neue serie "black doves"
Viel Action, kaum Logik: Diese Tauben sind Bruchpiloten
Die 6-teilige Agentenserie "Black Doves" mit Hollywoodstar Keira Knightley und 007-Q Ben Whishaw punktet mit großen Namen und toller Action, hat dabei aber auf eine logische Story vergessen. Ab sofort auf Netflix.
Mit der britischen Produktion "Slow Horses" gelang AppleTV+ in den letzten Jahren ein Agentenserien-Hit, der durch eigenwillige Charaktere, ein ungewöhnliches Format und die spannende Erzählweise überzeugt. Innerhalb weniger Jahre brachte man es auf bereits 4 Staffeln, die 5 ist schon abgefilmt. Streaming-Konkurrent Netflix will nun mit der ebenfalls in London angesiedelten Serie "Black Doves" nachziehen, doch das Unterfangen scheitert gleich zu Beginn auf vielen Ebenen.
Ministergattin und Agentin Im Zentrum der 6-teiligen Serie steht Helen Webb (Keira Knigthley), die nicht nur Gattin des britischen Verteidigungsministers ist, sondern als Teil der klandestinen Organisation "Black Doves" auch Geheimagentin. Ihr Mann und ihr gesamtes Umfeld wissen nichts davon, dass sie für eine Söldnerorganisation arbeitet und diese seit Jahren mit sensiblen Infos versorgt. Wie das in der Realität angesichts von staatlichen Nachrichtendiensten und Background-Checks klappen soll, sei dahingestellt.
Fliegt die Tarnung auf? Als Helens Geliebter Jason Davies – von dem ebenso niemand etwas wusste –getötet wird und dem seinerseits nichts von Helens eigentlicher Identität als Minister-Gattin bekannt war, droht alles aufzufliegen: Ihre "Black Doves"-Vorgesetzte Reed, einen Vornamen erfährt man nicht (Sarah Lancashire) taucht bei einer von Helen für die politische Elite in London organisierten Weihnachtsfeier auf und informiert sie über den Mord an Davies.
Und auch, dass der wohl kein Zufall war, sondern Davies in eine Verschwörung verstrickt gewesen sein könnte. Er hatte nämlich kurz vor seinem Tod Kontakt zur Tochter des chinesischen Botschafters, der ebenfalls vor kurzem auf mysteriöse Weise umgekommen war. FAst wie im richtigen Leben eben, wenn's dick kommt, kommt's knüppeldick.
Trouble in the City Zu Helens Unterstützung wird Sam Young (Ben Whishaw) abgestellt, der sie beschützen und ihr bei der Suche nach den Hintergründen zur Seite stehen soll. Der wiederum hat eigene Probleme: Nach 7 Jahren im "Untergrund" zurück in London, trifft er zwei alte Freunde, die ihm von seinem Ex-Partner erzählen – ihre Beziehung hatte unschön geendet hatte, warum genau wird anfangs nicht klar. Zu allem Überdruss droht eine ehemalige Auftraggeberin, Sams Ex umzubringen, sollte er nicht wieder für sie arbeiten.
Keine klare Richtung Spätestens jetzt wird das zentrale Problem von "Black Doves" sichtbar: Sie ist viel zu ausufernd, will in fünf Richtungen zugleich und verfolgt keinen dramaturgischen roten Faden. Sie will Thriller, Actionfilm, Verschwörungserzählung und (queeres) Beziehungsdrama in einem sein, wodurch sie den Blick auf das Wesentliche verliert.
Störende Rückblenden Dieser fehlende Fokus betrifft auch weitere Aspekte: Zum einen stören die extensiven Rückblenden, da sie zu sehr von der eigentlichen Handlung ablenken. Wobei aber gar nicht klar ist, was nun diese "eigentliche Handlung" sein soll. Aber: Kurze Rückblenden machen Sinn, um zu illustrieren, wie die Protagonisten dorthin kamen, wo sie jetzt sind. Wenn die Rückblenden jedoch so viel Zeit einnehmen wie die eigentliche Handlung der (Serien-)Gegenwart, verwirrt das nur.
