Lokale Kritik
Zwei-Stern-Eingeweide und Sprachlosigkeit: So isst Istanbul
Weil es Die Cuisinière nicht anders wollte, findet Istanbul und dessen kulinarische Vermessung eine Fortsetzung - nicht nur im besten und teuersten Lokal der Türkei, sondern auch mit Lammschwanzfett und gegrilltem Lammdarm.
"Nachdem dir die Fotos über dem Bosporus aus dem "Chacha Balik" so gut gefallen haben und du gar nicht so sehr auf das Essen geachtet hast, hier nochmals Bosporus, wo vor allem die Lage und der Blick beeindruckend sind", ätzt Der Connaisseur. "Doch, aber du hast mich mit dem gebratenen Lammschwanzfett so irritiert", rekurriert sie auf seine Beschreibung des ohnmächtigen Imam vom letzten Mal. "Ich kann noch immer nicht glauben, dass du das bei Maksut Askar gegessen hast!"
Die Cuisinière bezweifelt seine kulinarische Experimentierfreudigkeit??
Er ist kurz empört. Findet sich aber rasch wieder. Also: Das "Kiyi Restaurant" liegt im Istanbuler Vorort Tarabya, allerdings am europäischen Teil des rund 30 Kilometer langen Bosporus, und bietet ebenfalls ordentliche türkische Küche, wie sie es im Mittelmeer-Raum oft gibt, allerdings auch hier zu Preisen, die sich sehen lassen können. Das Kilo Fisch um die 120 Euro, dafür sitzt man unter der türkischen Schickeria am Yachthafen. Wer das will, ist hier richtig. Die Cuisinière denkt: "Fisch ist nicht Fisch." Er denkt: "Na geh!"
Weil der Ausblick ein Thema war: Das "völlig zurecht mit einem Stern bedachte "Mikla" ist und isst wirklich atemberaubend". Und bietet einen unglaublichen Rundumblick über die ganze Stadt und ihre Gewässer. Die unter "Neue anatolische Küche" firmierende fabelhafte Linie rückt – zumindest zu Beginn, bevor der Appetit ruft – in den Hintergrund.
Sehr beeindruckend … man könnte sagen eine Stadt, die niemals schläft
Und ist mit ihren 120 Euro für ein Menü wohlfeiler. "Und weniger überkandidelt?!", erkennt Die Cuisinière. "Eine wirklich spannende Küche – 2022 unter den "World's 50 Best Restaurants" – und einen ebensolchen Weinkeller im 16. Stock des 'Marmara Pera Hotels'", schwärmt er weiter. Das "Mikla" im zentralen Stadtteil Beyoglu bezeichnet Der Connaisseur in jedem Fall als überaus empfehlenswert. "Nicht nur vom Ausblick, sondern auch vom Preis-Leistungs-Verhältnis" sein Favorit!
Beim türkischen "Koch des Jahres"
Mitten im Business-Hochhaus-Viertel Istanbuls liegt das mit Zwei Sternen ausgezeichnete "Turk Fatih Tutak", benannt nach dem Chef, der wohl zurecht öfter "Koch des Jahres" war. Das lässt die "Köchin des Jahres" von seinerzeit aufhorchen. Als Die Cuisinière dann noch vernimmt, dass die Desserts mitten im laufenden Küchenbetrieb eingenommen werden, ist sie vollends überrascht. "Mitten im Betrieb?", fragt sie ungläubig. "Ja, quasi in der Hochsaison", bestätigt Der Connaisseur und zeigt einige Fotos.
"Also keine Schreiereien und wirklich kommunikative Kochlöffel?", frägt sie noch immer baff. "Hat sich zwar in den letzten 10 bis 20 Jahren fast überall verbessert, aber der Einblick in die Eingeweide einer Zwei-Stern-Hütte ist schon bemerkenswert", lässt Die Cuisinière "tief in ihre jahrzehntelange Erfahrung blicken"; gerne verwandelt er den Elfer. "Das mit den Jahrzehnten hättest du dir sparen können!", wirkt sie kurz beleidigt. "Das zeigt nur deinen großartigen Hintergrund und die Mega-Erfahrung!", versucht er eine Wiedergutmachung, "du machst ja selbst auf deiner Homepage kein Geheimnis daraus!"
"Jedenfalls eine freundliche, konzentrierte Atmosphäre ohne Tam-Tam", lenkt Der Connaisseur weiter von den Jahrzehnten ab. Es macht natürlich schon "einen Unterschied, wenn der Akt fix im Serviceplan eingebaut ist, lässt sie in ihre "große Praxis" blicken. "Da hab ich auch schon anderes erlebt", verkündet Die Cuisinière so nebenbei.
