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Taylor Swifts neues Album: Der Sound der Generation TikTok
"The Tortured Poets Department": Taylor Swift veröffentlicht ihr elftes Album und Fans sind weltweit aus dem Häuschen. Alles, was man dazu wissen muss.
Beinahe wäre in letzter Sekunde noch alles schief gegangen. Jedenfalls ein wenig. Denn während Abermillionen Taylor-Swift-Fans immer hysterischer den 19. April und das Erscheinen des neuesten Albums der Pop-Göttin herbeisehnten, wurden nur Stunden vorher auf X (vormals Twitter) und dem Messengerdienst Telegram (der mit der Kreml-Nähe) einzelne Snippets, aber auch das ganze Album der Sängerin geleakt und angeblich hunderttausende Mal downgeloaded, ehe dem ein elektronischer Riegel vorgeschoben wurde.
Doch während der US-Superstar dazu – jedenfalls vorerst – schwieg, machten viele Swifties", wie sich die Hardcore-Fans von Taylor Swift selbst nennen, ihrem Ärger über dieses Verhalten in den sozialen Medien Luft: "Wenn du Musik leakst, bist du ein Verlierer und allein im Leben und gemein", war da etwa zu lesen. Autsch.
Veröffentlichung mit vielen Wochen Anlauf Zynischere Beobachter vermuteten indes, die omnipotente PR-Abteilung des Superstars könnte selbst hinter dem Leak stecken, um den Hype um das neue Werk von Miss Swift auf den letzten Metern noch einmal ordentlich zu befeuern. Denn seit der Ankündigung der Sängerin bei den Grammy Awards Anfang Februar, dass ihr neues Album bereits fertig und in der Pipeline sei, wurde ein beispielloses PR-Feuerwerk auf allen nur denkbaren Plattformen und Ebenen für "The Tortured Poets Department" abgefackelt, um die Gier der Swifties laufend zu steigern.
"The Tortured Poets Department" Aber wie dem auch sei, nun ist es endlich da, das jüngste Werk der erfolgreichsten Sängerin aller Zeiten. Es ist ihr elftes Album in 18 Berufsjahren, ein sehr beachtlicher Schnitt. Zum Vergleich: Beyoncé, deren jüngstes Album "Cowboy Carter" ebenfalls erst vor wenigen Wochen erschienen ist und international seither durch die Decke geht, hat in 21 Jahren gerade einmal acht Alben abgeliefert. Vorteil Taylor.
Etwas Info, viel Spekulation Details über das Album wurden vorab kaum veröffentlicht. Minihäppchenweise gab es Infos auf Social Media (siehe oben), den Erscheinungstag, das Coverbild, die Track-Liste, ein paar Zeilen aus der Feder der Ober-Poetin, das war's schon. Und je weniger Taylor sagte (bzw. sagen ließ), desto mehr schossen die Spekulationen ins Kraut. Über den poetisch-verwirrenden Titel, den Erscheinungstag (der 19. April ist in den USA der "Tag der Poesie und der kreativen Köpfe"), den Inhalt der Songs und Taylors Inspirationen für das Album. Denn die Singer-Songwriterin, die jedes ihrer Lieder selbst schreibt, bezieht ein Gutteil ihrer Kreativität aus ihrem eigenen Leben und den Wendungen, die dieses nimmt.
Keinerlei Vorab-Infos Und wie das Album klingt, darüber muss sich zunächst jede(r) seine eigene Meinung bilden, denn es wurden vorab überhaupt keine Songs freigegeben, nicht für die Presse, nicht für den Handel, null. Bei Ö3, Österreichs Musiksender Nummer Eins, wo man den 19. April anlässlich des Releases kurzerhand zum Taylor-Swift-Tag gemacht hat, ist man genauso gespannt wie überall.
"Wir entscheiden während des Ö3-Weckers gemeinsam mit etlichen Swifties, welche Nummer aus dem neuen Album wir im Wecker spielen werden", ist aus der Musikredaktion des Senders zu hören. Zusätzlich wird sich das Thema Taylor Swift durch den ganzen Tag ziehen, mit Berichten über das Album, den Swiftie-Hype und das Wirtschaftsimperium, zu dem die Sängerin aus Reading in Pennsylvania in den letzten zwei, drei Jahren geworden ist.
