EUGEN FREUND

"Warum Biden plötzlich Israel die Daumenschrauben anlegt"

... und scheitern wird. Der US-Präsident zieht bei den Waffenlieferungen plötzlich eine "rote Linie". Steckt Rache dahinter? US-Experte Eugen Freund analysiert.

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Es ist ja nicht so, dass ein außenpolitisches Ereignis den amerikanischen Wahlkampf ständig beeinflusst: die Wähler lassen sich im allgemeinen nicht von Kämpfen oder Kriegen irritieren, die einige tausend Kilometer (von den USA aus besser: Meilen) entfernt ablaufen.

Ausnahmen bestätigen die Regel Der Vietnam-Krieg, mit starker US-Beteiligung, kostete schließlich Gerald Ford (von ihm wird noch die Rede sein) eine zweite Amtsperiode. Und der Irak-Krieg, ebenso der um Afghanistan, nach dem Anschlag auf das World Trade Center im September 2001, schloss zumindest die Reihen um den nicht sonderlich beliebten Präsidenten George W. Bush.

Unis sind für Biden Drahtseilakt Diesmal verlagert sich das Interesse direkt auf das Gelände vieler prominenter US-Universitäten. Dort wird seit einigen Wochen heftig gegen die eindeutige Parteinahme der Biden-Administration für Israel demonstriert. Jeder einzelne Student kann ein Wähler sein, der den Demokraten im Herbst fehlen könnte. Dessen ist sich auch Joe Biden bewusst. Und so vollführt er einen diffizilen Balanceakt: Einerseits darf er die insgesamt pro-israelisch eingestellte Bevölkerung nicht verschrecken, andererseits sind die pro-palästinensischen Demonstranten nicht mehr zu überhören.

US-Experte Eugen Freund analysiert den aktuellen Konflikt zwischen Israel und den USA und erzählt, wie er den Reagan-Streit erlebt hat
US-Experte Eugen Freund analysiert den aktuellen Konflikt zwischen Israel und den USA und erzählt, wie er den Reagan-Streit erlebt hat
Sabine Hertel, Picturedesk (Montage)

Darum nun dieser Warnschuss vor den Bug Israels: Biden droht, Waffen, die bisher im Gaza-Streifen eingesetzt wurden und aus den USA kamen, nicht mehr zu liefern. Doch Joe Biden hat auch einen weiteren - man könnte fast sagen: persönlichen - Grund, warum er diesmal Israel in die Zange nehmen will.

Biden wird brüskiert

Im März 2010 war er als höchstrangiger amerikanische Vertreter der Regierung Obama erstmals in Israel zu Besuch. Und kaum hatte er mit dem damaligen (und heutigen) Regierungschef Benjamin Netanyahu von der ungebrochenen Freundschaft zwischen den USA und Israel gesprochen ("Zwischen uns und die Israelis passt kein Blatt Papier"), kündigte ein paar hundert Meter weit entfernt, im Wohnbauministerium, der dortige Minister den Bau von 1600 Wohneinheiten in Ost-Jerusalem an. Die USA waren wütend.

Sie waren fest davon ausgegangen, dass ihr bislang rhetorischer Druck die Israelis davon abhalten würde, noch mehr Platz für Siedler zu schaffen und damit zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen.

"Joe Biden hätte den Koffer packen und umgehend nach Hause fliegen sollen", schlug etwa Thomas Friedman, einer der meistgelesenen und auch Israel gegenüber kritischen Kolumnisten der "New York Times" vor. Und dann hätte Biden noch eine schnell herunter gekritzelte Nachricht hinterlassen müssen: "Glaubt ihr wirklich, ihr könnt euren einzigen, wahren Verbündeten in der Welt so bloß stellen, ohne dass das Konsequenzen hat?" (NYT  14. 3. 2010).

Die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton versuchte, den Konflikt zwischen Joe Biden und Israel zu entspannen
Die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton versuchte, den Konflikt zwischen Joe Biden und Israel zu entspannen
Picturedesk

Natürlich schrieb Biden diese Zeilen nicht Aber immerhin folgte diesem Vorfall ein 45-minütiges Telefongespräch zwischen Hillary Clinton, der US-Außenministerin, und Benjamin Netanjahu. Dabei soll mit scharfen Worten nicht gespart worden sein. Jedenfalls wurde der Inhalt, oder wurden wenigstens Teile des Inhalts, so an die Öffentlichkeit gespielt, dass man den Eindruck gewinnen musste, zwischen den USA und Israel seien nun tatsächlich ernste Spannungen ausgebrochen.

Abrüstung der Worte Einige Monate später hatten sich die Spannungen wieder gelegt. Bei einem Treffen Barack Obamas mit Mahmud Abbas, dem palästinensischen Regierungschef, und Netanyahu, war dann nur mehr davon die Rede, Israel müsse den Bau von Wohnungen in den Palästinensergebieten "einschränken". Was daraus geworden ist, wissen wir: Heute leben rund eine halbe Million israelische Siedler im Westjordanland, präsidentielle Drohungen hin oder her.

