Auch Bitcoins im taumeln

"Schwarzer Tag" an den Weltbörsen: Wie es jetzt weitergeht

Am Ende stand der größte Tagesverlust seit September 2022. Warum die Börsen von New York bis Tokyo am Montag abstürzten. Geld-Profi Monika Rosen analysiert die Talfahrt und erklärt, warum diese Woche entscheidend sein wird.

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Was Ende Juli wie ein Donnergrollen begonnen hatte, entlud sich am Montag als Gewitter: Erst stürzte der japanische Aktienmarkt ein, Europa folgte, wenn auch moderater, dann packte es die Wall Street in New York. Aber was sind die Gründe dafür?

Der unmittelbare Auslöser waren überraschend schwache Daten vom US-Arbeitsmarkt, sie ließen die Börsen rund um den Globus einknicken. Auch der Dollar und der Ölpreis gingen in die Knie, gefragt waren Staatsanleihen und Gold. Der Markt beginnt sich vor einer Rezession in den USA zu fürchten. Wenn diese Szenario eintritt, wäre das sehr schlecht für die gesamte Weltwirtschaft, da Europa und China ohnehin schon schwächeln. Das müssen Sie über die aktuelle Situation wissen:

Das Ende zu Beginn: Wie schloss die New Yorker Börse?
Am Montag mit den schlimmsten Verlusten seit fast zwei Jahren. Alle Indizes standen auf rot: Der S&P 500 verlor 3 Prozent, der Leitindex Dow Jones Industrial 2,6 Prozent, der Techno-Index Nasdaq 100 fast 3 Prozent.

Wie war es am Tag danach?
Am Dienstag beruhigte sich die Lage (vorerst?). Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq lagen alle leicht im Plus. Der japanische Leitindex Nikkei, der am Vortag 12,5 Prozent abgestürzt war, schoss am Dienstag um über 10 Prozent nach oben. Der deutsche Leitindex DAX schloss um 0,1 Prozent tiefer, der österreichische ATX ging um 0,7 Prozent rauf.

Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Monika Rosen war über 20 Jahre lang Chefanalystin im Private Banking einer österreichischen Großbank. Sie ist auch Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft
Helmut Graf

Wen erwischte es am Montag von den Großen am schlimmsten?
Der Hype um die Künstliche Intelligenz (KI) hat sich abgekühlt, der Grafikkartenhersteller Nvidia sackte um 6,4 Prozent ab, auch weil es Gerüchte gibt, dass sich die neue Chipgeneration um Monate verschiebt (was Nvidia dementiert). Für Tesla ging es 4,2 Prozent bergab, für Apple 4,8 Prozent, für Biontech um 4,5 Prozent. Der deutsche Impfhersteller machte im zweiten Quartal 807,8 Millionen Euro Verlust. Gegen den Trend stellte sich Kellanova mit einem Plus von 16 Prozent. Laut Bloomberg will Mars den Pringles-Hersteller kaufen.

Die Börsen sind doch bisher so gut gelaufen. Was ist da los?
Stimmt, bis vor wenigen Tagen war die Bilanz an den Börsen heuer sehr gut. In der Spitze Mitte Juli war der breite US-Index S&P 500 rund 19 Prozent im Plus. Gegen Ende der Vorwoche ging es dann aber rasant nach unten.

Was ist da nun am Montag passiert?
Die japanische Börse erlebte einen historischen Absturz, andere Aktienmärkte folgten. Der Straits-Times-Index in Singapur verlor 4,8 Prozent, der südkoreanische Kospi-Index 8,8 Prozent. Der japanische Leitindex Nikkei gab gleich um 12,5 Prozent nach, der Verlust von 4.450 Punkten innerhalb eines Tages ist der größte seit 37 Jahren. Schon am Freitag hatte der Nikkei 5,8 Prozent verloren, größere Hedgefonds gaben die Order zum Verkauf. Meiner Einschätzung nach handelt es sich um eine Überreaktion der asiatischen Börsen.

