Oscarreif
Warum Kino-"Konklave" die katholische Kirche irritiert
Der Film nach einer Vorlage von Bestsellerautor Robert Harris beeindruckt über zwei Stunden, verwirrt am Ende mit einem frechen Finale und gilt bereits als Oscar-Kandidat. Ab sofort im Kino.
Dass im Vatikan ganz eigene Regeln gelten, die göttlichen nämlich, ist jedem Normalsterblichen bewusst, selbst wenn er noch nie einen Fuß in den Gottesstaat gesetzt hat. Die Vorgänge hinter pompösen Vorhängen in dieser abgeschirmten Parallelwelt faszinieren manche, andere wiederum halten die Idee einer exklusiven, mächtigen Männergesellschaft im 21. Jahrhundert für überkommen. So oder so: Die katholische Kirche hat zwei Jahrtausende überlebt, viele ihrer Rituale auch. Dazu gehört auch die Papstwahl, Konklave genannt.
Warten auf den weißen Rauch Immer wenn ein amtierender Papst zu Gott gerufen wird, also stirbt, obliegt es den Kardinälen, einen neuen, obersten Vertreter Gottes auf Erden zu küren. Sie kommen in Rom zusammen und wählen so lange via Stimmzettel den Besten unter ihnen, bis weißer Rauch aufsteigt, also bis ein neuer Papa mit 2/3-Mehrheit gewählt wurde.
Uralte Traditionen Der weiße Rauch ist eine weitere dieser alten, anachronistisch erscheinenden Traditionen, der inzwischen zum geflügelten Wort geworden ist. Dieses Hochamt der katholischen Kirche sorgt stets für weltweite Aufmerksamkeit, Medien berichten, TV-Sender machen Live-Schaltungen, mögliche Kandidaten werden in Artikeln vorgestellt.
Faszination Vatikan Auch der deutsche Regisseur Edward Berger ("Im Westen nichts Neues") scheint davon fasziniert gewesen zu sein, sonst hätte er nicht dieses Sujet für seinen neuen Film gewählt: "Konklave" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Robert Harris aus dem Jahr 2016 und wurde von Drehbuchautor Peter Straughan als Mischung aus Kammerspiel und Thriller adaptiert. Bergers Herangehensweise scheint dabei aber nur auf der ersten Blick klassisch-konservativ, wie sich spät im Film zeigen wird.
Worum geht es in "Konklave"? Der amtierende Papst entschläft in seinen Gemächern, Kardinal Thomas Lawrence (Ralph Fiennes) kommt als Dekan des Kardinalskollegiums die Aufgabe zu, das nun nötige Konklave zu organisieren. Er selbst ist nicht glücklich mit der Aufgabe, hatte den Papst kurz vor dessen Tod um seine Entlassung gebeten, da ihn Glaubenszweifel plagen. Der Papst aber akzeptierte seinen Rücktritt nicht, aus Pflichtgefühl gegenüber dem Verstorbenen nimmt sich Lawrence nun der großen Aufgabe an.
Konkurrenzkampf in der Kurie Nach und nach trudeln die über 100 Kardinäle im Vatikan ein, darunter einige der Favoriten auf den Papst-Posten: Aldo Bellini (Stanley Tucci), ein amerikanischer Liberaler, der zumindest anfangs keine Ambitionen zeigt; Goffredo Tedesco (Sergio Castellitto), ein italienischer Reaktionär, der die Kirche in die scheinbar glorreiche Vergangenheit zurückführen will; Joshua Adeyemi (Lucian Msamati), ein nigerianscher Sozial-Konservativer; Joseph Tremblay (John Lithgow), ein kanadischer Moderater. Auch Lawrence wird von manchen seiner Brüder favorisiert, obwohl er selbst absolut nicht Papst werden will.
