"Flight Risk"
Wieso neuer Film von Mel Gibson nicht vom Boden kommt
Neun Jahre nach seinem letzten Regiewerk kehrt Mel Gibson mit "Flight Risk" zurück. Der billig produzierte Action-Thriller kann trotz namhafter Besetzung nicht wirklich überzeugen. Christian Klosz hat ihn gesehen. Ab jetzt im Kino.

Man kann Mel Gibson vieles unterstellen - dass er langweilig wäre, wohl nicht.
Nach dem Aufstieg zum Actionstar in den 80ern ("Mad Max", "Lethal Weapon") schuf er als Regisseur mit "Braveheart" einen der prägenden Filme der 1990er, der mehrfach Oscar-prämiert wurde. Anfang der 2000er sorgte seine Bibel-Verfilmung "Die Passion Christi" für Aufruhr und Proteste, ausgerechnet von konservativen Christen.
Ächtung und Achtung Nach dem brutalen Zivilisierungs-Epos "Apocalypto" fiel der Schauspieler und Regisseur in erster Linie durch Alkohol-Eskapaden und antisemitische Ausfälle auf, was zu seiner Ächtung in Hollywood führte, nicht zu Unrecht. Für seine Rehabilitierung sorgte ausgerechnet Jodie Foster, die Gibson in dem sensiblen Depressions-Drama "The Beaver" (2011) castete.

Epen und B-Movies 2016 feierte Gibson als Regisseur mit dem Kriegsdrama "Hacksaw Ridge" sein Comeback, der Film kam bei Publikum und Kritik gut an und gewann zwei Oscars. In den letzten Jahren war er vor allem als Darsteller in B-Movies aktiv, manche davon durchaus ansehnlich, andere minderwertig. Nun übernahm Gibson mit "Flight Risk" bei einem Film derselben Kategorie die Regie.
"IQ eines Zaunpfosten" Selbst wenn man bei der Bewertung "Autor und Werk" trennen will, kommt man um eine Einordnung der Person nicht umhin: Nachdem sich Gibson im letzten Jahrzehnt in Hollywood weitgehend rehabilitieren konnte, fiel er gerade in den letzten Monaten immer wieder durch verstörende Aussagen auf. 2024 empfahl er Donald Trump für die US-Wahl, dessen Gegnerin Kamala Harris hätte "den IQ eines Zaunpfosten". Und das, nachdem er sich bei der Wahl 2016 noch gegen Trump gestellt hatte.
Wurmmittel gegen Krebs Im Zuge der kalifornischen Wildfeuer, die auch Gibsons Anwesen zerstörten, startete der 69-Jährige einen Feldzug gegen den demokratischen Gouverneur Kaliforniens Gavin Newsom und die Bürgermeisterin von LA, die er verklagen wollte und denen er die alleinige Schuld an den Bränden gab. Vor einigen Wochen gab er in Joe Rogans Talkshow Verschwörungstheorien zum Besten, wonach das Entwurmungsmittel Ivermectin Krebs heilen könne.
Werk ohne Autor Für viele ist all das genug Grund, Gibson (erneut) zu ächten und seinen künstlerischen Output zu ignorieren oder zu diskreditieren, man kann es ihnen nicht verdenken. Hier soll trotzdem versucht werden, "Flight Risk" möglichst objektiv als Film zu betrachten und zu bewerten, unabhängig von den Eskapaden der Privatperson Mel Gibson.
Mafiakronzeugentransport Die Handlung des Films ist schnell erklärt: US-Marshall Madolyn Harris (Michelle Dockery) soll den Mafia-Kronzeugen "Winston" (Topher Grace) zur Kooperation mit den US-Behörden überreden, was ihr auch gelingt. Folgend soll sie ihn, der sich in Alaska verschanzt hielt, sicher nach Seattle und dann nach New York transportieren, wo er gegen seinen ehemaligen Auftraggeber, die Moretti-Familie, aussagen soll.
Kampf um Leben und Tod Der Transport nach Seattle soll in einem Kleinflugzeug stattfinden, das ein gewisser Daryl Booth (Mark Wahlberg) steuert - oder zumindest jemand, der sich als Booth ausgibt. Denn der Pilot ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Als Harris und Winston den Braten riechen, ist es schon zu spät: In luftiger Höhe sind sie an Bord mit einem Irren, dem alles zuzutrauen ist. Aus einem simplen Zeugentransport wird ein Kampf um Leben und Tod.

Klaustrophobisches Kammerspiel Was klingt wie ein simpler, reichlich dünner B-Movie-Plot ist auch genau das: "Flight Risk" bezieht seine Spannung nicht aus atemberaubenden Twists und einer ausgefeilten Handlung, sondern aus dem kammerspielartigen Setting. Fast der ganze Film spielt innerhalb des Kleinflugzeugs, das über die Wildnis Alaskas segelt.
Billiges B-Movie ohne Bombast Wenn man Gibsons Film etwas nicht vorwerfen kann, ist es dieser Minimalismus, der von der Reduktion auf das Wesentliche lebt. Wenn man sich dann aber ins Gedächtnis ruft, dass seine andere Filme durchwegs bombastische Epen waren, die zu einem Gutteil von dieser Megalomanie lebten ("Braveheart", "Die Passion Christi", "Apocalypto") ist man enttäuscht. Oder zumindest irritiert.
Mittelmäßige Massenware "Flight Risk" entspricht nicht dem Anspruch, den man an einen Gibson-Film hat - und den er bisher selbst an und in seinen Werken an den Tag legte. Der Actionthriller sieht teilweise recht billig produziert aus (wo ist das nicht geringe Budget von 25 Millionen versickert?) und er kommt nie über den Status eines bestenfalls mittelmäßigen B-Movies hinaus.
Es gibt nichts, das ihn von der amerikanischen direct-to-video-Massenware abhebt, die früher die Videotheken und nun die VOD-Stores überschwemm(t)en. Außer der Name am Regiestuhl und die namhafte Besetzung.

Lowlight Mark Wahlberg Der Cast kann auch nur bedingt überzeugen: Am besten macht ihre Sache noch die Britin Michelle Dockery, bekannt aus "Downtown Abbey". Topher Grace spielt seine Figur, den nervigen Informanten, solide, ohne zu glänzen.
Das wahre Lowlight des Films ist aber Mark Wahlberg, der hier wohl die schlechteste Leistung seiner Karriere hinlegt. Nicht nur irritiert die billig aufgeklebte Glatze (noch einmal: Was passierte mit dem Budget?!), sondern auch sein erratisches Overacting, das nicht in die Kategorie "so bad it's good" fällt, sondern für das gilt: "so bad it's really bad".
Fazit Die Trennung zwischen Werk und Autor löst sich in "Flight Risk" von selbst auf, denn der Film ist so gaga wie sein Regisseur: Trotz seines manischen Verves hebt Mel Gibsons Action-Thriller nie vom Boden ab und entgeht nur knapp dem Totalabsturz.
Manch gute Ansätze werden durch die Schlampigkeit bei Drehbuch und Inszenierung relativiert, sodass am Ende ein bestenfalls mittelmäßiges B-Movie bleibt, von denen es tausende ähnliche gibt. Und auf das man leicht verzichten kann.
"Flight Risk", USA 2025, 91 Minuten, ab sofort im Kino