An der Wall Street herrschte am Montag eine Stimmung zwischen Verzweiflung und Bangen
An der Wall Street herrschte am Montag eine Stimmung zwischen Verzweiflung und Bangen
Picturedesk

Wie war das in Europa?
Auch hier kam es zu einer Bewegung nach unten, aber sie fiel nicht so arg aus. Der deutsche Leitindex DAX fiel am Montagvormittag um 3 Prozent.

Gab es weitere Kollateralschäden?
Ja, Bitcoin stürzte ab. Der Kurs der hochspekulativen Kryptowährung fiel auf unter 50.000 Dollar, das ist der tiefste Stand seit Februar. Noch letzte Woche notierte Bitcoin bei knapp unter 70.000 Dollar. Seit Anfang August gingen 20 Prozent des Wertes verloren. Am Dienstag kam es zu einer leichten Gegenbewegung. Bitcoin stieg auf über 51.000 Dollar.

Wie kam es zu dem Stimmungsumschwung?
Auslöser waren vor allem die schwachen Daten vom Arbeitsmarkt. Im Juli wurden in den USA 114.000 neue Stellen geschaffen, erwartet hatte man 175.000. Und die Arbeitslosenrate ist von 4,1 Prozent im Juni auf 4,3 Prozent gestiegen. Das sind zwar immer noch keine dramatischen Zahlen. Dennoch sind beide Werte schlechter ausgefallen als erwartet, sprich weniger neue Jobs und eine höhere Arbeitslosenrate.

Jerome Powell, Chef des Federal Reserve System (FED), dem Zentralbanksystem der USA
Jerome Powell, Chef des Federal Reserve System (FED), dem Zentralbanksystem der USA
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Und wie schlug sich das auf die Börsen nieder?
Schon am Freitag sanken die Aktienkurse dramatisch! Die Anleger kamen zu dem Schluss, dass die US-Konjunktur nicht mehr so rund läuft wie gedacht. Dennoch hat die US-Notenbank Fed (zum Unterschied von der EZB) die Zinsen immer noch nicht gesenkt. So kamen Befürchtungen auf, die Fed hätte sich eventuell zu viel Zeit gelassen und durch ihr Zögern dazu beigetragen, dass die Gefahr einer Rezession in den USA steigt. Das wäre auf alle Fälle schlecht für Aktien.

Waren die US-Daten schuld am Absturz in Japan?
Sicherlich zu einem Teil, aber es gibt auch hausgemachte Gründe, etwa die zuletzt drastische Aufwertung des Yen. Japan hat bei der Zinspolitik eine Kehrtwende vollzogen. Vergangene Woche hob die Notenbank die Zinsen zum zweiten Mal nach März an. Dazu muss man wissen: Die stark auf den Export orientierte Wirtschaft Japans hat lange von einem schwachen Yen gelebt.

Wieso hat die US-Notenbank Fed mit der Zinssenkung so gezögert?
Das hat wohl zwei Gründe: zum einen lief die Konjunktur in den USA bisher sehr gut. Im zweiten Quartal lag das Wachstum bei 2,8 Prozent. Und zu Jahresbeginn war die Inflation sogar noch leicht im Steigen begriffen, da wollte man nicht mit einer Zinssenkung vorpreschen. Und zum anderen haben viele Notenbanken (auch jene der USA) die Inflation im Jahr 2021 deutlich unterschätzt. Man hielt sie für temporär und hat erst relativ spät mit den Zinsanhebungen begonnen. Diesen Fehler wollte man nicht wiederholen. Denn nichts wäre aus Sicht der Notenbanker schlimmer, als die Inflation nochmals zu unterschätzen und eine Zinssenkung vorzunehmen, die man dann kurz darauf wieder zurücknehmen muss.

