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"BlackBerry", der Film: Daran scheiterte die Handy-Revolution
Die freche Film-Satire schildert Aufstieg und Niedergang des ersten Smartphones. BlackBerry-Handys galten als Statussymbol, heute sind sie toter als tot.
"Stellen Sie sich ein Handy und eine E-Mail-Maschine in einem Gerät vor."
"Wie bitte?"
"Also, faktisch existiert ein freies, kabelloses Internetsignal in ganz Nordamerika, das bis jetzt niemand nutzen kann.
Das ist wie die Macht – kennen Sie 'Star Wars'?"
Die Erfindung des Smartphones Mit diesem Dialog beginnt 1996 eine der bemerkenswertesten Wirtschaftsgeschichten des noch jungen Handy-Zeitalters. Nämlich der rasante Aufstieg des kanadischen Herstellers BlackBerry und seiner einzigartigen Mobiltelefone. Das Unternehmen – gegründet von den College-Freunden Mike Lazaridis und Douglas Fregin – erkannte als erstes die Möglichkeiten, die in den noch jungen Technologien Handy-Telefonie und Internet steckten. Und verband diese erstmals auf ansprechende Art.
Einmal Himmel und retour Ein paar Jahre lang machte BlackBerry alles richtig und war der weltweit gefeierte Hightech-Überflieger – und danach machte man alles, was nur ging, falsch. Von beidem erzählt der kanadische Film "BlackBerry". Aber weder als kapitalistische Heldengeschichte, noch als bierernstes Wirtschaftsdrama. Sondern in Form einer frechen Satire, die sich vor allem über die speziellen Charaktere hinter der Erfolgsgeschichte liebevoll lustig macht. "BlackBerry", der Film, wurde bereits 2023 auf der Berlinale gezeigt, fand aber nie den Weg in die heimischen Kinos. Am 8. Juni feiert der Film seine Streaming-Premiere auf Paramount+ und Sky.
Der BlackBerry-Aufstieg Die College-Tüftler Mike Lazaridis und Douglas Fregin hatten die Idee, das Telefonieren über das Handynetz sowie die drahtlose Internet-Kommunikation, die bis dahin nur mit so genannten PDAs (Personal Digital Assistant) stattfand, zu kombinieren. Das alles verpackten sie in einem extravagant designten Gehäuse, das einen überdimensionalen Bildschirm sowie eine echte, kleine Computertastatur bot und somit erstmals richtiges Tippen ermöglichte. Gemeinsam mit dem Geschäftsmann Jim Balsillie, der als CEO des Unternehmens an Bord geholt wurde, ging es flugs auf die Überholspur.
Lieblings-Tool der Nuller-Jahre-Yuppies Das erste BlackBerry kam 1999 auf den Markt, der Nachfolger von 2002 wird von vielen Experten als erstes Smartphone betrachtet, da damit Telefonieren, E-Mailen, Web-Surfen sowie alle Organizer-Funktionen durchgeführt werden konnten und die Programme sich selbständig synchronisierten, sobald Internet-Empfang vorhanden war. De facto konnten damit Mails von unterwegs gelesen und beantwortet werden – seinerzeit eine Killer-Funktion.
Barack Obamas Darling Dazu kam, dass BlackBerry von Anfang an vor allem Unternehmen und Business-Menschen mit seinen Geräten adressierte und servicierte. Heißt, es gab clevere Netzwerklösungen für Unternehmen und die Sicherheitsstandards bei der Kommunikation waren sehr hoch, was BlackBerrys bald auch zu den bevorzugten Handys von Politikern rund um die Welt machte. Prominentester Nutzer war US-Präsident Barack Obama, aber auch zahlreiche andere Top-Politiker setzten auf die Möglichkeiten der eigenwillig designten Handys aus Kanada.
9. Jänner 2007 – Schicksalstag für BlackBerry Doch dann geschah das Undenkbare. Anfang Jänner 2007 trat Apple-Gründer und CEO Steve Jobs vor die Weltpresse und hielt eine seiner bei Tekkies heiß ersehnten und bei der Konkurrenz gefürchteten Präsentationen. "One more thing" – so bereitete der Apple-Guru stets seine wichtigste Botschaft vor, die jede Präsentation abschloss. Und an jenem 9. Jänner war das das erste iPhone. Ein Handy, das alles konnte, was der BlackBerry konnte, und manches darüber hinaus. Aber statt einer Computertastatur, statt überhaupt irgendeiner Tastatur, bestand das gesamte Handy bloß aus einem einzigen Touchscreen.
"Es ist okay, alles gut!" In Kanada bei BlackBerry erkannte man die Gefahr, die hier aufzog, zunächst nicht. "Das ist okay, wir kommen damit klar", wiegelte Jim Balsillie, der Boss von BlackBerry, ab. Und es stimmte ja auch, zu diesem Zeitpunkt war das Unternehmen auf dem Höhepunkt. Nahezu 100 Millionen der Tastatur-Handys hatte man bis dahin weltweit abgesetzt, BlackBerry beherrschte bis zu 45 Prozent des Mobiltelefonmarktes, was konnte da schon schiefgehen?
Alles ging schief Das iPhone mitsamt seinem Betriebssystem, zugeschnitten auf die Apple-Welt, war aus einem Guss – und deckte schlagartig die Schwächen der BlackBerry-Geräte auf.
Die größten Schwächen von BlackBerry gegenüber dem iPhone
- Über die Tastatur konnten nur bestimmte Programme gesteuert werden, es gab keine Touchscreens
- BlackBerry hatte wesentlich weniger Apps für seine User als Apple (und später auch Android-Handys)
- Die neuartigen Features des iPhones wurden sträflich unterschätzt, anstatt sofort gegenzusteuern
So setzte sich eine Abwärtsspirale in Gang, aus der es kein Entrinnen gab. Wahrscheinlich nicht einmal dann, wenn man rascher reagiert hätte. Als BlackBerry-CEO Jim Balsillie schließlich erste Marktanalysen erhielt, wie die Kunden über das neue iPhone dachten (extrem positiv) und wie viele überlegten, eines zu erwerben (sehr viele), war der Zug längst abgefahren. Und sämtliche Versuche, durch neue Allianzen und technische Weiterentwicklung wieder Terrain gutzumachen, waren zum Scheitern verurteilt.
Abstieg im Eilzugstempo Im Jahr 2011 war BlackBerry auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Leistung – der Umsatz lag bei 19,9 Milliarden Dollar – und gleichzeitig war der Abstieg längst vorprogrammiert. Nur drei Jahre später, 2014, war der Umsatz auf 6,8 Milliarden geschrumpft, 2016 auf 2,1 Milliarden Dollar. BlackBerry war da längst tot, man wollte es sich nur noch nicht eingestehen. Zunächst wurde die Produktion der Geräte ausgelagert, dann schließlich ganz eingestellt. Die Gründer waren da längst ausgestiegen, sie alle hatten noch gutes Geld verdient mit dem Verkauf ihrer Anteile.
Film-Fazit: Das alles erzählt der Film "BlackBerry"mit der notwendigen Schärfe, aber ohne Bitterkeit. Es ist eine typisch amerikanische Aufsteiger-Story, nur dass hier der Fall gleich mitgeliefert wird. Es ist ein ungeschönter und sehr treffsicherer Blick auf die Mechanismen des Hightech-Kapitalismus, gefilmt vielfach mit wackeliger Handkamera, im Stile einer Documentary. Ansehen lohnt sich!
"BlackBerry", Kanada 2023, 121 Minuten, ab 8. Juni auf Paramount+ und Sky