MONIKA ROSEN
Türkei-Urlaub: Ist die "Döner-Inflation" gut oder schlecht für mich?
Fast 70 Prozent Teuerung, die Gastro-Preise haben sich seit dem Vorjahr verdoppelt: Geld-Profi Monika Rosen analysiert die Türkei.
Die Teuerung ist weltweit und selbstverständlich auch in Österreich ein dringliches Thema, aber das ist alles nichts im Vergleich zur Türkei. Das Land kämpft mit einer der höchsten Inflationsraten weltweit, im April waren es fast 70 Prozent, und das, obwohl die türkische Notenbank seit Juni des Vorjahres massive Zinsanhebungen durchgeführt hat. Die Nationalbanker hoffen nun, dass der Höhepunkt der Inflation mit dem Mai erreicht wird und sich die Situation danach langsam entspannt.
Die dramatische Teuerung schlug im März erstmals auch politisch durch, die Opposition konnte sich bei den landesweiten Kommunalwahlen stark in Szene setzen. Wie konnte die Situation so aus dem Ruder laufen, und was heißt das für den türkischen Tourismus? Monika Rosen gibt Antworten.
Wie sieht die aktuelle Inflation in der Türkei aus?
Die Teuerungsrate hat im April mit 69,8 Prozent die Marke von 70 Prozent nur um ein Haar verfehlt. So kurios es klingt, dieses Ergebnis ist sogar noch etwas besser als erwartet. Ökonomen waren im Vorfeld nämlich von einem Wert knapp über 70 Prozent ausgegangen.
Wie kam es zu dieser exorbitant hohen Teuerung?
Vereinfacht gesagt, ist die hohe Inflation der Türkei ein Ergebnis unorthodoxer Geldpolitik. Die Notenbank des Landes hat (ausgelöst durch politischen Druck) lange Zeit die Zinsen gesenkt, obwohl die Inflation ständig angestiegen ist. Das wiederum schwächte die türkische Lira, Importe verteuerten sich und die Inflation wurde noch mehr angeheizt.
Und dann gab es eine Wende, oder?
Ja, nach den Wahlen im Mai 2023 kamen sowohl ein neuer Finanzminister, als auch eine neue Notenbank-Chefin (die mittlerweile schon wieder abgelöst wurde) ins Amt. Die Leitzinsen wurden zwischen Juni 2023 und März 2024 von 8,5 auf 50 Prozent (!) angehoben. Man zeigt sich zumindest für den Moment entschlossen, auf die starke Teuerung zu reagieren. Zinsanhebungen brauchen aber oft einige Monate oder sogar Quartale, bis sie wirken. Insofern hofft die Notenbank derzeit, dass sie mit dem Leitzins von 50 Prozent das Auslangen findet.
Die türkische Lira hat massiv abgewertet. Hat das auch mit der Inflation und den Zinsen zu tun?
Unbedingt. Da die hohe Inflation nicht durch Zinsanhebungen bekämpft wurde, zogen die Investoren immer mehr Kapital ab. Die Lira wertete gegenüber den westlichen Währungen, vor allem zum Dollar, massiv ab. In Zahlen ausgedrückt: in den letzten fünf Jahren hat die Lira zum Dollar über 80 Prozent ihres Wertes verloren. Zuletzt gab es aber eine Stabilisierung, im April konnte der Verfall der Lira vorerst gestoppt werden.
Welche Auswirkungen hat die schwache Währung auf die Wirtschaft der Türkei?
Eine schwache Währung verteuert die Importe und heizt die Inflation noch mehr an. Das Land muss seine gesamten fossilen Energieträger (Erdöl!) importieren, das macht allein ein Viertel des Importvolumens aus. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine gehört die Türkei, neben China und Indien, zu den drei größten Käufern von russischem Öl.
Was bedeutet das alles für den Tourismus?
Die Türkei gehört weiterhin zu den beliebtesten Urlaubszielen, weltweit liegt sie auf Platz vier. Allerdings macht die hohe Inflation auch vor den so beliebten Pauschalreisen nicht Halt. Der Verfall der Lira wirkt dem aber bis zu einem gewissen Grad entgegen, indem er den Aufenthalt im Land für einen Touristen, zum Beispiel aus der Eurozone, billiger werden lässt. Noch ist das Interesse an Buchungen in der Türkei laut Branchenexperten ungebrochen, obwohl sich die Preise in der Gastronomie gegenüber dem Vorjahr verdoppelt haben.
Wie sehen die Prognosen bezüglich Wachstum, Inflation und Zinsen für die Türkei aus?
Laut einer Schätzung der OECD sollte das Land heuer ein Wachstum von 3,4 Prozent aufweisen, nach 4,5 Prozent im Vorjahr. Für 2025 liegt die Erwartung bei 3,2 Prozent. Die Zinsen sollten vorerst auf dem aktuellen Niveau von 50 Prozent verharren. Eine erste Zinssenkung scheint, laut OECD, nicht vor Jahresanfang 2025 denkbar. Bei der Inflation gehen die Experten aktuell davon aus, dass sie bis Jahresende unter die Marke von 50 Prozent fällt. Während die hohen Zinsen dämpfend auf den Preisauftrieb wirken, sorgt die Bautätigkeit in den Erdbebengebieten weiterhin für einen Schub bei der Nachfrage und daher auch bei den Preisen.