"Good American Family"

Warum eine Familie ihre Adoptivtochter für Betrügerin hält

Fesselnde neue Streaming-Miniserie nach einem wahren Kriminalfall: Eine amerikanische Vorzeige-Familie adoptiert ein kleinwüchsiges Mädchen aus der Ukraine – und ist sich schon bald nicht mehr sicher, ob es sich dabei wirklich um ein Kind handelt. Jetzt auf Disney+.

Am Anfang ist noch alles gut: Kristine (Ellen Pompeo) mit ihrer Adoptivtochter Natalia Grace (Imogen Faith Reid) in "Good American Family"
Am Anfang ist noch alles gut: Kristine (Ellen Pompeo) mit ihrer Adoptivtochter Natalia Grace (Imogen Faith Reid) in "Good American Family"
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Christian Klosz
Uhr
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Die Barnetts sind so etwas wie die "perfekte amerikanische Familie": Vater Michael (Mark Duplass) sorgt als Retail Store-Manager für das Einkommen, Mutter Kristine (Ellen Pompeo aus "Grey's Anatomy") geht ganz in ihrer Mutterolle auf.

Super, Mama! Sie sieht sich selbst als "Super-Mama", als ihren größten Erfolg betrachtet sie die Erziehung eines ihrer drei Söhne, Jacob, der an Autismus leidet: Ärzte hatten ihn bereits aufgegeben, ihr gesagt, er würde vielleicht nie sprechen können. Doch sie folgte ihrem Instinkt, ging auf ihn ein, förderte ihn – und nun reißen sich US-Eliteunis um den Teenager, der inzwischen als "Wunderkind" gilt.

Mutter auf Mission Kristine ist zurecht stolz darauf und plant nun einen Treffpunkt für autistische Kinder und deren Eltern, um auch anderen mit ihrer "Methode" zu helfen. Das Geld ist zwar knapp, doch Freunde, die Kristine nicht selten als Heilige betrachten, helfen bereitwillig mit Spenden aus. Um dieses Familienglück zu komplettieren, fehlt eigentlich nur noch eine Tochter. Deshalb entscheiden sich die Eltern für die Adoption eines kleinen Mädchens.

Michael (Mark Duplass) und Kristine (Ellen Pompeo) haben einen Termin bei der Adoptionsagentur
Michael (Mark Duplass) und Kristine (Ellen Pompeo) haben einen Termin bei der Adoptionsagentur
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Perfektes Familienglück …? Die ihnen von der Adoptionsagentur schließlich vorgeschlagene Natalia Grace (Imogen Faith Reid) ist 7 Jahre alt, kam als Waisenkind aus der Ukraine in die USA und leidet an einer seltenen Form von Kleinwuchs. Obwohl es beim Ablauf der Formalitäten einige Hürden gibt und die Originaldokumente Fragen aufwerfen, sind die Barnetts schon beim ersten Treffen mit Natalia Grace hin und weg: Sie bezeichnet sie gleich als "Mommy" und "Daddy" – und so wird das Mädchen in die Barnett-Familie aufgenommen.

… oder doch nicht? Doch bald häufen sich seltsame Vorfälle: Natalia kann zuckersüß sein, aber auch furchtbar wütend werden, wenn ihr etwas nicht passt. Dann platziert sie Reißnägel vor der Haustür platziert oder reißt dem Kuscheltier der Kopf ab. Und während Michael schnell eine enge Bindung zu seiner Adoptivtochter aufbaut, tut sich Kristine, die an sich mit allem, was das Thema Erziehung betrifft, souverän klar kommt, schwer mit dem neuen Kind im Haus.

Anfangs läuft es noch wirklich gut mit dem neuen Familienmitglied, …
Anfangs läuft es noch wirklich gut mit dem neuen Familienmitglied, …
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Dubiose Hintergründe Dann kommt es zu weiteren Vorkommnissen: Kristine behauptet, Natalia wäre nächtens mit einem Messer an ihr Bett herangetreten, das Mädchen bestreitet das. Dann meint Kristine, ihre Tochter hätte Schamhaare und bereits ihre Periode - sie könne also unmöglich 7 Jahre alt sein. Sie stellt Nachforschungen zu der Adoptionsagentur an und findet heraus, dass es dort zahlreiche Missstände gab und diese inzwischen geschlossen wurde.