Warren Buffett, 93 und CEO von Berkshire Hathaway, stieß Apple-Aktien im großen Stil ab
Warren Buffett, 93 und CEO von Berkshire Hathaway, stieß Apple-Aktien im großen Stil ab
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Aber Zinssenkungen wären doch an sich gut für Aktien, oder?
Prinzipiell ja, weil dadurch die Finanzierungskosten für die Unternehmen sinken. Allerdings steht in diesem Fall eher die Angst im Vordergrund, dass die Wirtschaft zu rasch und zu stark einbricht. Letztlich geht es immer um die Frage, ob die Notenbank die konjunkturelle Lage richtig einschätzt und rechtzeitig die passenden Maßnahmen ergreift. Und derzeit geht eben die Angst um, sie könnte das diesmal nicht getan haben.

Also die Börse hat sich hier erschrecken lassen?
Ja, das könnte man so sagen. Die aufkommende Angst vor einem Wachstumseinbruch hat zu einer fast klassischen Reaktion geführt. Risiko wurde aus den Portfolios genommen, sprich Aktien wurden verkauft. Man floh in sichere Häfen, sprich in US Staatsanleihen und auch in Gold. Der Ölpreis kam unter Druck, weil eine schwächere Konjunktur auch weniger Energiebedarf bedeutet (siehe "Ölpreis auf Talfahrt)".

Gibt es dafür ein Beispiel?
Ja, Star-Investor Warren Buffett, er ist mit seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway immer ein guter Gradmesser für die Branche. Der mittlerweile 93-Jährige verkaufte 390 Millionen Apple-Aktien und halbierte damit seinen Bestand, wurde am Samstag bekannt. Berkshire Hathaway machte im zweiten Quartal einen Betriebsgewinn von 10,6 Milliarden Euro. Die Appel-Aktie ist seitdem unter Druck. Am Montag rutschte sie rund 5 Prozent ab, am Dienstag um 1 Prozent.

Jeff Bezos, Gründer von Amazon.com, mit Partnerin Lauren Sanchez in Sun Valley, Idaho
Jeff Bezos, Gründer von Amazon.com, mit Partnerin Lauren Sanchez in Sun Valley, Idaho
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Daneben gab es auch Enttäuschungen von einigen großen Tech-Unternehmen …
Hier ist vor allem Intel zu nennen. Im zweiten Quartal haben sie die Gewinnerwartungen massiv verfehlt. Außerdem werden 15 Prozent der Belegschaft freigesetzt. Die Aktie schmierte an einem Tag um über 25 Prozent ab, das ist die schwächste Tages-Performance seit 1974! Aber es gab auch andere Enttäuschungen, zum Beispiel Amazon, die um fast 10 Prozent nach unten rauschten.

Kann man das Ganze auch als Gegenreaktion nach einem sehr guten ersten Halbjahr bezeichnen?
Durchaus. Die Märkte waren heuer schon sehr verwöhnt, vor allem die großen Tech-Aktien hatten einen spektakulären Lauf. In der Spitze hatte die Tech-Börse Nasdaq über 25 Prozent zugelegt. Da war natürlich Raum für Gewinnmitnahmen vorhanden.

Warum ist diese Woche für die Börsen wichtig?
Weil maßgebliche Unternehmen ihre Wirtschaftszahlen veröffentlichen. Caterpillar etwa, das lässt Rückschlüsse zu, wie es in der Baubranche läuft. Oder Disney, da wird man dann sehen, wie es der Entertainment-Branche geht. Auch Uber kommt. Caterpillar lieferte am Dienstag dann gleich Erfreuliches. Der US-Baumaschinenhersteller steigerte sich beim Umsatz, übertraf beim Gewinn je Aktie die Erwartungen. Die Aktien legte um über 5 Prozent zu. Auch Uber publizierte bessere Zahlen als prognostiziert. Die Aktie steigerte sich in der Folge um fast 13 Prozent.

Zum Schluss die obligate Frage: soll sich der Anleger jetzt auch erschrecken lassen?
Dann gebe ich die obligate Antwort: Nein, die Devise lautet: Ruhe bewahren und bei der gewählten Strategie bleiben. Kurzfristige Überreaktionen haben sich noch selten ausgezahlt.

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen

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