Wer sind die gequälten Poeten? Der Titel von Taylor Swifts neuem Albums lautet "The Tortured Poets Department" ("TTPD"), übersetzt etwa "Die Fakultät der gequälten Poeten". Swifties rund um den Erdball sind überzeugt, dass das bestimmende Thema der Scheibe die Trennung der Sängerin von ihrem langjährigen Partner Joe Alwyn ist. Mit dem englischen Schauspieler war Swift von 2016 bis 2023 liiert, die Trennung soll, glaubt man Internet-Klatschspalten, nicht harmonisch verlaufen sein. Wichtigstes Indiz aber: Alwyn selbst gab in einem Interview zu, zum Zeitpunkt seiner Beziehung mit Taylor mit zwei Buddies eine Chat-Gruppe namens "The Tortured Men Club" – "Der Club der gequälten Männer" – geführt zu haben. Kein guter Stil in einer Beziehung, indeed.
Emotionalität pur Und wer Taylor Swifts Karriere und ihre Art, Lieder zu schreiben, auch nur ein wenig verfolgt, der weiß, dass der Superstar nicht nur Inspiration und Kreativität aus seinem Privatleben zieht, sondern dieses immer wieder ganz direkt in seinen Arbeiten thematisiert. Dementsprechend sagte sie auch bei einem Konzert ihrer aktuellen "Eras"-Tour am 16. Februar in Melbourne: "Das neue Album, Tortured Poets, war mehr als alle anderen Alben, die ich je gemacht habe, eine Rettungsleine für mich." Und weiter: "Songwriting ist etwas, das mir beim Leben hilft. Und es gab noch kein Album, bei dem ich das Songwriting mehr gebraucht habe."
Read my Lips! Und so glauben zahlreiche Fans, dass die vier "Seiten" des Albums (es gibt auch eine Vinyl-Version, wo diese Einteilung tatsächlich noch zutrifft) den vier Phasen der Trauer entsprechen, also Leugnen – Zorn – Verhandeln – Akzeptanz, und sich ganz konkret auf das Ende der Liebe zum Briten beziehen. Und wenn man sich die Titel der einzelnen Tracks anschaut, ist man rasch gewillt, den Fans und ihren Theorien recht zu geben:
Side A (Leugnen)
- Fortnight (ein altenglischer Begriff für einen Zeitraum von 14 Nächten, möglicherweise hat solch ein Zeitraum eine Rolle beim Trennungsprozess des Paares gespielt)
- The Tortured Poets Department (nimmt wohl Bezug auf die Chat-Gruppe ihres Ex)
- My Boy Only Breaks His Favorite Toys (etwa: mein Typ zerstört nur das, was er wirklich mag – no more words needed)
- Down Bad (etwa: mies gelaufen)
Side B (Zorn)
- So Long, London (Tschüss, London - der fünfte Titel auf dem Album, der auf jedem Swift-Album als der emotionalste gilt)
- But Daddy I Love Him (Aber Papa, ich liebe ihn doch – die Botschaft ist klar, es könnte zudem eine Anspielung auf den Disney-Film "Arielle, die Meerjungfrau" sein)
- Fresh Out the Slammer (bezieht sich wahrscheinlich auf den Song "Ready For It?" aus dem Album "Reputation" von 2017 und meint, dass sie ausgebrochen ist aus der Beziehung, in der sie sich eingesperrt gefühlt hat)
- Florida! (das erste Konzert, das Taylor nach der Nachricht über die Trennung von Joe Alwyn gab, war in Tampa, Florida)
Side C (Verhandeln)
- Guilty As Sin? (verweist auf einen alten Taylor-Song aus dem Film "Wo die Flusskrebse singen", wo es um die Beziehung zu einem Lügner geht)
- Who's Afraid Of A Little Old Me? (Wer hat Angst vor meinem kleinen, alten Ich? – könnte als Anspielung auf das Theaterstück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" verstanden werden, in dem ebenfalls eine Beziehung zerbricht)
- I Can Fix Him (No Really I Can) (Ich kann ihn wieder heil machen, wirklich – möglicherweise eine Anspielung auf Taylors Kurzzeitbeziehung mit Matty Healy nach dem Aus mit Joe Alwyn)
- loml (Akronym für Love Of My Life, also Liebe meines Lebens – Joe?)
