Wahlkampf-Kopfnüsse, Folge 16

Warum die Politiker jetzt den Gummihammer auspacken

Gestern die Generalprobe im Parlament, heute sollte die erste Elefantenrunde nach dem Hochwasser stattfinden. Sie wurde abgesagt. Wie Regen und Sturm den Wahlkampf verändert haben. Oder ist er gar schon vorbei?

Ein Blick für Milliarden: Werner Kogler und Karl Nehammer bei der Pressekonferenz gestern
Ein Blick für Milliarden: Werner Kogler und Karl Nehammer bei der Pressekonferenz gestern
Helmut Graf
Newsflix Kopfnüsse
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Die Zeit der Flachwurzler ist angebrochen. Gestern sperrten in Wien nach und nach die Parks wieder auf, im Gleichklang, das ist nicht selbstverständlich. Wir erinnern uns mit tränenfeuchten Augen an die goldenen Tage der Bürokratie während der Pandemie. Mitte März 2020 sperrte Elisabeth Köstinger, damals Ministerin für alles Mögliche, die sieben Bundesgärten zu, die Gärten der Stadt Wien aber blieben offen. Oberflächlich betrachtet.

Hier spricht wieder meine KI zu Ihnen:

In den Bundesgärten gibt es vereinzelt auch Spielplätze, die wurden zu Enklaven, etwa so wie das Kleinwalsertal. Die Spielplätze in den Bundesgärten, die geschlossen wurden, blieben nämlich offen, waren aber nur mehr über den Luftweg erreichbar. Die Stadt Wien andererseits ließ die Parks in ihrem Zuständigkeitsbereich geöffnet, sperrte aber die Spielplätze zu. Die Politik dachte anfangs noch, sie könnte das Virus mit Amtswegen vergrämen, aber Corona war kein Flachwurzler.

Pappeln aber sind Flachwurzler und ihnen wurde in den letzten Tagen besondere Aufmerksamkeit zuteil. Der Dauerregen und der Sturm haben in Wiens grüner Lunge gröbere Schäden angerichtet. Die Stadt betreut über 1.000 Parkanlagen, in denen sind von den rund 400.000 Bäumen mittlerweile 500 umgestürzt, allein von Dienstag auf Mittwoch kamen 50 dazu. Bäume fallen oft nicht sofort um, sie überlegen ein paar Tage. Das ist keine Frage der philosophischen Betrachtung, sondern ihre Wurzeln werden im feuchten Erdreich nach oben gedrückt. Und rumms.

Bei seinen Betrachtungen zu den über die Ufer getretenen Flüsse uferte Werner Kogler aus
Bei seinen Betrachtungen zu den über die Ufer getretenen Flüsse uferte Werner Kogler aus
Helmut Graf

Damit niemand im Fall des Falles zu Schaden kommt, gibt es in Wien Baumkontrollorinnen und Baumkontrollore. Die heißen wirklich so. Also eigentlich heißen sie intern Baumkontrolleure, vielleicht weil das eleganter klingt.

Die Baumkontrolleure fragen nicht wie ihre Kollegen in der U-Bahn die Flachwurzler in den Parks, ob sie einen Fahrschein haben, es gibt auch keine Razzien. Also die Baumkontrolleure stellen sich nicht an den Toren der Grünanlagen auf und schauen, ob alle Bäume, die rausgehen, ein Ticket haben. Es wäre auch mit den Strafzahlungen kompliziert, Bäume haben selten 145 Euro eingesteckt. Wo auch? Es ist übrigens ein Märchen, dass Schwarzfichten deshalb so heißen, weil sie häufig ohne Fahrschein erwischt werden.

Weil man nicht weiß, welcher Baum Absichten hegt, bald umzufallen, wurden nach dem Unwetter umfangreiche Kontrollen gestartet. Dabei werden die Bäume nicht unter den Ästen gekitzelt, auch Umarmen ist nicht üblich, mutmaßlich weil Matthias Strolz noch nicht Bildungsminister ist. Es kommt selten vor, dass ein Baumkontrollor seine Arme um einen Flachwurzler legt und wenn der nach zehn Sekunden nicht sagt: "Oida, loss mi endlich los!", dann wird er für tot erklärt.

Nicht nur Bäume lassen sich umarmen, sondern auch stämmige Kanzler
Nicht nur Bäume lassen sich umarmen, sondern auch stämmige Kanzler
Helmut Graf

Nein, die Baumkontrolleure schauen mit geschultem Auge darauf, ob irgendwas mit der Parkbelegschaft nicht stimmt. Baum für Baum. Steht der Typ gerade? Ob Äste abgebrochen sind, wird mit dem Feldstecher überprüft. Um die Beschaffenheit der Wurzeln zu testen, kommt ein Sondierungsstab zum Einsatz, damit wird die Verdichtung des Bodens überprüft.

