TikTok setzt Trends
Warum sich Katzenurin als Parfum "verkauft wie verrückt"
Der "Economist" über den Milliardenmarkt Duft. Wie TikTok das Kaufverhalten verändert, warum Burschen mehr Geld für Parfums ausgeben als Mädchen. Und warum viele nun nach frisch gemähtem Gras, einer reichen alten Dame oder Katzenurin riechen wollen.

Wenn Sie nach "Reichtum für Generationen" riechen wollen, dann tragen Sie Louis Vuitton! Ein Parfum von Glossier stoppt jeden Jogger. Ein Fläschchen Phlur macht Ihnen Gänsehaut und rührt Sie zu Tränen.
Diese Empfehlungen stammen nicht von Stars aus der Fernsehwerbung, sondern von Social-Media-Nutzern. "Das hat mich tatsächlich dazu gebracht, es zu kaufen", lautet ein typischer Kommentar, der 19.000 Likes erhalten hat.
Duftstoffe mögen die kleinste Kategorie im Beauty-Sektor sein, aber sie wachsen schnell. Das Beratungsunternehmen McKinsey schätzt, dass der weltweite Umsatz bis 2028 auf 106 Milliarden US-Dollar klettern wird, das entspricht einem Anstieg von 30 Milliarden US-Dollar gegenüber 2023. Das Wachstum bei Duftstoffen wird voraussichtlich das von Make-up, Haarpflege und Hautpflege übertreffen.

Soziale Medien treiben diesen Boom voran. TikTok ist besonders einflussreich, besonders bei der Generation Z. 2023 gaben in den USA zwei Drittel gegenüber dem Forschungsunternehmen Circana an, dass die Kurzvideo-App ihre Kaufgewohnheiten in Bezug auf Düfte mehr beeinflusst habe als jede andere Plattform.
Beauty ist mit Abstand das meistverkaufte Segment im TikTok Shop, der E-Commerce-Funktion der Plattform. Flakons, die unter #PerfumeTok viral gehen, sind schnell aus den Regalen weggekauft.
Parfümliebhaber treiben sowohl Trends als auch den Umsatz an. Viele verweisen ihre Follower nicht auf Luxusangebote großer Modehäuser, sondern auf Parfüms der mittleren Preisklasse, die "teuer riechen". Andere empfehlen "Nischen"-Düfte von kleinen, unabhängigen Marken. Wie man riecht, so suggerieren diese Videos, sollte genauso viel Überlegung erfordern wie das Aussehen.
Das Interesse wächst auch in unerwarteten Kreisen. Mehr als die Hälfte der von der Bank Piper Sandler befragten Teenager in Amerika gaben an, sich täglich zu parfümieren, ein Anstieg von zehn Prozentpunkten in zwei Jahren.

Im Durchschnitt gaben Burschen im Vorjahr 110 Dollar für Parfüm aus – gegenüber 75 Dollar 2023 – und Mädchen 93 Dollar. Grund dafür ist "Smellmaxxing", ein Social-Media-Trend, bei dem junge Männer Tipps austauschen, wie man frisch, verführerisch oder moschusartig riecht.
Eine Zeit lang haftete dem Gewerbe ein muffiger Geruch an. Vor etwa 15 Jahren beklagte Jean-Claude Ellena, damals Parfümeur bei Hermès und eine gefeierte "Nase", dass die Konzentration in der Branche – die von vier Firmen dominiert wird – zu einer langweiligen Uniformität geführt habe: "Die Formen sind sich ähnlich geworden, und das Einzigartige ist selten." Er sah handwerklich hergestellte Produkte als Schlüssel zur Zukunft von Parfüms als "Objekte der Begierde".
Das war weitsichtig. Was Ellena nicht vorhersehen konnte, war die Rolle, die soziale Medien dabei spielen würden, Verbraucher zum Experimentieren zu ermutigen. Liebhaber stellen sich "Duftgarderoben" zusammen, anstatt sich einem Produkt treu zu bleiben. Influencer präsentieren kunstvoll arrangierte Regale mit Dutzenden von Flakons. Auch Abonnementdienste, die monatlich Proben liefern, sind auf dem Vormarsch.
"Die Generation Z will Abwechslung, sie will Sammlungen", beobachtet Jake Levy, Mitbegründer von Stéle, einer Parfümerie mit zwei Filialen in New York. Levy sagt, dass die durchschnittlichen Ausgaben in der Filiale in Manhattan bei etwa 500 Dollar liegen, da die Kunden bei einem Besuch mehrere Flakons kaufen. 'Die einzigen, die Signature-Düfte wollen, sind über 60' meint er.

Dass Parfüm in einem Internet, in dem man nichts riechen kann, Anklang findet, mag verwirrend erscheinen. Aber die digitale Welt ist seit langem ein Ort, an dem Sammler Produkte entdecken, diskutieren und vergleichen können.
Vor TikTok haben Parfümliebhaber Videos auf YouTube hochgeladen; einige schrieben in Newslettern über ihre Lieblingsflakons. Viele nutzen noch immer eine veraltete Website namens Fragrantica, die seit ihrer Gründung im Jahr 2007 scheinbar unverändert geblieben ist, um Parfums zu bewerten.
Bei ihren Versuchen, bestimmte Düfte zu beschreiben, haben die Nutzer Spaß daran, sich blumiger Sprache zu bedienen. Eine Rezension zu Pure Poison von Dior beispielsweise beschwört das Bild von "Schneewittchens längst verwesender Leiche, die in einem Holzsarg im Wald bei ihrer vergessenen Beerdigung liegt".

Heute diskutiert eine 80.000 Mitglieder starke Gruppe von "Fragrantica Warriors" auf X, wie man nach allem Möglichen riechen kann, von Keksen bis hin zu Kreditkarten. Parfüm ist berauschend, weil Gerüche sehr stark Erinnerungen wecken.
Ein Duft kann auch ein Wunschbild sein: Laut Levy wünschen sich junge Frauen in ihren Zwanzigern, wie eine "opulente alte Dame" zu riechen.
Düfte wecken auch Erinnerungen. Käufer suchen beispielsweise nach dem Duft von frisch gemähtem Gras. Manche bewundern einfach die Fähigkeit der Parfümeure, bestimmte Gerüche nachzubilden. Levy bietet einen Duft an, der an Katzenurin erinnert. "Ob Sie es glauben oder nicht", sagt er, "der verkauft sich wie verrückt."