Politthriller im Vatikan "Konklave" schildert in 2 Stunden die Vorgänge vor und während der Papst-Wahl, hin- und hergehende Intrigen, die Versuche mancher Kandidaten, sich in Front zu bringen, Absprachen unter den Fraktionen. Was trocken klingen mag, ist von Regisseur Berger spannend wie ein Polit-Thriller in Szene gesetzt. Ein Faktor ist das ungewöhnliche, äußerst gelungen in Szene gesetzte Ambiente (eine Replikation der Sixtinischen Kapelle wurde eigens gebaut), ein weiterer die Gemeinschaft mit ihren Regeln und Abläufen.
Klassisches Kammerspiel Berger inszeniert ein atmosphärisches Kammerspiel, das sich auf die Dialoge verlässt, auf die Interaktion der Akteure, auf simple, aber wirkungsvolle Kameraeinstellungen, die kunstvoll zwischen Nah- und Fernaufnahmen oszillieren. Geradezu klassisch wirkt "Konklave" in manchen Momenten, wie Filmkunst, die sich auf das Wesentliche beschränkt - und gerade so punkten kann.
Überragender Ralph Fiennes Der Regisseur kann sich aber auch auf tolle Schauspielleistungen verlassen, aus denen Ralph Fiennes herausragt: Sein zweifelnder, still leidender, aber pflichtbewusster, moralisch integrer Kardinal Lawrence ist fraglos eine der besten Schauspielleistungen des Jahres bisher, Nominierungen für diverse Filmpreise sollten so sicher sein wie das Amen nach dem Gebet.
Päpstlicher Plot-Twist Die hohe filmische Qualität vieler Aspekte von "Konklave" ist also diskussionslos anzuerkennen. Umso diskussionswürdiger das überraschende Ende, das je nach Gusto gefeiert oder verteufelt werden wird. Abgesehen von den inhaltlichen und politischen Implikationen passt es tonal wenig zum Rest des Films, der sich über den Großteil der Laufzeit als detaillierte, dramatische Rekonstruktion innerer Vorgänge des Vatikans versteht und daraus seine Spannung bezieht. Und es geschieht zu abrupt: Während sich das Werk zuvor Zeit nimmt, die Vorgänge ausführlich darzustellen, wird das Finale in 5 Minuten heruntergebetet.
Gefallsucht Inhaltliche Details dazu können und sollen hier nicht verraten werden, da sie ein mögliches Seherlebnis einschränken würden. Man kann aber über die Art und Weise sprechen, wie der finale Plot-Twist (auch der basiert auf der Buchvorlage) vermittelt wird. Nämlich etwas zu berechnend und manipulativ. "Konklave", dieses zuvor ganz klassische Kunststück, verfällt der Gefallsucht.
Ein Ende, das spalten wird Um etwas mehr Kontext zu liefern: Von progressiven Filmkritikern wurde "Konklave" bisher überwiegend begeistert aufgenommen, gerade wegen des Endes. Vertreter der katholischen Kirche zeigten sich weniger erfreut, wie etwa der amerikanische Bischof Robert Barron: Nicht ohne Sarkasmus meinte er, wer einen Film über die katholische Kirche sehen wolle, der von der Redaktion der "New York Times" geschrieben hätte werden können, sei hier richtig. Und: Da "Konklave" jede "woke box" abhake, werde er sicher eine Menge Preise gewinnen. Doch, so der Rat des Bischofs: "Lauft so schnell wie möglich davor weg."
Fazit Weglaufen muss man nun vor "Konklave" ganz bestimmt nicht. Am Ende muss aber jeder für sich selbst entscheiden, was er vom provokativen Finale hält, es wird die Meinungen spalten. Abgesehen davon aber ist das ein beachtliches Werk geworden, das vor allem inszenatorisch in der Oberliga spielt. Und sich durch ganz und gar päpstliche Schauspielleistungen auszeichnet. Beim Konklave der Filmbranche, den Oscars, wird wohl der eine oder andere Preis für den Film herausschauen.
"Konklave", USA / Großbritannien 2024, 120 Minuten, ab 21. November im Kino