Side D (Akzeptanz)
- I Can Do It With A Broken Heart (Ich schaffe es auch mit gebrochenem Herzen – bezieht sich auf Taylors Durchhaltevermögen auf ihrer aktuellen "Eras"-Tour, obwohl sie durch die Trennung vollkommen neben sich steht)
- The Smallest Man Who Ever Lived (Der kleinste Mann, der je gelebt hat – keinesfalls ein Kompliment für den, der gemeint ist)
- The Alchemy (Die Alchemie – Alchemisten wollten früher diverse Stoffe in Gold verwandeln, diese Bedeutung könnte auch Taylor im Sinn haben: Etwas, das kein Gold ist, für golden halten)
- Clara Bow (ein Filmstar aus der Stummfilmzeit, die den Spitznamen "The It-Girl" trug – Taylor?)
Ein Leben in Liedern Alleine die Tatsache, dass sich wirklich alle Songs auf "TTPD" so gut auf Taylors Leben und ihre Situation in den letzten zwei Jahren projezieren lässt, sagt schon viel über die wahre Bedeutung aus, die ihre Songs für das Leben der Künstlerin haben. Und es ist auch eine schlüssige Erklärung dafür, weshalb Taylor Swift in den letzten Jahren von EINER sehr erfolgreichen Sängerin zu DER erfolgreichsten und meist geliebten Künstlerin des Planeten aufgestiegen ist.
Der Sound der Generation TikTok Kurz gesagt: Taylor spricht die Sprache ihrer Fans, sie teilt all ihre Emotionen mit ihren Fans, sie wirkt authentisch und teilt sich ihren Anhängern im Stil und mit den Codes mit, die diese aus Social Media kennen und schätzen. Taylor Swifts Songs sind allesamt Botschaften für die Generation TikTok. Und wer nicht mit Social Media und den Gepflogenheiten und Befindlichkeiten dieser Community sozialisiert worden ist, kann und wird auch die Musik von Taylor Swift nicht verstehen.
Weltweites Phänomen Aber die, die es verstehen, werden immer mehr – und sie sind auf der ganzen Welt zuhause. Auch das spricht für Taylor Swift als wichtigste Stimme der Generation TikTok: Sie wird auf der ganzen Welt gleichermaßen verstanden, ist kein lokales Phänomen. Das ist einzigartig im modernen Musik-Business, und es hat Taylor Swift zur erfolgreichsten und reichsten Künstlerin aller Zeiten gemacht.
Superlative des Superstars Keine hat bisher mehr Geld alleine mit ihrer Musik verdient als sie (auf aktuell 1,1 Milliarden Dollar schätzte sie das "Forbes"-Magazin vor kurzem); Vier Grammys für das jeweils beste Album (keine hat mehr); Insgesamt 14 Grammys bisher (hier liegt nur Beyoncè noch vor ihr, die bislang 32 dieser Auszeichnungen gesammelt hat); Als einzige Künstlerin die ersten zehn Plätze der US-Billboard-Charts im Alleingang belegt (2022 mit den Songs Aus ihrem Album "Midnights"); Pro Monat mehr als 100 Millionen Zuhörer auf der Streamingplattform Spotify (hatte auch noch niemand vorher); Und zum Drüberstreuen die erste Künstlerin überhaupt, die vom US-Magazin "Time" zur "Person des Jahres" gekürt worden ist – geschehen Ende 2023.
"Person of the year" In seiner Begründung für diese Entscheidung, schrieb "Time"-Chefredakteur Sam Jacobs blumig: "Taylor Swift hat in einem schwierigen Jahr voller Spaltung und Dunkelheit einen Weg gefunden, Grenzen zu überwinden und eine Quelle des Lichts zu sein. Niemand sonst ist derzeit so gut darin, so viele Menschen zu bewegen. Sie setzt sich dafür ein, den Träumen, Gefühlen und Erfahrungen von Menschen Wert zu verleihen, insbesondere von Frauen, die sich übersehen und oft unterschätzt fühlen."
Solidarität mit allen, die empfinden wie sie Diese Laudatio mag zwar etwas schwülstig klingen, sie trifft aber den Nagel auf den Kopf: Taylor Swift gibt ihren Fans immer das Gefühl, eine von ihnen zu sein, Privatjet hin, Milliardenvermögen her. Sie ist trotz allem das kleine, blonde Girl aus Pennsylvania geblieben, dass zunächst nach Nashville, Tennessee gegangen ist, um ihre Träume vom Leben als Musikerin zu verwirklichen, und dann nach London, um ihre Liebe zu finden. Das eine ist geglückt, das andere gescheitert, aber hey, that's life. Aufstehen, Krone richten, weitermachen. Das ist die Botschaft von Taylor für ihre Fans, generell und auch auf ihrem neuen Album – und die danken es ihr mit aller Liebe, zu der sie fähig sind. Und das ist eine ganze Menge.