dann immer mehr Wert auf das, was die Politiker von sich gaben. Gerald Ford verstieg sich 1976 zur Behauptung, die Sowjetunion würde Osteuropa nicht dominieren und "das werde es unter meiner Administration auch nicht geben!" Die gab es damals freilich tatsächlich nicht viel länger. Präsident Ford verlor, nachdem man ihm das ständig vorgehalten hatte – schließlich war man noch mitten im Kalten Krieg –, die Wahlen gegen den Gouverneur von Georgia, Jimmy Carter.

Reagan war schlagfertig Carter selbst hatte vier Jahre später einen formidablen Gegner, zumindest was Auftritte vor der Kamera betraf. Ronald Reagan war von Beruf Schauspieler, er hatte es allerdings auch zum Gouverneur von Kalifornien gebracht. Seine Schlagfertigkeit ("Here you go again!") sein Mienenspiel, auch generell sein Optimismus ließen den viel jüngeren Präsidenten alt aussehen. Das und auch viele politische Faktoren (Ölkrise, Geiselnahme in Teheran), machten aus Carter einen One-Term-President. Er ist heute übrigens mit 99 Jahren der älteste noch lebende ehemalige US-Präsident.

Fans bejubeln Donald Trump am 18. Juni 2024 in Racine, Wisconsin
Fans bejubeln Donald Trump am 18. Juni 2024 in Racine, Wisconsin
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Auch Vizepräsidenten können stolpern

Gelegentlich sorgten auch Debatten zwischen Vizepräsidenten (oder Amtsbewerbern) für heftige Schlagzeilen. So etwa 1988, als der junge Dan Quayle als Vize von George Bush Senior in den Ring stieg und sich dort mit seinem lang gedienten Senator-Kollegen Lloyd Bentsen messen musste.

Erdäpfel als Stolperstein Unvergesslich ist dabei folgender Debattenausschnitt geblieben: Quayle: "Alter ist nicht immer entscheidend, es geht auch darum, was man erreicht hat, welche Erfahrung man gesammelt hat … Ich habe mehr Erfahrung als John F. Kennedy, als er das Amt des Präsidenten anstrebte …" Bentsen: "Ich habe mit Kennedy gearbeitet. Ich kannte Kennedy. Kennedy war mein Freund - Herr Senator, sie sind kein Jack Kennedy!" Diese Punze wurde Quayle nie wieder los, auch wenn sein Chef, Bush Senior, dann die Wahlen doch gewann.

Noch tiefer ins Fettnäpfchen trat Vizepräsident Quayle kurz danach, als er beim Besuch einer Volksschule die Mehrzahl von Erdäpfeln, also "potato" mit "potatos" statt mit "potatoes" wiedergab - auch das blieb ewig an ihm hängen.

Nicht immer spielt TV eine Rolle Bei aller Schärfe der Auseinandersetzung, TV-Dabatten blieben bis zum ersten Auftritt von Donald Trump immer zivilisiert. Al Gore punktete gegen George W. Bush zwar in der Fernsehdebatte im Jahr 2000, doch die in den USA - mit ganz wenigen Ausnahmen - regelmäßig stattfindende Pendelbewegung (nach zumindest zwei Perioden, in denen eine Partei einen Präsidenten stellt, kommt dann wieder die andere Partei dran) und das Urteil des Obersten Gerichtshofs über die Zählung in Florida machten seinen Anspruch auf das Präsidentenamt zunichte.

Obama überlegen Geradezu langweilig verlief die erste Konfrontation zwischen dem relativ unerfahrenen Senator Barack Obama und dem alten Haudegen und Vietnam-Kriegsveteranen John McCain im Jahr 2008. Sucht man dort nach entscheidenen Momenten, kommen nur Sachthemen zum Vorschein: die wirtschaftliche Erholung, Unternehmens-Steuern, die Finanzkrise usw. Kein einziger "denkwürdiger Moment", der mir in Erinnerung geblieben wäre.

    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
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    Trump kennt keine Grenzen

    2016 stießen Donald Trump und Hillary Clinton drei Mal aufeinander - einmal konnte das beinahe wörtlich genommen werden: während Clinton sprach, näherte sich Trump Schritt für Schritt ihrem Podium, bis er so knapp hinter ihr stand, dass sie beinahe seinen Atem spüren konnte.

    "Nicht alle Tassen im Schrank" Doch damals griff der ehemalige Fernsehstar ("The Apprentice") und Geschäftsmann nicht wirklich tief in die Beleidigungs-Tasche, wie er es jetzt bei fast allen Reden gegenüber Joe Biden tut. Dass dieser "der schlechteste Präsident aller Zeiten" sei, wirkt geradezu harmlos gegenüber den ständig verwendeten Attributen "crooked Joe" (also "betrügerischer Joe"), er sei "krank" und habe "nicht alle Tassen im Schrank" - sein Reservoir an Schimpfworten versiegt nicht.

    Biden zeigte sich aber gegenüber Triump bisher auch nicht zimperlich. Der sei ein "Krimineller" (immerhin hat ihn ein New Yorker Gericht kürzlich wegen eines Verbrechens verurteilt) oder ein "Rassist".

    Man konnte mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass diese Wortwahl auch Eingang in die kommende TV-Debatte finden wird. Es war übrigens die früheste, die je in einem Präsidentschaft-Wahlkampf abgehalten wurde.

    Eugen Freund war Moderator der ZiB 1, lebte von 1979 bis 1984 in New York und war von 1995 bis 2001 in Washington als ORF-Korrespondent tätig. Er war Teil der SPÖ-Delegation im Europa-Parlament und ebendort Mitglied der USA-Delegation (2014-2019)

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