Dieses Geheimnis lüftet sie - vorerst(?) - nicht.
Die feurigen 13 Gänge (um 300 Euro – das Lokal war voll und man muss Wochen vorher reservieren) zeigen ganz große Küche. Fatih Tutak, der namensgebende Chef des Restaurants, spielt mit Fermentation und Trockenalterung, zarter Säure und Raucharomen. Natürlich mit allen Zutaten feinster Qualität. "Seine Lehr- und Wanderjahre in Hongkong, Singapur, Tokio und schlussendlich in René Redzepis "Noma" hinterließen fruchtbare Spuren", gibt Der Connaisseur an. "Du und - wenn auch nur 'leicht' - Säure?? Und das nach dem Lammschwanzfett?" Der Cuisinière fehlten tatsächlich die Worte!
Dieses Geheimnis wird er nie lüften!
Und verweist auf die Speisekarte!
Als er dann auch noch die Fotos präsentiert, ist selbst Die Cuisinière – erneut – sprachlos.
Als sie um ergänzende Erläuterungen ersucht, deutet Der Connaisseur verklärt auf die Speisekarte. "So ergriffen, dass du auch sprachlos warst? Oder war der Wein so gut?", wird sie schon wieder gemein.
"Schon" findet er beim Thema Wein wieder Worte und Erinnerung, "aber um 135 Euro für die Flasche bleibt man arid!"
Das wiederum lässt sie noch sprachloser zurück! Aber dafür hätte auch schon der offenbar kommentarlos vom Connaisseur verspeiste "gegrillte Lammdarm", wie sie am Foto sofort erkannte, gereicht!!
"Das könnte überall sein", fängt sich Die Cuisinière langsam wieder.
Und man weiß nicht ganz genau, wie sie das meint. "Gibt es nicht etwas mehr für das Gemüt?", erläutert sie. "Wirklich?!! Aus deinem Mund!", macht jetzt er sich Sorgen. "Geht bei dir langsam das Schauen über das Essen?"
Aber er will nicht unfreundlich sein, kommt auch diesem ihrem Wunsch nach und berichtet von einer "Landpartie": "Hervorragendes Essen, freundlichstes Service, nachgerade billiger aber ausgezeichneter Wein! Und wieder ein Traumblick!", antwortet Der Connaisseur über die Bande für ihr Gemüt.
Ein Ausflug ans Wasser
Stimmung und Lage in jedem Fall vergleichbar, quasi "same same but different" zu den bisherigen Lokalen "mit Blick", halt in der ruralen Variante: Am Ausgang des Bosporus, mit Sichtweite aufs Schwarze Meer, liegt das Dörfchen Anadolu kavagi. Im "Yosun" sitzt man auf der Terrasse direkt am Wasser, trinkt das großartige Achterl Wein um 2,50 Euro und isst ausgezeichnete Mezzes.
Dazu komme, dass diese "Idylle mit etwas Finesse mit den Istanbuler Vaporettos um 2 Euro zu erreichen" sei, schwärmt Der Connaisseur. "Mit dem Bonus, entlang des Bosporus all die großartigen Villen aus nächster Nähe zu sehen." "Möchte auch", stößt sie hervor …
"Und dann ist man in einer anderen Welt?", fragt Die Cuisinière. "Ja, keine Stunde von der Millionen-Metropole entfernt!", bestätigt Der Connaisseur. "Und sogar mit eigenen Sandstränden!"
Die Cuisinière & Der Connaisseur
Die Cuisinière und Der Connaisseur arbeiten schon länger projektweise zusammen, haben sich zusammen getan, um über das Essen zu reden. Und nun auch für Newsflix darüber zu schreiben. Es ist, wie es isst!
Die Cuisinière ist Jacqueline Pfeiffer, Grand-Master Chef – bis vor kurzem Chef, jüngst She-Chef – genannt. War Kochlöffel in diversen Hauben- und Sternehütten in Mitteleuropa ("Adlon", Gstaad, "Marc Veyrat" usw.), irgendwann "Köchin des Jahres" und hatte in den 10er-Jahren im Wiener "Le Ciel" (nach neuer Gault Millau-Zeitrechnung) vier Hauben erkocht. Nunmehr ist sie als Enjoyment-Consultant mit ihrem PfeiffersGiG selbst kochend fast ausschließlich im diskreten gastronomischen Spitzenbereich oder als Beraterin unterwegs.
Der Connaisseur ist Wolfgang Fischer, war Journalist und Medienmanager, zehn Jahre CEO der Wiener Stadthalle, nunmehr Geschäftsführer der DDSG Blue Danube, bester Freund von Admiral Duck – und Gourmet wie Gourmand seit Jahrzehnten. Also ein klassisch übergewichtiger weiser alter Mann.