Kopfnüsse
Sondierung ins Glück: Ab jetzt geht's nur mehr ums Geld
Also doch! Noch zwei Treffen, dann starten ÖVP und SPÖ die Verhandlungen mit den NEOS über eine neue Regierung. Wie es dazu kam, welche Rolle Georg Dornauer dabei spielte. Und warum die Angst vor dem kommenden Sonntag umgeht.
Ehe die Sondierungen richtig los gingen, wurde diesmal vorsichtig in eigener Sache sondiert. Was dann passierte, machte die neue Stimmung für alle Ohren im Raum augenfällig. Das Klima zwischen den Verhandlern hatte sich in den 48 Stunden davor gewandelt, und das deutlich.
Mit KI-Stimme: Ab jetzt geht es nur mehr ums Geld
Als ÖVP und SPÖ am Dienstag im Palais Epstein beieinandersaßen, war der derzeit prominenteste Freischütz des Landes schnell ein Thema, zumindest auf der einen Seite des Tisches. Im schwarzen Team machten Schmähs über Georg Dornauer die Runde, aber es blieb zunächst beim Getuschel.
Ob es die Kolleginnen und Kollegen eh nicht störe, dass man ein paar Witze über den Tiroler Landesvize mache, fragte schließlich jemand aus dem Verhandler-Team der Volkspartei, und wie derb die Scherze ausfallen dürften. Alles gut, bekundete die SPÖ-Mannschaft, einige lächelten in der Folge herzhaft mit.
Zu diesem Zeitpunkt war längst entschieden, wie es mit den Regierungsgesprächen, die noch keine Regierungsgespräche sind, weiter geht. Am späten Nachmittag griff Karl Nehammer schließlich zum Telefon und lud Beate Meinl-Reisinger für Mittwoch, 11 Uhr, ins Palais Epstein ein. Ab heute wird zu dritt sondiert.
Am anderen Ende des Landes sondierte die SPÖ am selben Tag ebenfalls in eigener Sache. Von Vorsicht aber konnte keine Rede sein. Seit ein Foto aufgetaucht ist, das den Genossen Vorsitzenden bei der Jagd mit Milliarden-Häuslbauer Renè Benko zeigt, hat der Spaß in der Tiroler Landespartei ein Loch.
Am 29. September wählte Österreich einen neuen Nationalrat. Am Vortag erreichte die Spannung ihren Höhepunkt, jeder ging damit anders um. Georg Dornauer, SPÖ-Vorsitzender in Tirol und seit rund einem Jahr Landeshauptmann-Stellvertreter, entschleunigte bei der Jagd auf einen Hirsch der Güteklasse III und das weit abseits der Heimat, im befreundeten Ausland quasi.
Im Schengengebiet Steiermark werden pro Jahr rund 12.000 Stück Rotwild erlegt, etwa ein Viertel davon sind Hirsche. Ein paar werden auch im Stüblergut am Gaberl, rund 70 Kilometer westlich von Graz, über den eigenen Haufen geschossen. Renè Benko, der selbst ohne Geld erstaunlich viel Geld hat, besitzt hier ein Jagdgut.
Genau genommen hat die Laura Privatstiftung die Hand drauf, Benkos Mutter ist die Begünstigte der Stiftung. Das erklärt auch, warum der Leider-nicht-mehr-Milliardär immer noch lebt wie ein Milliardär. Mittellosigkeit kennt in Österreich eben unterschiedliche Ausprägungen.
Um das 1.270 Hektar große Stüblergut hatten sich im Dezember 2020 zwei gut Betuchte ein Bietermatch geliefert, die Murtaler Zeitung berichtete damals darüber. Dietrich Mateschitz hatte schließlich das Nachsehen, Benko schnappte sich das Gebiet, er soll dafür laut Bloomberg 30 Millionen Euro gezahlt haben.
Am Samstag vor sechs Wochen gingen hier drei Männer auf die Pirsch, Benko, ein Tiroler Hotelier und Dornauer, für ihn war das eine heikle Angelegenheit. Denn vor fünf Jahren war dem SPÖ-Landeschef ein "Fehler" unterlaufen, wie er später eingestand. Er hatte seine Jagdwaffe im Porsche vergessen.
Das wäre jetzt etwas protzig, aber sonst nicht weiter schlimm gewesen. Der Porsche stand jedoch im Parkhaus des Innsbrucker Flughafens, das Fenster war offen, die Waffe lag geladen am Rücksitz. Dornauer war zum Parteitag von Hans Peter Doskozil ins Burgenland geflogen, er fühlte sich dort offenbar mit Gewähr ohne Gewehr sicher.
Der häufig verhaltensauffällige Tiroler Rote bekam ein unbefristetes Waffenverbot auferlegt, wollte die Flinte aber nicht für alle Zeit ins Korn werfen und stellte kürzlich den Antrag auf Aufhebung des Verbots. Der Steiermark-Ausflug könnte das Vorhaben zerschossen haben.
Das war am 28. September aber noch kein Thema. Vielleicht war Dornauer an diesem Tag auch in den Wald gegangen, um seiner SPÖ die letzten verfügbaren Wähler zuzutreiben. Belegbar ist, dass der Jagdgesellschaft ein 72 Kilo leichter Hirsch begegnete, ob er Andreas Babler zugeneigt war, oder sich eher Rudi Fußi näher sah, ist unklar. Fragen geht jetzt schwer.
Denn ein Foto, veröffentlicht am Montag in der Morgenausgabe der "Kronen Zeitung", zeigt den Hirsch tot am Boden liegend. 3er-Hirsche sind zwischen einem und vier Jahren alt. Beim Exemplar, dem Dornauer auf dem Lichtbild die Stange hält, handelt es sich um einen Sechsender, er dürfte also so um die zwei Jahre alt gewesen sein.