Es ist freilich nicht das erste Mal, dass die USA den Zeigefinger gegenüber Israel erheben - mehr ist es ja noch nicht -, um dann im letzten Moment wieder nachzugeben.

US-Präsident Gerald Ford (hier rechts auf einem Foto aus 1974 mit Frankreichs Präsident Valery Giscard d'Estaing auf Martinique) drohte Israel – erfolglos
US-Präsident Gerald Ford (hier rechts auf einem Foto aus 1974 mit Frankreichs Präsident Valery Giscard d'Estaing auf Martinique) drohte Israel – erfolglos
Picturedesk

Gerald Ford droht Israel

Schon 1975 gab es eine ernste Auseinandersetzung zwischen Washington und Jerusalem. Der damalige Präsident Gerald Ford drohte Israel, die massive amerikanische Unterstützung zu beschneiden, sollte der jüdische Staat nicht zu einem Friedensabkommen mit Ägypten bereit sein. Auf die Frage, ob es irgendwelche Grenzen in der amerikanischen Verpflichtung gegenüber Israel gebe, hatte Ford geantwortet: "Es ist einfach so, dass es gegenwärtig eine enge Beziehung zwischen unseren nationalen Interessen und denen von Israel gibt. Aber in der endgültigen Analyse  müssen wir eine Beurteilung treffen, was unserem nationalen Interesse dient – und das muss über allen anderen Erwägungen stehen."

Kongress ließ Präsidenten ausrutschen Ford stützte sich dabei auf die mehrheitliche Meinung der Amerikaner, die immer wieder die Frage stellten, warum sie den Preis (nicht zuletzt auch in materieller Hinsicht) für die israelische Kompromisslosigkeit zahlen müssten. Doch Ford unterschätzte den Einfluss der Israel-Lobby in den USA. AIPAC, das American-Israel Political Action Commitee, fand 75 (von 100) Senatoren im Kongress, die mit ihrer Unterschrift bekundeten, sie würden jede Einschränkung der finanziellen Zuwendung an Israel zu verhindern wissen.  Damit blieb es bei der Drohung, Ford hatte kein anderes Druckmittel gegenüber seinem engsten Verbündeten im Nahen Osten.

    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
    Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
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    "Das ist ein Holocaust"

    Einen weiteren Konflikt zwischen Israel und den USA habe ich damals persönlich in den USA miterlebt: Im Jahr 1982 war US-Präsident Ronald Reagan über die Bilder aufgebracht, die aus dem Libanon kamen. Die israelische Regierung hatte palästinensische Kämpfer bombardiert, wie so oft kamen dabei auch Zivilisten ums Leben, unter anderem auch ein Baby, dem die Gliedmaßen abgerissen wurden.

    Von den Nazis ermordet Reagan griff zum Telefon und rief Regierungschef Menachem Begin an. Laut "New York Times" soll er Begin mit den Worten angeschrieen haben: "Das ist ein Holocaust!" Das ließ der israelische Ministerpräsident nicht auf sich sitzen: "Herr Präsident, ich weiß über den Holocaust genau Bescheid!" Seine Eltern und sein Bruder waren von den Nazis ermordet worden. Doch Reagan insistierte und forderte ein Ende des Bombardements. Tatsächlich wurde das dann auch angeordnet.

    US-Präsident George W. Bush wollte Israel einen Kredit sperren lassen … und scheiterte
    US-Präsident George W. Bush wollte Israel einen Kredit sperren lassen … und scheiterte
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    George Bush Sen. und die israelische Siedlungspolitik

    Auch zu Beginn der 1990er Jahre, während der Präsidentschaft von George Bush Senior, war das Verhältnis zwischen den USA und Israel schwer getrübt. Bush betrachtete sich als neutraler Vermittler im Nahen Osten, hatte  langjährige diplomatische Erfahrungen (vor allem aus seiner Zeit als UNO-Botschafter in New York), war auch mit vielen Führern arabischer Länder gut befreundet. Und wieder war es die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland, die die USA nicht mitmachen wollten.

    Es wird alles beim Alten bleiben Der Präsident wollte seine Unparteilichkeit damit demonstrieren, dass er Israel einen Kredit in der Höhe von zehn Milliarden Dollar, die für die  Ansiedlung russischer Juden vorgesehen waren, verweigern wollte. Doch lange hielt seine Standfestigkeit nicht. Ein Regierungswechsel in Jerusalem (vom Hardliner Yitzhak Shamir zum kompromissbereiteren Yitzhak Rabin) ließ ihn dann doch den Kredit unterschreiben.

    Fazit: die Israelis machen im Grunde immer das, was ihren Interessen dient. Da kann der mächtige Verbündete im Weißen Haus noch so drohen. In Jerusalem weiß man, dass alles beim Alten bleiben wird.

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