Neue Serie
"Crooks": Ein Piefke und ein Strizzi auf Hetzjagd durch Europa
In der neuen "Netflix"-Serie müssen sich ein Berliner Safeknacker und ein Wiener Kleingangster zusammenraufen, um zu überleben. Regie führte der Österreicher Marvin Kren.
Es gibt nicht viele Elemente im modernen Spannungskino, die nicht auf Alfred Hitchcock zurückgehen. Das britische Regie-Genie (1899 - 1980) führte all jene Kniffe und technischen Tricks ein, die einen Film oder eine Serie erst so richtig mitreißend machen und das Publikum bei der Stange halten. Nicht umsonst hieß Sir Alfred auch "Master of Suspense" – "Meister der Spannung". Und seine wahrscheinlich wichtigste Erfindung war der "MacGuffin". So bezeichnete Hitchcock jenes Handlungselement, das eine Geschichte vorantreibt, ohne selbst irgendeine Wichtigkeit zu besitzen: Schätze, Geheimnisse, symbolische Objekte, egal. Erst der MacGuffin ist es, der die Protagonisten eines Films tun lässt, was sie tun.
Kleine Münze, große Wirkung Der MacGuffin der neuen "Netflix"-Serie "Crooks" ist eine unscheinbare Goldmünze, die irgendwann von einem Hobby-Schatzsucher aus einem Acker im Osten Deutschlands geklaubt wurde und schließlich im Bode-Museum in Berlin landete. So erfahren wir es gleich zu Beginn der Serie von einer Museumsmitarbeiterin, ehe zwei Fremde mit grotesken Gummimasken und Vorschlaghämmern die Ausstellung stürmen, den Panzerglaskäfig der Münze zertrümmern und mit ihrer Beute türmen, ehe die Security aktiv wird. Der Auftakt zu einer Hetzjagd durch halb Europa, an der sich die verschiedensten Verbrecherorganisationen beteiligen.
Multikulti-Verbrecherkaleidoskop Nach dem "Bruch" landet die Münze im Safe eines arabischen Verbrecherclans in Berlin, aus dem sie durch einen ehemaligen Safeknacker gestohlen wird, den eine serbische Bande zu diesem letzten Coup erpresst. Als Unterstützung schickt der Wiener Verbrecherboss namens "Der Rote" zwei subalterne Strizzis nach Berlin, die die Münze nach Wien bringen sollen, wo der im Sterben liegende Ober-Capo "Der Große" diese um eine riesige Summe irgendwelchen Russen verkaufen möchte, ehe ihn der Krebs dahinrafft. Soweit alles klar?
Chaos im Gangsterland Aber natürlich geht die Sache schief, es gibt einen Toten und schon bald bewegt sich der gesamte Böse-Buben-Tross (Frauen kommen in der Serie nur sehr spärlich vor), angeführt von Safeknacker Charly und Strizzi Joseph, Richtung Marseille, wo sich schließlich auch noch die französische Mafia ins Spiel um die Goldmünze einbringt. Ein Plot, so bunt und divers, als hätte der Brite Guy Ritchie bei dieser Gangsterballade Regie geführt, der mit seinem Erstlingswerk "Bube, Dame, König grAS" das Sub-Genre des Gangsterepos mit besonders vielen Handlungsfäden salonfähig gemacht hat.
Ein Wiener als Showrunner Aber nicht Mr. Ritchie, sondern vielmehr der österreichische Regisseur Marvin Kren, Mastermind hinter der vielgelobten Berlin-Serie "4 Blocks", hat diese Räuberpistole ersonnen und für den Streaming-Giganten "Netflix" auch umgesetzt. Und das so stilsicher und beeindruckend, dass "Crooks" bereits jetzt als eine der Serien-Entdeckungen des Jahres gehandelt wird.
Erfolgsgeheimnis 1: Stilsichere Inszenierung Der gebürtige Wiener Marvin Kren, Sohn von Schauspielerin Brigitte Kren, kann sich dabei auf sein gutes Händchen im Inszenieren von Spannung und vielschichtigen Charakteren verlassen. Ob arabische Clanmitglieder, serbische Paten, Wiener Gürtelbosse oder südfranzösische Mafiosi, Kren lässt sie alle aussehen, klingen und handeln, als würde er sich seit Jahren in deren Milieus bewegen – und das kommt nicht von ungefähr.
Hautnah am Geschehen Denn tatsächlich geht der Regisseur bei seiner Recherche sehr weit, wie er dem Nachrichtenmagazin "Profil" erzählte: "Ich habe durch meine Recherchen für die Serie '4 Blocks' nahezu eine Magisterarbeit über die arabischen Clans in Berlin geschrieben", so Kren. "Da sitzt du dann in der Shisha-Bar mit den schweren Jungs. Und die sind richtig hungrig, ihre Räuber- und Cowboy-Geschichten auszupacken. Sie stilisieren sich zu Filmfiguren, zimmern ihre eigenen Legenden."
Erfolgsgeheimnis 2: eine mörderisch gute Besetzung "Crooks" ist bis in die Nebenrollen formidabel besetzt. Als ungleiches Duo auf der Flucht brillieren der Deutsche Frederick Lau als Safeknacker Charly und der gebürtige Burgenländer Christoph Krutzler als massiger Chauffeur Joseph. Bei der Besetzung der arabischen Clan-Mitglieder kam Kren seine "4 Blocks"-Erfahrung zugute. Und bei den Wiener Strizzis, deren Lebenswelt in der Serie besonders bunt gezeichnet wird, konnte der Regisseur überhaupt aus dem Vollen schöpfen.
Wiener Strizzi-Panoptikum Als "Der Rote" brilliert der große Schauspieler und Regisseur Karl Welunschek, der kurz nach den Dreharbeiten im Frühjahr 2023 im 68. Lebensjahr verstarb. Seinen Sohn gibt, schaurig-schön durchgeknallt, Lukas Watzl. Und als Strizzi "Zwanziger" brilliert einmal mehr Georg Friedrich. Nicht zu vergessen: Marvin Krens Mutter Brigitte hat eine der wenigen tragenden Frauenrollen, als stumme, weil dereinst übelst misshandelte, aber nichtsdestotrotz wehrhafte Ex-Prostituierte und Mutter von "Chauffeur" Christoph Krutzler.
Belmondo als Inspiration Beim Schreiben des Scripts hatte Regisseur Kren übrigens vor allem einen alten französischen Gangsterfilm im Sinn. "Der Panther wird gehetzt" aus dem Jahr 1960, inszeniert von Claude Sautet, diente ihm als Vorbild. In der Geschichte fliehen ein alternder (Lino Ventura) und ein junger Gangster (Jean-Paul Belmondo) von Italien nach Frankreich, nur um dort dann von ihren eigenen Männern verraten zu werden. Marvin Kren in "Profil": "Es ist mir extrem wichtig, dass die Figuren, ihre Codes, ihr Styling und ihre Sprache stimmen. Wir erzählen keine Klischees, alles ist authentisch.
"Crooks", acht Folgen, ab sofort auf "Netflix" abrufbar