Waisenkind – oder Betrügerin? Als Natalias Verhalten immer aggressiver und unberechenbarer wird, ist Kristine überzeugt: Ihre Tochter ist kein armes, traumatisiertes Waisenkind aus der Ukraine, sondern eine eigentlich erwachsene Betrügerin, eine gerissene Con-Artistin, die das System und ihre Adoptivfamilie ausnutzen will. Kristine sammelt Beweise, um Natalia loszuwerden und ihre Familie zu beschützen. Doch hat sie auch diesmal recht mit ihrem Instinkt?

Unglaublich, aber wahr Was unglaublich klingt, ist so tatsächlich passiert: Der Fall Barnett geistert bereits seit 2010, als die reale Natalia Grace adoptiert wurde, durch die US-Medien. Er sorgte für Staunen, Aufsehen sowie heiße Diskussionen und führte schließlich zu Festnahmen, Anklagen und sogar zu einem Prozess. Das Geschichte wurde zwischen 2023 und 2025 bereits einmal in einer Doku-Serie ("Der Fall Natalia Grace") in 3 Staffeln ausgiebig aufgearbeitet.

Wer hat recht? Ohne zu viel verraten zu wollen: Den Barnetts - insbesondere Mutter Kristine - wurde später Kindesmisshandlung vorgeworfen. Diese wurde von ihnen damit gerechtfertigt, dass Natalia Grace bereits eine erwachsene Betrügerin gewesen sei, die sie gefährdet hätte. Dagegen sprechen die Aussagen von Natalia Grace, Indizien sowie verschiedene Beweise.

Von der Super-Mama zur Rabenmutter "Good American Family" erzählt die ganze, unglaubliche Geschichte nicht chronologisch, sondern auf verschiedenen Zeitebenen. Am Anfang steht die Festnahme von Kristine Barnett im Jahr 2019, als sie gerade eine Rede zu Ehren ihrer Autismus-Organisation halten will. Die selbsternannte "Super-Mama" wird vor versammeltem Publikum vom FBI von der Bühne gezerrt und in Handschellen abgeführt.

… aber bald kommen den Eltern erste Zweifel, ob Natalia Grace (Mitte) wirklich so jung ist, wie sie behauptet
… aber bald kommen den Eltern erste Zweifel, ob Natalia Grace (Mitte) wirklich so jung ist, wie sie behauptet
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Ausufernd erzählt … Die Haupthandlung spielt 2010, nach der Adoption von Natalia Grace. Es gibt aber auch Rückblenden in die Zeit des Kennenlernens zwischen Michael und Kristine, um deren psychologische Prägungen und den Charakter ihrer Beziehung nachvollziehbarer zu machen. Ob diese teils etwas ausufernde Erzählweise und alle Zeitsprünge wirklich nötig waren, sei dahingestellt. Vielleicht wäre ein etwas gestraffterer Handlungsfaden besser gewesen, die Geschichte an sich ist schon verwirrend genug.

… aber trotzdem extrem spannend Das tut aber der Spannung und Faszination, die von "Good American Family" ausgeht, keinen Abbruch. Zu verrückt und mysteriös ist diese Geschichte. Dazu trägt auch das bewusste Spiel mit Perspektiven von Serienschöpferin und Showrunnerin Katie Robbins bei. Die ersten Episoden geben die Sicht der Eltern wieder, wie auch am Anfang durch Einblendung klargestellt wird. Inwiefern auch Natalia Graces Perspektive zum Tragen kommt, wird sich erst in den späteren Episoden zeigen.

Und irgendwann setzt sich bei Kristine die Idee fest, dass ihre Adoptivtochter ihrer ganzen Familie Schaden zufügen könnte
Und irgendwann setzt sich bei Kristine die Idee fest, dass ihre Adoptivtochter ihrer ganzen Familie Schaden zufügen könnte
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Fazit Trotz mancher erzählerischer Schwächen gelingt es "Good American Family", eine unglaubliche, verworrene aber nichtsdestotrotz wahre Geschichte als fesselnde Mini-Serie zu adaptieren, die auf den "True Crime-Zug" aufspringt und für Diskussionen sorgen wird.

"Good American Family", USA 2025, Miniserie mit 8 Episoden à ca. 45 Min., Ep. 1-5 online, ab 16. April jede Woche eine weitere, Disney+

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