Dornauer will ihn nicht um die Ecke gebracht haben. Er beteuert das, der Tiroler Hotelier beteuert das. Er beteuert auch, der wahre Schütze gewesen zu sein. Auch in diesem Fall kann man den Hirsch nicht mehr befragen. Kismet!
Selbst beim Hut von Dornauer brächte ein Lügendetektor-Test kaum Erkenntnisse, obwohl ihm in der Angelegenheit eine entscheidende Rolle zukommt. Dazu muss man wissen: Jäger stecken sich einen sogenannten "Beutebruch" oder "Schützenbruch" rechts in den Hut, wenn sie ein Wild erlegt haben. Nicht hinterfragen, ist einfach so.
Am "Krone"-Foto sieht man, dass Dornauer tatsächlich ein Aststück im Hut stecken hat, er will die Kopfbedeckung aber getauscht haben. Nicht mit dem Hirsch, der hat nichts zum Tauschen auf.
Es sei nicht sein Hut, sagt Dornauer, aber er hat schon viel gesagt im Leben. Warum Jäger überhaupt nach einem Abschuss die Hüte tauschen sollten, bleibt ein Rätsel. Auch die Frage, warum sich Dornauer in einer solchen verfänglichen Situation hat fotografieren lassen und nicht auf der Hut war, ist ein Mysterium.
Ob die Märchenstunde für Dornauer rechtliche Folgen hat, darf bezweifelt werden. Stand gestern Abend hatte er noch eine politische Karriere, sie dürfte aber eher der Vergangenheit zugeneigt sein. Vielleicht meldet sich der tote Hirsch irgendwann zu Wort, beendet das unwürdige Spiel und sagt inbrünftig: "Jetzt reicht's aber!"
In Tirol geht etwas zu Ende, in Wien beginnt etwas neu. Österreich steuert erstmals auf eine Dreierkoalition zu und die Weichen dafür wurden am Wochenende gestellt. Da brachten die NEOS etwas Dynamik in die Sondierungen, denen ein Schicksal drohte wie dem steirischen Hirsch.
Zunächst forderte Generalsekretär Douglas Hoyos den Posten des Finanzministers für seine Partei ein. Das sorgte bei den zwei Sondierern für Hyperventilation. Dann stellte Beate Meinl-Reisinger den Beutebruch ins Fenster. Sie bestand darauf, nicht erst gegen Ende hin, sondern am Beginn von Regierungsverhandlungen am Tisch zu sitzen. Das löste die zweite Hyperventilation aus.
In dieser Situation ging der Volkspartei ein Licht auf. Mit der Eingemeindung der NEOS in die Sondierungen könnte sie zwei Klappen mit einer Fliege schlagen. Die SPÖ unter Druck zu setzen und die Grünen endgültig vom Tisch verbannen. Und so kam es auch.
Fortan nahm Kanzler Karl Nehammer vor Beginn von Gesprächen stets deren Ergebnis vorweg. Nach den Sondierungen mit den NEOS am Montag, von der SPÖ vorab gar nicht als Teil der Sondierungen qualifiziert, war alles angerichtet.
Am Dienstagnachmittag trafen sich ÖVP und SPÖ in großer Runde und endlich fielen Entschlüsse. Die "Cluster-Struktur" wurde finalisiert, die Untergruppen stehen also. Stand gestern werden es sieben sein, sie tragen Arbeitstitel wie "Sicherheit" oder "Wirtschaftsstandort" oder "leistbares Leben".
Nun kann begonnen werden, Expertinnen und Experten für die Untergruppen zu nominieren. Hier sollen in den nächsten Wochen die relevanten Entscheidungen für ein Regierungsprogramm fallen.
Am Mittwoch und am Donnerstag treffen sich die drei Parteien noch zwei Mal zum Sondieren und das nunmehr in einer Runde von 18 Personen. Für die NEOS-Teams ziehen Meinl-Reisinger, ihre Stellvertreter Claudia Gamon und Christoph Wiederkehr, Generalsekretär Douglas Hoyos, Klubvize Nikolaus Scherak und Klubdirektor Armin Hübner ein.
Am Montag sollen dann endgültig die Regierungsverhandlungen starten. In Woche 8 nach der Wahl.
Noch am Dienstag erhielt eine Abordnung der NEOS einen ersten Einblick in die Arbeit der Budgetgruppe. Sie wurde von den Sondierern eingerichtet, um einen Überblick über die Finanzsituation des Landes zu bekommen. In der Budgetgruppe sitzen keine TV-bekannten Wirtschaftsforscher, sondern Zahlenmenschen, jede Partei konnte bis zu drei Personen nominieren.
Das macht klar, wohin die Reise geht. Die Regierungsverhandlungen werden von drei Themen dominiert werden: Geld, Geld und Geld. Vor allem von Geld, das wir nicht haben, 4,4 Milliarden Euro müssen gefunden werden. Pro Jahr.
Hinter dem Thema Finanzen wird sich alles verstecken, worüber die drei Parteien uneins sind, von Migration bis zu Vermögenssteuern. Was wir vor Weihnachten oder danach unter den Baum gelegt bekommen, wird kein Regierungsprogramm sein, sondern ein Sanierungsplan für Österreich.
Und die nächste Hiobsbotschaft wartet schon. Am Sonntag sollen die neuen Finanzzahlen der EU-Kommission für Österreich kommen. Es werden keine Geschenke erwartet.
Ich wünsche einen präsenten Mittwoch. Bis in einer kleinen Weile!