Wer ist eigentlich die Hauptfigur? Zum anderen ist nach den ersten Folgen unklar, wer nun die eigentliche Hauptfigur der Serie sein soll: Wirkt es zunächst so, als würde es um Helen Webbs Geschichte als geheime Geheimagentin inmitten der britischen Regierung gehen, um ihren Versuch, das Leben als Ministergattin, Mutter und Agentin unter einen Hut zu bringen (was für sich genommen schon genug Stoff für eine Serie wäre), wird dann plötzlich ausgiebig über Sam Youngs private Probleme berichtet. Der Fokus switcht auf ihn, wie er eine Affäre hat, ein befreundetes Paar trifft und, mit dem in der Vergangenheit schwelgt, ohne dass dies sichtbare Relevanz hätte.
Das Slow Horse der Agentenserien "Black Doves" lässt damit das Wesentliche eines Agenten-Thrillers vermissen: Konzentrierte Spannung in Handlung und Inszenierung. Vielmehr wirkt das alles wie eine allzu bemüht modernisierte, aber am Ende aber doch recht generische und langweilige Geschichte. Darüber können auch die temporeich umgesetzten Action- und Kampfszenen nicht hinweg täuschen, "Black Doves" erweist schon auf den ersten Metern als das Slow Horse der Agentenserien, es geht ihm schlicht die Luft aus.
Realismus? Fehlanzeige! Mit Realismus kann die Serie auch nicht glänzen: Während ihr Mann, immerhin britischer Verteidigungsminister und ihre beiden Kinder friedlich schlafen, dringt plötzlich ein Unbekannter (der vermutliche Mörder ihres Geliebten) in Helens Haus ein. Sie liefert sich mitten in der Nacht einen Kampf um Leben und Tod, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekommen würde. Schließlich erschießt sie ihn im Gartenschuppen – und legt sich danach neben ihren Gatten ins Bett, als wäre nix gewesen. Dass Agentengeschichten oft übertrieben sind, ist Teil des Genres, aber das ist dann nur noch absurd.
Unsympathische Figuren ohne Ende Am seltsamsten an "Black Doves" ist aber, dass die Serie kaum mit sympathischen Figuren aufwarten kann. Auch hier zieht sie, im Vergleich mit den "Slow Horses", eindeutig den Kürzeren. Denn dort gibt es eine Menge "Underdogs" mit Identifikationspotential, die trotz oder gerade wegen ihrer Schwächen liebenswert sind. Die Charaktere in "Black Doves" hingegen sind fast durchwegs unfreundlich, ruppig und schlicht unsympathisch. Einer der "Netteren", Helens Minister-Mann, wird als naiver Trottel gezeichnet, der weder mitbekommt, dass ihn seine Frau betrügt, noch etwas von ihrem Agenten-Doppelleben weiß, obwohl sie seit 10 Jahren ein Paar sind.
Kühl kalkulierende Keira Knightley Am umsympathischsten wirkt aber der von Ben Whishaw (der Q aus den 007-Filmen mit Daniel Craig) gespielte Sam, ein schwer zu durchschauender Charakter, der durch sein Verhalten und seine Manieren irritierend wirkt, auch auf sein Umfeld. Aber selbst die von Keira Knightley gespielte Haupt-Protagonistin ist kühl und kaum zugänglich. Sie zeigt keine Reue ob des Betrugs an ihrem Ehemann, wenngleich ihr zumindest ihre beiden Kinder nicht egal zu sein scheinen.
Fazit So ist "Black Doves" insgesamt ein zerfahrenes Serien-Etwas ohne roten Faden, mit unsympathischen Figuren, zu ausufernden Nebenhandlungen, die über Gebühr ausgedehnt werden, dabei spannungsarm und auch filmtechnisch höchstens solide. Einzig die Actionszenen sprechen für die Serie. Dass Netflix bereits vor Start der 1. eine 2. Staffel bestellt hat, wirkt sehr optimistisch.
"Black Doves", Großbritannien 2024, 6 Episoden à ca. 50 Min., ab sofort auf Netflix