Jackson Hole
Warum ein Treffen mitten im Nirgendwo in der Finanzwelt Berge versetzt
Im "US-Davos" fallen alljährlich Wirtschaftsentscheidungen, die die ganze Welt betreffen. Auch heuer ist das Meeting hochkarätig besetzt. Weshalb es dabei um besonders viel geht, analysiert Geld-Profi Monika Rosen.
Der Sommer 2024 fiel für die internationalen Finanzmärkte ja durchaus aufregend aus. Anfang August gab es zuerst heftige Kursrückgänge, die aber schon kurz darauf wieder aufgeholt wurden. Jetzt blickt alle Welt auf Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming, wo von 22. bis 24. August ein weltweites Notenbank-Treffen stattfindet. Was wird da vor atemberaubender Kulisse im "Wilden Westen" dabesprochen, und warum bekommen die Aussagen der Notenbanker gerade heuer so viel Aufmerksamkeit? Das müssen Sie über das Treffen der internationalen Finanz-Elite wissen.
Was hat es mit den Notenbanktreffen in Jackson Hole auf sich?
Seit den 1970er-Jahren findet jedes Jahr Ende August ein dreitägiges Notenbanktreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming statt. Gastgeber ist natürlich der Präsident der US Notenbank, Jerome Powell. Es nehmen aber auch führende Vertreter der weltweiten Notenbanken sowie Ökonomen teil.
Warum findet das Treffen so viel Beachtung?
Einerseits fällt der Event in eine Zeit, in der es meist kaum marktrelevante Schlagzeilen gibt. Insofern ist es auch eine Einstimmung auf das, was die Finanzmärkte im Herbst erwartet. Außerdem hat es die "New York Times" einmal als das "weltweit exklusivste Treffen von Wirtschaftsexperten" bezeichnet.
Heuer scheint Jackson Hole aber noch mehr Bedeutung zu haben. Warum?
Das hat mit der kurzen, aber heftigen Korrektur der Märkte Anfang August zu tun. Die US-Arbeitsmarktdaten, die am 2. August herauskamen, fielen enttäuschend aus und haben einen starken Kursrutsch an den weltweiten Börsen ausgelöst. Kurzzeitig war darüber spekuliert worden, ob die US-Notenbank mit der ersten Zinssenkung zu lange zugewartet hatte. Darüber hinaus ging es um die Frage, welchen Zinsschritt sie bei ihrer Sitzung am 17. und 18. September (oder eventuell sogar bereits davor) setzen würde.
Und haben sich die Gemüter seither beruhigt?
Ja, denn seither kamen einige sehr gute Datensätze zur US-Konjunktur herein. Damit sind die Befürchtungen, die USA könnten in eine Rezession abgleiten, verflogen. Jetzt geht es eigentlich nur mehr um das Ausmaß, in dem die Fed, also die US-Notenbank, im September die Zinsen senken könnte.
Wo stehen diesbezüglich die Erwartungen derzeit?
Der Markt geht derzeit zu 100 % davon aus, dass die US-Zinsen im September um mindestens 25 Basispunkte gesenkt werden. Eine Minderheit von knapp 30 % der Befragten sieht eine Senkung um 50 Basispunkte.
Gibt es auch Häuser, die keine Zinssenkung im September sehen?
Das ist eine absolute Außenseitermeinung. Begründen lässt sie sich einerseits mit der Tatsache, dass die US-Konjunktur immer noch sehr gut läuft. Das Wachstum im 2. Quartal 2024 lag bei 2,8 %, also weit entfernt von einer Rezession. Außerdem zeigt die Statistik, dass in zeitlicher Nähe zu einer Präsidentschaftswahl Zinsschritte generell seltener erfolgen. Aber wie gesagt, das ist derzeit eine Minderheitenmeinung.
Und was ist mit der EZB? Was könnte die im September machen?
Die EZB tagt am 12. September, also eine Woche vor der Fed. Das verspricht spannend zu werden, denn wenn sie da die Zinsen senkt, hätte sie insgesamt gleich zwei Senkungen durchgeführt, bevor die Fed überhaupt den ersten Schritt setzt.
Zurück zu Jackson Hole: was hat Powell in Bezug auf die nächsten Schritte der Fed gesagt?
Der Chef der US Notenbank meinte, die Zeit sei gekommen, die Geldpolitik anzupassen. Obwohl er keine konkreten Angaben zu Timing und Ausmaß der Zinssenkung gemacht hat, nahm der Markt die Aussage als Bestätigung für eine Senkung im September. Die Börsen starteten eine Rallye, weil sinkende Zinsen positiv für Aktien sind. Die Finanzierung für die Unternehmen wie billiger, und an den Anleihemärkten sinken die Renditen. Aktien haben damit weniger starke Konkurrenz.
Welches Fazit kann man nach dem aufregenden Börsen-Sommer ziehen?
Was man auf alle Fälle sagen kann: Die Schwankungsanfälligkeit bleibt uns wohl erhalten. Die Märkte zeigen nach der starken Rallye des ersten Halbjahres offenbar Nerven und korrigieren auch einmal heftiger, wenn es der Anlass (scheinbar) hergibt. Aber sie beruhigen sich dann auch wieder – auch diese Lektion kann man aus dem heurigen Sommer ziehen.
Monika Rosen (62) ist Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft. Beim European Forum Alpbach ab dem 25. August moderiert sie den "Finance Track". Schwerpunkt ist heuer die "Green Transition".