Die Geheimwaffe aber ist der Gummihammer. Mit dem wird der Stamm darauf abgeklopft, ob er hohl in der Birne ist, selbst wenn es sich um keine Birne handelt. Es gibt folglich schon gute Gründe, warum die Wiener Parkanlagen in den vergangenen Tagen gesperrt waren. Der Anblick von Menschen, die mit langen Stäben auf Wurzeln einstechen oder Stämme mit Hämmern diagnostisch perkutieren, hätte nicht nur bei Touristen für Verstörung sorgen können.

Ein Schild, fast wie damals: Aufgrund des Sturms machten in Wien die Parks zu
Ein Schild, fast wie damals: Aufgrund des Sturms machten in Wien die Parks zu
Helmut Graf

Die Bevölkerung hatte es zuletzt ohnehin nicht leicht, denn sie musste ohne TV-Duelle auskommen. Das ändert sich mit dem heutigen Tag, wir werden wieder langsam an den 29. September herangeführt. Auf Servus TV sollte heute eine Elefantenrunde stattfinden, Moderator Michael Fleischhacker wäre theoretisch wieder auf Karl Nehammer getroffen. Der Boxkampf, den Fleischhacker am 4. September noch elegant verhindern konnte (Details dazu gibt es in dieser Kopfnuss), fällt aber aus. Der Kanzler fliegt zum EU-Hochwassergipfel nach Polen.

Servus TV hatte mitgedacht und die Live-Runde ins Spätabend-Programm gesteckt. Ein Start um 21.50 Uhr war angepeilt, da sind viele Kinder schon im Bett. Die Politik muss also andere Mittel und Wege finden, um Erstwähler zu verschrecken. Das muss sie nun sowieso. Weil Nehammer abgesagt hat, sagten auch Andreas Babler und Herbert Kickl ab. Aber auch aus der Art Babyelefanten-Runde wird nichts. Weil ÖVP, SPÖ und FPÖ nur Ersatz schicken wollten, strich der Sender die Runde nun komplett.

Ändert das Hochwasser nun grundsätzlich etwas an den Debatten? Ist der Wahlkampf eventuell schon vorbei, weil in die bluesige Stimmung hinein, die dieses Land erfasst hat, ein rescher Umgangston schädlich für den eigenen Wahlerfolg wäre? Ich habe mit Meinungsforscher Peter Hajek darüber geredet, der übrigens heute einen eigenen Podcast startet, der "Das Orakel" heißt. Nicht ohne Grund.

I am lonely, lonely, lonely! Finanzminister Magnus Brunner bei seiner letzten Sitzung im Parlament
I am lonely, lonely, lonely! Finanzminister Magnus Brunner bei seiner letzten Sitzung im Parlament
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Hajek ist auf dem Logo des Podcasts mit einer Glaskugel zu sehen. Er ist leidenschaftlicher Rapid-Fan und reist der Mannschaft auch zu Spielen nach, die sie gar nicht zu absolvieren hat. Einmal hat ihm im Stadion Hütteldorf ein Fan nachgerufen: "Heast, Meinungsforscher, wie geht's Match aus?" Das wisse er nicht, antwortete Hajek, "ich habe keine Glaskugel mit". Für den Podcast war das wie eine Art Mondlandung.

Glaskugel hat das Orakel immer noch keine, aber zum Wahlkampf eine Meinung. Die Meinung ist dieselbe wie meine, wofür ich mich aufrichtig entschuldigen möchte. Es wird unserer Ansicht nach so sein, dass bis Sonntag sanftere Töne zur hören sein werden. Am Montag aber, wenn die Finalwoche beginnt, wird das Hochwasser auch aus den Köpfen geronnen sein und ab da wird wieder gestritten wie am Kirtag. Auch unser Langzeitgedächtnis funktioniert nur kurzzeitig.

Erst Schulterschluss, dann kalte Schulter. Werner Kogler, Karl Nehammer, Herbert Kickl
Erst Schulterschluss, dann kalte Schulter. Werner Kogler, Karl Nehammer, Herbert Kickl
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Das Parlament übte sich gestern in seiner letzten Sitzung am richtigen Umgangston, zwischen all den Zumutungen, die man gegenseitig aussprach, gab es auch versöhnliche Momente. Kanzler und Vizekanzler versuchten über Geldversprechen, Landgewinne zu erzielen. Es kommt eine Katastrophenschutz-Milliarde und eine Hochwasserschutz-Milliarde. Bis zur Wahl muss unter allen Umständen der Eindruck vermieden werden, die Opfer der Unwetter würden auf ihren Auslagen sitzen bleiben. Koste es, was es wolle!

Ich wünsche einen standfesten Donnerstag und hoffe, dass Sie möglichst wenigen Flachwurzlern begegnen. In Parks, aber auch anderswo. Bis morgen!

Auch hier spricht wieder meine KI zu Ihnen:

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